Erneute Großrazzia in drei Bundesländern – Grüne fordern verschärftes Waffengesetz

Am Dienstag gab es erneut eine Großrazzia in drei Bundesländern. Die Generalbundesanwaltschaft erhofft sich neue Erkenntnisse aus dem Umfeld mutmaßlicher Unterstützer der Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Verhaftet wurde niemand. Die Grünen fordern ein „absolutes Waffenverbot“ für „Feinde der Demokratie“.
Titelbild
Großrazzia: 700 Beamte durchkämmen Heimstätten in drei Bundesländern. Symbolbild.Foto: AdrianHancu/iStock
Von 5. Juni 2024

Fünf Wochen nach Beginn der ersten Gerichtsverhandlung um das mutmaßliche Reichsbürger-Netzwerk um Heinrich XIII. Prinz Reuß haben die Sicherheitsbehörden am Dienstag, dem 4. Juni 2024, weitere Razzien durchgeführt. Das hat die Generalbundesanwaltschaft (GBA) mehreren Medienberichten zufolge mitgeteilt. Zielorte seien sieben Gebäude und drei Grundstücke in Baden-Württemberg, Sachsen und Schleswig-Holstein gewesen.

Nach Angaben der „Bild“ sollen 700 Ermittlungsbeamte des BKA, der Bundespolizei und von fünf Landespolizeibehörden im Einsatz gewesen sein. Auch Angehörige der Spezialeinheit GSG 9, des Kampfmittelräumdienstes und weitere Spezialeinheiten seien involviert gewesen.

Objekte durchsucht, keine Verhaftung

Schwerpunkt sei der Landkreis Calw in Baden-Württemberg gewesen. Dort hatten sich die Durchsuchungen nach Angaben der „Tagesschau“ gegen ein Ehepaar gerichtet, das das Netzwerk nach Überzeugung der GBA unterstützt haben könnte. Es handele sich um eine 63-jährige Frau und einen 73-jährigen Mann, die Wohnungen in Althengstett und in Bad Teinach-Zavelstein unterhalten sollen und dort auch Grundstücke besäßen. Womöglich hätten die Ermittler nach Waffen gesucht.

Die beiden Tatverdächtigen seien allerdings nicht verhaftet worden. Sie sollen der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß um die Silvesterzeit 2021/22 den Zugang zu Räumlichkeiten gewährt haben, um dort neue Leute rekrutieren zu können. Die 63-Jährige soll zudem Rüdiger von Pescatore, einem früheren Kommandeur des Fallschirmjägerbataillons 251, im Herbst 2021 ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt haben.

Aufregung in Althengstett

In Althengstett soll der Einsatz nach Angaben des „Schwarzwälder Boten“ (Bezahlschranke) für Verwirrung unter den Einwohnern gesorgt haben: Der parteilose Gemeindebürgermeister Rüdiger Klahm habe Mühe gehabt, seine Mitbürger zu beruhigen. Die plötzliche Lärmkulisse und die vielen Einsatzfahrzeuge in der Nähe des örtlichen Friedhofs und des Kindergartens hätten ihnen Angst gemacht.

Gerüchte über Schüsse, Tote und Verletzte in den sozialen Netzwerken hätten die Stimmung weiter angeheizt. Nach Angaben der „Tagesschau“ habe Klahm ausgesagt, im Vorfeld und auch während der Durchsuchungen nicht informiert worden zu sein.

Nach „Bild“-Informationen hatten parallel dazu in Seiffen und Pockau-Lengefeld im Erzgebirgskreis (Sachsen) weitere Durchsuchungen stattgefunden. Auch im Landkreis Segeberg (Schleswig-Holstein) sei eine Bunkeranlage bei Todesfelde durchsucht worden, berichtet der NDR.

Eine Anfrage der Epoch Times bei der GBA zur Nichtfestnahme der beiden Tatverdächtigen, zu womöglich konfiszierten Beweismitteln und zu den Hintergründen der Durchsuchungen in Sachsen und Schleswig-Holstein blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Reaktionen

Der Obmann der Grünen-Fraktion im Bundestagsinnenausschuss, Marcel Emmerich, forderte gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) inzwischen ein strengeres Waffenrecht. „Es ist unerträglich, dass Feinde der Demokratie auch legal zahlreiche Waffen besitzen konnten und zeigt, wie dringend wir bei der Entwaffnung von Extremisten vorankommen müssen“, so Emmerich.

