EU-Kommissionsvize dringt auf Rechtsstaatlichkeit als Bedingung für EU-Gelder – Orban droht mit Veto
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, dringt darauf, dass die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am Wochenende die Vergabe von EU-Geldern an einen funktionierenden Rechtsstaat knüpfen. "Jetzt oder nie", sagte sie.

Vizepräsidentin der EU-Kommission Vera Jourova.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, dringt darauf, dass die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel am Wochenende die Vergabe von EU-Geldern an einen funktionierenden Rechtsstaat knüpfen. „Wenn wir jetzt nicht dieses Prinzip durchsetzen, werden wir es nie durchsetzen“, sagte Jourova dem „Handelsblatt“ (Donnerstagsausgabe). Die anstehenden Entscheidungen zum Corona-Wiederaufbaufonds und zum mehrjährigen EU-Finanzrahmen böten eine einmalige Gelegenheit, einen solchen Rechtsstaatsmechanismus durchzusetzen.
„Jetzt oder nie“, mahnte die tschechische Kommissionsvertreterin. Bei dem Gipfel am Freitag und Samstag in Brüssel geht es um ein bisher beispielloses Finanzpaket von 1,8 Billionen Euro. Es besteht aus dem nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen für die Zeit von 2021 bis 2027 von gut einer Billion Euro und dem Hilfsfonds gegen die schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise von 750 Milliarden Euro.
Bei systematischen Defiziten bei der Rechtsstaatlichkeit sollen Mittel zurückgehalten werden können, wenn eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten dies unterstützt. Jourova hält diese Schwelle für zu hoch: Es bestehe das Risiko, dass der Rechtsstaatsmechanismus damit zu einem Papiertiger werde, warnte die Vize-Präsidentin, die in der Kommission für Werte und Transparenz verantwortlich ist.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat bereits mit einem Veto gegen die weitreichenden Finanzierungsbeschlüsse der EU gedroht, sollte die Vergabe an die Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden. Gegen Ungarn wie auch gegen Polen laufen wegen Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit Strafverfahren, die bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen können. Sie führten aber bisher nicht zu einer grundlegenden Änderung der Politik in Warschau und Budapest.
Der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth hatte am Mittwoch nach einer Videokonferenz mit seinen EU-Kollegen betont, die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sei weiter eine Priorität Deutschlands und von „ganz, ganz vielen Mitgliedstaaten“. Das Anliegen sei vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs „nicht geopfert“ worden. (afp)
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