Zahl der Firmenpleiten steigt auf höchsten Wert seit 20 Jahren und der Export schwächelt
Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland ist im Oktober erneut auf ein Rekordniveau gestiegen. Wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) am Donnerstag mitteilte, reichten 1.530 Unternehmen im vergangenen Monat Insolvenz ein. Das waren so viele wie seit 2004 nicht mehr in einem Oktober-Monat. Für November und Dezember seien leicht sinkende Werte „möglich“.
„Die derzeitige Insolvenzwelle ist das Ergebnis eines perfekten Sturms aus langanhaltender konjunktureller Schwäche und drastisch gestiegenen Kosten“, erklärte Steffen Müller vom IWH. Hinzu kämen Nachholeffekte aus der Pandemie. Während der Corona-Krise erhielten viele Firmen staatliche Unterstützungen, weshalb die Pleiten „hinausgezögert“ wurden. Mittlerweile stünden diese Unternehmen durch die gestiegenen Kosten jedoch unter „massivem Druck“.
Die Oktober-Zahlen lagen den Angaben zufolge 17 Prozent über denen des Vormonats und 48 Prozent über dem Vorjahreswert. Gegenüber einem durchschnittlichen Oktober der Jahre 2016 bis 2019 ist der Anstieg mit 66 Prozent noch deutlicher.
Besonders von Insolvenzen betroffen sind den Angaben des IWH zufolge Unternehmen aus dem Baugewerbe, dem Handel und den unternehmensnahen Dienstleistungen. Weil Pleiten großer Unternehmen im Oktober jedoch ausblieben, war der Einfluss auf den Arbeitsmarkt in dem Monat den Forschenden zufolge „überschaubar“.
Die Frühindikatoren des IWH weisen auf einen leichten Rückgang der Insolvenzzahlen im November und Dezember hin. Sie dürften aber weiterhin „deutlich über dem Niveau von vor der Doppelkrise aus Pandemie und Kostenschocks liegen“, erklärte das Institut.
Exportnation Deutschland Tief
Die steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen und die rückläufige Produktion, die auch die Exporte mindert, bringen die deutsche Wirtschaft in politisch unruhigen Zeiten in schwieriges Fahrwasser. Deutschland sei als Außenhandelsnation international nicht mehr wettbewerbsfähig, kommentiert der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura.
Europas größte Volkswirtschaft brauche nach dem Bruch der Ampel-Koalition schnellstmöglich eine handlungsfähige Regierung – auch angesichts der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und damit drohenden Importzöllen im wichtigsten Absatzmarkt für Waren „Made in Germany“, mahnte Jandura: „Deutschland braucht eine Wirtschaftswende. Wir müssen das Ruder herumreißen, bevor die Wellen zu hoch werden.“
Exportwirtschaft tut sich schwer
Nach einem Zwischenhoch im August lieferten die Unternehmen im September wieder weniger Waren ins Ausland. Vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge lagen die Ausfuhren mit einem Gesamtwert von 128,2 Milliarden Euro um 1,7 Prozent unter dem Niveau von August 2024. Auch im Vergleich zum September 2023 gab es ein Minus – und zwar von 0,2 Prozent.
Wachsende Konkurrenz für deutsche Produkte auf den Weltmärkten zum Beispiel aus China sowie strukturelle Probleme der deutschen Industrie wie die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise machen der Exportnation Deutschland seit geraumer Zeit zu schaffen. Von Januar bis einschließlich September des laufenden Jahres liegen die Exporte nach Angaben der Wiesbadener Behörde mit 1175,5 Milliarden Euro kalender- und saisonbereinigt um 1,0 Prozent unter dem Wert des Vorjahreszeitraums.
Die Importe legten unterdessen im September auf 111,3 Milliarden Euro zu – das ist ein Plus sowohl im Vergleich zum Vormonat (plus 2,1 Prozent) als auch zum Vorjahresmonat (plus 1,3 Prozent). Im Neun-Monats-Zeitraum Januar bis September summierten sich die Einfuhren nach Deutschland auf einen Wert von 988,6 Milliarden Euro, das waren 4,2 Prozent weniger als vor Jahresfrist.
Industrieproduktion sinkt unerwartet stark
Auch die Produktion in der deutschen Industrie schwächelt: Von August auf September des laufenden Jahres ging die Gesamtherstellung um 2,5 Prozent zurück und damit stärker als von Marktbeobachtern erwartet. Verglichen mit dem September 2023 betrug das Minus nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sogar 4,6 Prozent. Den Rückschlag erklärten die Statistiker vor allem mit einem deutlichen Produktionsrückgang um 7,8 Prozent zum Vormonat in der Automobilindustrie.
Der erneute Rückgang der Industrieproduktion im September müsse als Warnsignal für eine bessere Wirtschaftspolitik gesehen werden. Mit den ebenfalls gesunkenen Exporten im gleichen Monat gebe es auch keine Impulse aus dem Ausland auf die inländische Konjunktur, bewertet der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, die Lage. Trumps Wiederwahl und das Ende des Dreierbündnisses aus SPD, Grünen und FDP sorgen für weitere Unsicherheit.
Zweite Amtszeit Trumps bereitet Sorgen
„Der Rückgang der Industrieproduktion und der Exporte sind in Anbetracht des Sieges von Donald Trump eine Mahnung. Mehr US-Protektionismus heißt für das industrielastige Deutschland nichts Gutes“, prognostiziert der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel.
Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, hohe Importzölle zum Schutz der US-Wirtschaft einzuführen. Dies würde Waren aus deutscher Produktion im wichtigsten Absatzmarkt für Waren „Made in Germany“ verteuern. Im September waren die Vereinigten Staaten einmal mehr Abnehmerland Nummer eins für deutsche Produkte: Die Exporte in die USA erhöhten sich zum August 2024 um 4,8 Prozent auf einen Gesamtwert von 14,2 Milliarden Euro. Dagegen verringerten sich die Ausfuhren nach China um 3,7 Prozent auf 7,1 Milliarden Euro, die Exporte in das Vereinigte Königreich sanken um 4,9 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro.
Volkswirte: Reformen in Deutschland überfällig
Ökonomen mahnen die heimische Politik, den Industriestandort Deutschland zu stärken, zum Beispiel durch den Abbau von Bürokratie. Doch der Bruch der Ampel-Koalition macht rasche Entscheidungen unwahrscheinlicher, wie Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer zusammenfasst: „Deutschland steht vor einem schwierigen Winterhalbjahr, ohne dass es bereits politische Mehrheiten für notwendige Wirtschaftsreformen gäbe.“ (dpa/afp/red)
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