Seiner Meinung nach müssten „Personen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen“ mit einem „absoluten Waffenverbot“ belegt werden. Die „Behörden vor Ort“ hätten schon „gesetzlichen Änderungsbedarf“ angemeldet, trotzdem komme ein aktueller Gesetzentwurf nicht voran. Nach Angaben des RND verhindert die FDP innerhalb der Ampelregierung eine entsprechende Novelle von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Beweisaufnahme in Frankfurt und Stuttgart läuft

Doch zurück zum mutmaßlichen Kontaktmann des Unterstützerpaars aus dem Landkreis Calw, Rüdiger von Pescatore. Der Oberstleutnant a.D. muss sich gemeinsam mit seinem Ex-Untergebenen Peter Wörner und dem ehemaligen Bundeswehroberst Maximilian Eder seit dem 21. Mai vor dem 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) in Frankfurt am Main verantworten.

Auf der Anklagebank sitzen dort auch der mutmaßliche Kopf des Reichsbürger-Netzwerks, Heinrich XIII. Prinz Reuß und weitere fünf Tatverdächtige. Sie alle stehen im Verdacht, einen bewaffneten Umsturz der Regierung geplant zu haben (Aktenzeichen 8 St 2/23). Auslöser soll vor allem ihr Unmut über die Corona-Politik gewesen sein.

Die Verhandlung in Frankfurt war am Dienstag parallel zur Razzia fortgesetzt worden. Dabei war nach Angaben der „Tagesschau“ ein BKA-Beamter in den Zeugenstand getreten. Dieser habe sich zum Ermittlungsstand über die persönlichen Verhältnisse von Prinz Reuß geäußert.

Am OLG Stuttgart war der Prozess gegen neun weitere Tatverdächtige bereits am Montag, dem 3. Juni, mit dem fünften Verhandlungstag fortgesetzt worden (Aktenzeichen: 3 St 2 BJs 445/23). Wie der SWR berichtet, ging es dabei hauptsächlich um die Frage, wer am 22. März 2023 den Schusswechsel bei der Wohnungsdurchsuchung von Markus L. eröffnet hatte, in dessen Verlauf zwei SEK-Beamte am Ellbogen beziehungsweise an einem Finger verletzt worden waren.

Der Einsatzleiter räumte im Zeugenstand ein, dass die Polizei den ersten Schuss abgegeben hatte. Markus L. hatte sich nach der Schießerei verhaften lassen. Das OLG Stuttgart hat schon seit dem 29. April 2024 über die Rolle des „militärischen Arms“ der Gruppe zu befinden.

Nächster Verhandlungstag in Stuttgart ist laut OLG Mittwoch, 5. Juni. Auch in Frankfurt wird an diesem Tag weiter verhandelt.

18. Juni: Prozessauftakt in München

Ab dem 18. Juni sollen die acht restlichen Untersuchungshäftlinge im Reichsbürger-Fall die Gelegenheit bekommen, sich mithilfe ihrer Rechtsbeistände vor dem 9. Strafschutzsenat des OLG München zu den Tatvorwürfen zu äußern. Sie stehen im Verdacht auf „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ (Aktenzeichen 9 St 7/23, PDF). Los geht es dann ab 9:30 Uhr im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße 16.

Urteile erst im Laufe des Jahres 2025 zu erwarten

Mit Urteilen noch im Jahr 2024 ist nicht zu rechnen. Alle drei Gerichtsstandorte gehen davon aus, dass sich die Verhandlung gegen die mutmaßlich kriminellen „Reichsbürger“ mindestens in den Januar, womöglich sogar bis weit ins Jahr 2025 hineinziehen wird. In Stuttgart und Frankfurt wurden bislang knapp 50 Termine zur Hauptverhandlung anberaumt, in München sogar 55.

Die Angeklagten sollen sich laut Generalbundesanwaltschaft (GBA) Ende Juli 2021 zusammengeschlossen haben, um „die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen“. Konkrete Planungen zu einem Umsturz habe es seit August 2021 gegeben.

Am frühen Morgen des 7. Dezember 2022 waren rund 3.000 Sicherheitskräfte ausgerückt, um die Revolutionäre medienwirksam festzunehmen. Das Gedankengebäude der „Reichsbürger“ um Heinrich XIII. Prinz Reuß beschreibt die GBA wie folgt:

Die Angehörigen der Vereinigung verband eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Sie folgten einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen, bestehend aus Narrativen der sog. Reichsbürger- und Selbstverwalterszene sowie der QAnon-Ideologie. So waren sie fest davon überzeugt, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sog. ‚Deep State‘ regiert werde. Befreiung verspreche die sog. ‚Allianz‘, ein – tatsächlich nicht existierender – technisch überlegener Geheimbund von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika.“

Anmerkung der Redaktion: In den vorstehenden Fällen handelt es sich um Verdachtsfälle. Unsere Redaktion folgt dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Ob und in welchem Rahmen eine tatsächliche Schuld der oben genannten Akteure besteht, ist gerichtlich festzustellen.



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