„Zeitenwende erfordert Sicherheitsstrategie“ – Überprüfungen bei deutschen Geheimdiensten sollen strenger werden
Das Parlamentarischen Kontrollgremium fordert die Nachrichtendienste auf, sich besser vor Spionage zu schützen. Man sehe „erheblichen Verbesserungsbedarf“, besonders bei den routinemäßigen Sicherheitschecks der Mitarbeiter, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf eine Unterrichtung des PKGr. Das Gremium überwacht die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Verfassungsschutzes sowie des Militärischen Abschirmdienstes.
Die Überprüfungen müssten schneller und gründlicher durchgeführt werden. In der Unterrichtung wird eine Reihe von Empfehlungen für die Bundesregierung aufgelistet: „Die nicht zuletzt durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine veränderte Sicherheitslage für die Bundesrepublik Deutschland erfordert es, bestehende Verfahren der Sicherheitsüberprüfung zu evaluieren und den augenblicklichen Herausforderungen und Bedrohungen anzupassen“, heißt es in dem zweiseitigen Schreiben.
Im Dezember war ein BND-Mitarbeiter wegen Spionageverdachts festgenommen worden. Carsten L. soll vertrauliches Material an einen russischen Geheimdienst verraten haben. Dieser Fall weise auf „dringenden Handlungsbedarf“ hin. Sicherheitsüberprüfungen sind Pflicht für Beschäftigte in sensiblen Bereichen. Es gibt drei Stufen, Ü1, Ü2 und die höchste: Ü3, bei der neben Identitätsprüfungen und einem Datenabgleich auch weitere Personen befragt werden. Die Überprüfungen erfolgen bei Neueinstellungen und werden dann in der Regel alle fünf Jahre aktualisiert und alle zehn Jahre komplett neu vorgenommen. Vornehmlich ist das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) dafür zuständig.
Gründlichste Stufe der Überprüfung dauert fast ein Jahr
Bundeswehranwärter und -soldaten werden auch vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) überprüft, BND-Bedienstete von der dortigen Abteilung für Eigensicherung. Die Zahl der Überprüfungen steige seit Jahren, das Personal sei überlastet. Fristen für Wiederholungschecks werden gerissen. Die gründlichste Stufe der Überprüfung dauere mittlerweile fast ein Jahr. Aus Sicht der Parlamentarier sei das viel zu lange. Dieser Zeitraum müsse „deutlich reduziert“, der Berg an ausstehenden Wiederholungsüberprüfungen bis Ende 2024 deutlich abgebaut werden.
Das Parlamentarische Kontrollgremium fordert von der Regierung, das nötige Geld für eine „auskömmliche Ausstattung“ der Abteilungen bereitzustellen und vakante Posten „so früh wie möglich“ zu besetzen. Das Gesetz, in dem die Sicherheitsüberprüfungen geregelt sind, müsse überarbeitet werden und den Behörden „weitreichende Recherchemöglichkeiten“ in den sozialen Medien erlauben. Gremiumsmitglied Sebastian Hartmann (SPD) sagte der „Süddeutschen Zeitung“, aktuelle Ereignisse wie der enttarnte Spion hätten „handfeste Versäumnisse“ aufgezeigt. Die Sicherheitschecks müssten funktionieren, damit sichere man die „Integrität und Handlungsfähigkeit“ der Dienste.
„Zeitenwende erfordert eine umfassende Sicherheitsstrategie“
Der Chef des Kontrollgremiums im Bundestag, Konstantin von Notz (Grüne), fordert nun eine „schnelle Reaktion“ der Behörden auf die Kritik aus dem Parlament. „Jahrzehntelang haben Aspekte wie die Eigensicherung und die Spionageabwehr in Deutschland praktisch keine Rolle gespielt, obwohl es illegitime Einflussnahme und Spionage offensichtlich immer gab“, so von Notz. Der aufgeflogene Spionagefall habe die Dringlichkeit deutlich gemacht.
„Spätestens seit dem Fall Carsten L. beim BND muss allen klar sein: Die Zeitenwende erfordert eine umfassende Sicherheitsstrategie, bei der auch die Eigensicherung und der Schutz vor Spionage und Einflussnahme von großer Bedeutung ist“. Das Gremium erwarte, dass hier alle Verantwortlichen zusammenwirkten, „um das Schutzniveau deutlich zu erhöhen und zukünftig effektiv und wehrhaft auf diese Gefahren reagieren zu können“, so der Grünen-Politiker. (dts)
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