Wem wird als Erstes das Wasser abgedreht? Bundesregierung will Hierarchie für Wassernutzung festlegen

Mit ihrer Ankündigung, auf die anhaltende Trockenheit in Deutschland mit einer "nationalen Wasserstrategie" der Bundesregierung zu reagieren, hat Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) eine kontroverse Debatte ausgelöst.
Epoch Times19. August 2020

Die Union lehne die Pläne der Bundesregierung ab, sagte Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Er halte nichts von den Gedankenspielen, „wem wir als Erstes das Wasser abdrehen sollten“. Deutschland sei nach wie vor ein wasserreiches Land. „Wir müssen mit diesem Wasser aber noch verantwortungsbewusster und effizienter umgehen“, so der CSU-Politiker.

Schulze hatte angesichts der immer häufiger auftretenden Fälle von Wasserknappheit für das kommende Jahr angekündigt, eine Hierarchie für die Nutzung von Wasser politisch festzulegen. „Der Verteilungskampf ums Wasser hat längst begonnen, auch hier in Deutschland“, sagte Żaklin Nastić, Sprecherin für Menschenrechtspolitik der Linksfraktion, dem RND.

Die Privatisierungen des Wassersektors hätten es den „Wasserbaronen“ ermöglicht, Wasser zur Luxusware zu machen. Durch schwarze Null, Schuldenbremse und Sparpolitik habe die Bundesregierung zur Wasserknappheit in den Kommunen beigetragen und für hohe Preise gesorgt, so Nastić. Das Wasser sollte aus Sicht der Linken-Politikerin im Grundgesetz als Menschenrecht abgesichert werden.

Grüne unterstützen „rechtlichen Rahmen für nachhaltiges Wassermanagement“

Die Grünen unterstützen Schulze grundsätzlich. „Gut, dass auch die Umweltministerin erkannt hat, dass die Klimakrise die öffentliche Trinkwasserversorgung in Deutschland vor immer größere Herausforderungen stellt“, sagte ihre umweltpolitische Sprecherin Bettina Hoffmann dem RND. Die bloße Ankündigung einer nationalen Wasserstrategie löse aber noch keine Probleme. „Wir befinden uns inzwischen im dritten Dürrejahr in Folge und ein klarer rechtlicher Rahmen für ein nachhaltiges Wassermanagement, das alle Nutzungsansprüche in den Blick nimmt, ist längst überfällig.“

Die FDP pocht auf dezentrale Lösungen: Besonders problematisch sind bei einer Wasser-Strategie die sehr unterschiedlichen regionalen Rahmenbedingungen, so Judith Skudelny, umweltpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. „Es ist wichtig, sich auf die klimatischen Änderungen vorzubereiten. Wie das im Detail aussieht, mit Speichern, Reservoirs oder einer reduzierten Entnahme, muss man sich vor Ort genau anschauen.“ Das könne man nicht auf Bundesebene pauschal entscheiden, schon gar nicht für Industrie und Landwirtschaft.

AfD will „Klimawandelfolgen-Anpassungsfonds“

Die AfD-Bundestagsfraktion fordert dagegen, dass zehn Prozent der Mittel für Klimaschutzmaßnahmen für einen „Klimawandelfolgen-Anpassungsfonds“ eingesetzt wird. Mit dem Geld sollen negative Folgen des natürlichen Klimawandels abgemildert werden. „Jeder Cent, den wir für vollkommen nutz- und wirkungslose Maßnahmen zur Rettung eines imaginären Weltklimas ausgeben, wird uns bei der Anpassung an den natürlichen Klimawandel fehlen“, sagte Karsten Hilse, umweltpolitischer Sprecher der AfD.

Bei Experten habe Schulze jedoch einige Befürworter, schreibt „Business Insider“. Unter ihnen Hydrologe Dietrich Borchardt, der an der nationalen Wasserstrategie mitarbeite.

Der Staat müsse Prioritäten mit der Zivilgesellschaft festlegen, nach denen das Wasser verteilt werde, meint Borchardt. Der Grund: „Es wird bestimmte Zeiten mit weniger Wasser, aber bei einer steigenden Anzahl von Nutzern geben“, sagt er zu Business Insider. Das führe künftig automatisch zu Konkurrenzsituationen.

Deutschland hat keinen Wassermangel

Auch die Städte und Gemeinden begrüßen offenbar Schulzes Ankündigung einer nationalen Wasserstrategie. Die durch Hitze und Trockenheit ausgelösten Probleme können die Gemeinden nicht allein lösen, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, dem RND. Ziel müsse es sein, mögliche Interessenkonflikte bei der Trinkwasserversorgung klar zu lösen. „Mit Blick auf die zunehmende Wasserknappheit in Deutschland ist ein Umdenken hin zu einem aktiven Wassermanagement erforderlich.“

Grund für mögliche Wasserknappheit soll jedoch nicht die Trockenheit sein, sondern eine einseitige Überbelastung. Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, sieht keinen Wassermangel in Deutschland: „Wenn es vereinzelt zu Engpässen in der Trinkwasserversorgung kommt, dann liegt das meist nicht daran, dass das Wasser knapp ist, sondern, dass zu viel Wasser gleichzeitig angefordert wird.“

Das könne in einzelnen Regionen die Systeme überfordern, deren Pumpleistung, Leitungs- und Hochbehälterkapazitäten auf einen niedrigeren Bedarf zugeschnitten sind. „Können diese Systeme nicht mehr genügend Wasser pro Zeiteinheit weiterleiten, müssen Gemeinden kurzfristig Gartenbewässerung und Poolbefüllungen untersagen. Das gibt den Speichern Zeit, sich wieder zu füllen und die Trinkwasserversorgung zu sichern. Denn die hat absolute Priorität.“ (nmc)

(mit Material von dts)



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