EU-Ratspräsident Tusk empfindet „Empathie“ bezüglich des Wunsches nach einem unabhängigen Schottland

Während die Befürworter einer schottischen Unabhängigkeit unter dem Eindruck ungelöster Handelsfragen zwischen Brüssel und London Rückenwind verspüren, hat der Ex-Chef des Europäischen Rates, Donald Tusk, auf BBC „Empathie“ für die Avancen Schottlands geäußert.
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Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon in Edinburgh, 30. Januar 2020.Foto: ANDY BUCHANAN/AFP via Getty Images
Von 6. Februar 2020

Wie geht es Schottland nach dem Brexit? Eine Woche nach dem Inkrafttreten des Brexits bescheinigen Umfragen den Anhängern der schottischen Unabhängigkeitsbewegung ein Zwischenhoch in der Publikumsgunst. Wie die Zeitung „The National“ berichtet, würde einer Panelbase-Umfrage zufolge, die zwischen dem 28. und 31. Januar durchgeführt wurde, erstmals seit Juni 2019 mit 52 Prozent eine Mehrheit der Schotten für eine Loslösung vom Vereinigten Königreich stimmen.

Gegenüber dem Dezember des Vorjahres wäre das ein Plus von fünf Prozent. Auch unter den Parteien verbesserte sich die linksnationalistische Schottische Nationalpartei (SNP) auf 50 Prozent. Zuvor lag sie bei 43 Prozent auf Landesebene und 47 Prozent (von 38) auf Ebene der Regionen. Die Gewinne der SNP gingen auf Kosten der Labour-Partei.

Auch eine zeitgleich durchgeführte Umfrage des Instituts Survation spricht von einem Aufschwung für die Anhänger der Unabhängigkeit, allerdings nur auf dem Level von 50 Prozent Zustimmung. Mit 51 zu 49 Prozent sieht auch YouGov erstmals seit 2015 die Befürworter eines unabhängigen Schottlands in der Mehrheit.

Umfrage-Mehrheit für Unabhängigkeit bislang nie dauerhaft

Im Herbst des Jahres 2018 lagen die Gegner einer Unabhängigkeit bei Panelbase noch mit 56 zu 36 Prozent vorne. Die Unabhängigkeitsbewegung hatten zuvor lediglich in der Zeit nach dem Brexit-Referendum 2016 über mehrere Monate hinweg eine Mehrheit. Inwieweit diese Stimmung in Schottland länger anhalten wird, ist noch unklar.

Im September 2014 hatte es ein Referendum über eine schottische Unabhängigkeit gegeben, das mit 55 Prozent für einen Verbleib im britischen Staatsverband endete. Allerdings hatte Schottland im Jahr 2016 auch mit 62 zu 38 Prozent gegen den Brexit gestimmt. Der Brexit wurde in Großbritannien insgesamt mit 51,9 zu 48,1 Prozent angenommen.

Schottland nahm sowohl in Großbritannien als auch in der EU umfangreiche Transferleistungen in Anspruch. Nun befürchtet die Region Nachteile durch einen möglichen „harten Brexit“ – also ein Scheiten der Verhandlungen. Ein neuer Konflikt zwischen London und Brüssel über die künftige Handelspolitik ist im Entstehen.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte bereits wenige Monate nach dem Brexit-Referendum angekündigt, ein zweites Unabhängigkeitsreferendum zu erwägen, sollte sich der Prozess aus ihrer Sicht nachteilig für Schottland auswirken.

Schottland müsste auch der Eurozone beitreten

Nun hat sie unerwartete Rückendeckung bekommen – vom früheren europäischen Ratspräsidenten Donald Tusk. Dieser erklärte gegenüber BBC, er empfinde „Empathie“ bezüglich des Wunsches nach einem unabhängigen Schottland, das Mitglied der Europäischen Union würde. Sturgeon hatte bereits deutlich gemacht, Schottland würde der EU beitreten wollen, sollte ein Unabhängigkeitsreferendum mit einem „Ja“ zur Eigenstaatlichkeit enden.

Einen „Automatismus“ gäbe es jedoch nicht, schwächte Tusk sein Bekenntnis ab. Dies lag möglicherweise nicht nur daran, dass er bei den Briten nicht den Eindruck des Revanchismus erwecken wollte. Vielmehr hat Außenminister Dominic Raab Tusks Äußerungen auf BBC bereits zurückgewiesen und gewarnt, diese könnten „separatistische Tendenzen“ in der EU fördern.

Was sich in einem solchen Fall früher bewahrheiten könnte als Brüssel lieb ist: Bis dato hatte die EU-Kommission nicht nur in der Ukrainepolitik wenig Verständnis für Separatismus gezeigt, sondern auch mit Blick auf die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien oder im Baskenland. Auch 2014 machte Brüssel deutlich, einen Verbleib Schottlands im UK zu bevorzugen.

Im Vorjahr hatte der Think-Tank „European Policy Centre“, dessen Vorsitzender der früherer Ratspräsident Herman Van Rompuy ist, hingegen in einer Analyse geschrieben, die EU solle sich gegenüber Schottland im Fall einer Unabhängigkeit „positiv engagieren“. Allerdings könne Schottland im Fall eines Beitritts nicht mit den Sonderkonditionen rechnen, die Großbritannien für sich durchgesetzt hatte. Insbesondere würde sich Schottland der Eurozone anschließen müssen.



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