Regierung plant Einwanderungsreform gegen Fachkräftemangel
Schon heute fehlen in Deutschland Hunderttausende Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt und der demographische Wandel verschärft das Problem noch. Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetz zur „Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ gegensteuern. Der Entwurf wurde am Donnerstag im Bundestag kontrovers debattiert. Was die Einwanderungsreform vorsieht – und was die Wirtschaft daran kritisiert:
Lockerungen bei Regeln für „Blaue Karte EU“
Zentrales Element bei der Fachkräfteeinwanderung soll die „blaue Karte EU“ bleiben. Sie ist eine Aufenthaltsgenehmigung für Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland, die ein Hochschulstudium absolviert haben. Hier sollen die bisher geltenden Gehaltsschwellen zur Aufnahme einer Arbeit in Deutschland abgesenkt werden. Besitzern einer solchen Karte soll außerdem der Arbeitgeberwechsel, der Familiennachzug und die Erlaubnis zum dauerhaften Aufenthaltsrecht in der EU erleichtert werden.
Darüber hinaus sollen Fachkräfte laut dem Gesetzentwurf „jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können“ – also auch außerhalb ihrer ursprünglichen Qualifikation. Eine als Kauffrau für Büromanagement anerkannte Fachkraft könnte etwa im Bereich Logistik als Fachkraft beschäftigt werden. Speziell für IT-Spezialisten ist vorgesehen, dass sie eine „Blaue Karte EU“ auch ohne Hochschulabschluss erhalten können, wenn sie andere Qualifikationen nachweisen können.
Mehr Bildungsmigration
Stärken will die Bundesregierung auch die Bildungsmigration – also die Möglichkeit, für eine Berufsausbildung oder ein Studium nach Deutschland zu kommen, um dauerhaft zu bleiben. Das soll etwa dadurch geschehen, dass ausländische Studenten hierzulande als Werkstudenten arbeiten können, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Zudem soll der Aufenthalt zur Ausbildungsplatzsuche erheblich erleichtert werden, indem das Höchstalter, bis zu dem ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, heraufgesetzt wird. Die zulässige Höchstaufenthaltsdauer eines Aufenthaltstitels soll auf neun Monate erhöht und Beschäftigungen sowie Probebeschäftigungen zugelassen werden.
Punktesystem für Menschen mit ausländischem Abschluss
Für Menschen mit einem ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsabschluss oder einem Hochschulabschluss soll zur Arbeitssuche eine „Chancenkarte“ auf Basis eines Punktesystems eingeführt werden. Ein ähnliches Modell wird bereits in Kanada angewandt. Zu den Auswahlkriterien gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. Die Chancenkarte soll Einwanderern Möglichkeiten zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung bieten.
Jährlich 75.000 zusätzliche Fachkräfte – doch die Wirtschaft ist skeptisch
Die Regierung erhofft sich, im Einklang mit anderen gesetzlichen Regelungen jährlich bis zu 75.000 zusätzliche Fachkräfte nach Deutschland holen zu können. Wirtschaftsverbände sind jedoch skeptisch. Nach Ansicht des Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, pflastert der Gesetzentwurf den Weg eines Einwanderers noch „mit zu vielen Beschwernissen und Schlaglöchern“. Die erhoffte Größenordnung beim Fachkräftezuzug sei daher unrealistisch.
Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft kritisierten, dass die Bundesregierung weiterhin auf formale Qualifikationen wie eine staatlich anerkannte Berufsausbildung im Ausland setzt. Zuwanderungswilligen mit Berufserfahrung werde so der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt, erklärte der ZDB. Der Fokus sollte mehr auf dem „Ermessen des Arbeitgebers“, erklärten die Bayern.
Mehrere Verbände kritisierten zudem, dass der Entwurf keine konkrete Erleichterung zum Anwerben von Zeitarbeitern aus Drittstaaten vorsehe – aus ihrer Sicht ein wichtiges Mittel gegen den Kräftemangel gerade für mittelständische Unternehmen. Arbeitsminister Heil betonte hingegen, die Einwanderung von Fachkräften müsse mit einer vollständigen Integration als „Teil dieser Gesellschaft“ verbunden sein. Den „Fehler“, Integration weder anzubieten noch zu verlangen, werde „Deutschland nicht wiederholen“. (afp/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion