Woran das XXL-Schuldenpaket von Union und SPD scheitern könnte

In der kommenden Woche soll im Bundestag der Gesetzgebungsprozess für die geplanten Grundgesetzänderungen beginnen, auf die sich Union und SPD in ihren Sondierungsgesprächen geeinigt haben. Diese umfassen unter anderem ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für die Infrastruktur. Dazu kommen Ermächtigungen zur Aufnahme von Krediten für Rüstungsvorhaben und Verschuldungsermächtigungen für die Länder.
Der Bundestag soll zunächst für drei Stunden über das Vorhaben beraten. Am Donnerstag soll nach Beratung innerhalb der Fraktionen die erste Debatte über das „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ folgen. Im Anschluss daran ist eine Expertenanhörung geplant.
Union erstellt Zeitplan für Grundgesetzänderung im Bundestag
Am Montag, 17. März, sollen dann im Bundestag die zweite und dritte Lesung stattfinden. Anschließend ist eine namentliche Abstimmung geplant. Das bedeutet, dass das Stimmverhalten jedes einzelnen Abgeordneten dokumentiert und im Anschluss veröffentlicht wird.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, schwört seine Abgeordneten schon jetzt auf vollständiges Erscheinen ein. Die Ansage an die Fraktionsmitglieder lautet:
„An den Tagen der Plenarsitzungen ist vollzählige Präsenz erforderlich.“
Tatsächlich könnte es für das Erreichen einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag auf jede Stimme ankommen. Da über das gesamte Paket und nicht über jeden Punkt einzeln abgestimmt wird, ist das Stimmverhalten, insbesondere von FDP und Grünen, nicht voraussehbar. Aus diesen Parteien brauchen Union und SPD jedoch Leihstimmen für ihr Schuldenpaket.
Mehrere Länder gelten als Wackelkandidaten im Bundesrat
Mit Blick auf die Aufrüstung dürfte es für beide eine deutliche Mehrheit geben. Allerdings gibt es sowohl bei der FDP als auch bei den Grünen Vorbehalte gegen das Sondervermögen zur Infrastruktur. Die Liberalen lehnen jede Aufweichung der Schuldenbremse ab, einige grüne Abgeordnete vermissen darin weitreichende klimapolitische Maßnahmen.
Inwieweit die Union bereit sein wird, solche Maßnahmen noch einzubauen, ist ungewiss. Schon jetzt regt sich in der Partei Unmut darüber, dass die Koalitionsverhandler unter Kanzlerkandidat Friedrich Merz so bereitwillig die Schuldenbremse infrage gestellt haben. Dazu kommen noch nicht ausgeräumte Differenzen über die Migrationspolitik.
Eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag wäre jedoch noch lange nicht die ganze Miete für die mögliche schwarz-rote Koalition. Auch der Bundesrat muss der Grundgesetzänderung zustimmen – und auch dort müssen zwei Drittel diese mittragen. Bis zu 22 Stimmen könnten aufgrund von Enthaltungen aus jenen Ländern fehlen, in denen das BSW, die FDP oder die Linke mitregiert. Dies wären Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern.
Ohne deren Stimmen blieben bei Zustimmung aller anderen Länder 47 Stimmen übrig – eine mehr als die erforderliche Mehrheit. Ein möglicher Unsicherheitsfaktor ist dabei Bayern. Dort regiert die CSU in einem Bündnis mit den Freien Wählern. Deren Parteichef Hubert Aiwanger wirft der Union jetzt schon „Wählertäuschung“ vor.
#Sondervermögen = #Schulden. Was die Union vor der Wahl strikt bestritten hat, macht sie jetzt mit den Sozis, noch bevor die Regierung überhaupt steht. Anstatt Strukturprobleme der Wirtschaft lösen und Sozialmissbrauch korrigieren, mit Schulden alles zukleistern. #Wählertäuschung
— Hubert Aiwanger (@HubertAiwanger) March 4, 2025
Angriffe auf den Koalitionspartner am Aschermittwoch
Bereits am Politischen Aschermittwoch sind mögliche Differenzen in der Koalition zutage getreten. CSU-Chef Markus Söder sprach mit Blick auf Kritik der Freien Wähler von „bundespolitischem Gequake von Leuten, die null Ahnung von der Sache haben“. Zudem wolle er nach jüngsten Äußerungen Aiwangers bei der Entwicklung des Koalitionspartners „genauer hinsehen“.
Er nahm insbesondere Anstoß an der Analyse Aiwangers, in der das schlechte Ergebnis der FW bei der Bundestagswahl darauf zurückzuführen sei, dass die Bürger „noch radikalere“ Parteien gewählt hätten. Dies werfe die Frage auf, so Söder, ob sich die Verantwortungsträger der FW in Land und Kommunen denn als Vertreter einer „radikalen“ Partei sähen.
Auch Söder selbst hat eine Zustimmung zu den Plänen von Union und SPD im Bund noch nicht fix zugesagt. Er erklärte, er müsse noch weitere Details über die konkrete Ausgestaltung des Pakets in Erfahrung bringen, und dieses müsse konkrete Reformen enthalten. Allerdings würde er mit einer bayerischen Enthaltung möglicherweise für das Scheitern eines zentralen Vorhabens des angestrebten Bundeskabinetts Merz verantwortlich gemacht.
Söder könnte Woidke-Szenario im Bundesrat wiederholen
Im Extremfall droht, sollte Aiwanger sich sperren, ein Szenario wie im Vorjahr in Brandenburg. Im November 2024 hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke während einer laufenden Bundesratssitzung Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) von ihren Amtsgeschäften entbunden. Auf diese Weise verhinderte er eine Enthaltung der Ministerin, die zur Nichtwertung der Stimme des gesamten Bundeslandes geführt hätte. Damals ging es um die Krankenhausreform.
Ein ähnliches Verhalten Söders könnte das Ende der Koalition in Bayern zur Folge haben. Vorzeitige Neuwahlen müsste der bayerische Ministerpräsident in diesem Fall nicht zwangsläufig fürchten. Er könnte einen fliegenden Koalitionswechsel zur SPD vollziehen, mit der zusammen die CSU eine Stimme Mehrheit im Maximilianeum hätte.
Für den Fall, dass die Grundgesetzänderung zustande kommt, erwägen AfD und Linkspartei eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Beide Parteien bezweifeln, dass ein durch den Bundespräsidenten aufgelöster Bundestag so weitreichende Entscheidungen treffen könne.
Wie weit darf ein aufgelöster Bundestag einen neu gewählten binden?
Grundsätzlich ist auch ein aufgelöster Bundestag noch voll handlungsfähig und sogar befugt, das Grundgesetz zu ändern. Schließlich bleiben die Abgeordneten bis zur Konstituierung des neuen Parlaments in ihren Funktionen und der Bundestag arbeitet bis dahin weiter. Auch die Bundesregierung führt bis zu diesem Zeitpunkt die Geschäfte weiter.
Allerdings zweifeln Verfassungsrechtler wie Volker Boehme-Neßler von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg daran, dass die Gesetzgebungsbefugnisse eines aufgelösten Bundestages unbeschränkt seien. Das Grundgesetz, so äußert Boehme-Neßler im „Cicero“, erlaube keine „Verfassungsänderungen aus politischem Kalkül, um einen neu gewählten Bundestag auszumanövrieren“. Weitreichende Gesetze zu verabschieden, die das neue Parlament langfristig bänden, verstoße gegen das Demokratieprinzip des Artikels 20 GG.
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