Wehrpflicht, Pflege, Klima: TV-„Schlussrunde“ wird zur Schreirunde

So viele Teilnehmer saßen in diesem Wahlkampf noch nie im Fernsehstudio zusammen. Es gab auch noch nie so viel Streit und Durcheinandergerede wie in der „Schlussrunde“ von ARD und ZDF.
Viel Streit in großer Wahlkampfrunde von ARD und ZDF
Viel Streit in großer Wahlkampfrunde von ARD und ZDFFoto: Fabrizio Bensch/Reuters Pool/dpa
Epoch Times21. Februar 2025

„Wahl 2025 Schlussrunde“ nannten ARD und ZDF ihre Sendung drei Tage vor der Bundestagswahl – heraus kam eine Streit- und bisweilen auch Schreirunde. Was wohl vor allem daran lag, dass acht Parteienvertreter zusammensaßen, so viele wie in keiner anderen TV-Wahlkampfsendung zuvor – und jeder wollte zu jedem Thema zu Wort kommen.

Die Moderatoren Markus Preiß und Diana Zimmermann, Leiter der Hauptstadtstudios von ARD und ZDF, hatten jedenfalls alle Mühe, die Kontrahenten in Schach zu halten, die sich ständig gegenseitig ins Wort fielen. Und manchmal war auch ein „Basta“ nötig: „Jetzt ist der Punkt erreicht, wo diese Runde beendet ist“, fuhr Preiß dazwischen, als er das Thema wechseln wollte und seine Gäste immer weiter redeten.

Versprochen hatten die Sender eine Diskussionsrunde über Themen, die bislang zu kurz gekommen seien und die junge Leute interessierten – ein Vorsatz, der eingehalten wurde. Gesundheit, Pflege, Dienstpflicht, Klima – diese Themen hatten bei den TV-Runden zuvor praktisch keine Rolle gespielt.

Positionieren konnten sich dazu die Generalsekretäre von SPD und CDU, Matthias Miersch und Carsten Linnemann, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), FDP-Chef Christian Lindner, AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, Linke-Chef Jan van Aken und BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht.

Wehrpflicht oder Dienstpflicht

Eines der Streitthemen war die Wehrpflicht. „Wir sind nicht mehr fähig zur Landesverteidigung“, argumentierte Alice Weidel und sprach sich für eine zweijährige Wehrpflicht aus. Zudem diene die Wehrpflicht auch der Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Armee. Die Unionsvertreter Linnemann und Dobrindt machten sich stattdessen für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr stark, das etwa bei der Bundeswehr, der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk abgeleistet werden kann.

FDP-Chef Lindner lehnte den AfD-Vorstoß kategorisch ab und warnte vor einem „gewaltigen Freiheitseingriff bei jungen Menschen“. Auch von BSW-Gründerin Wagenknecht kam Widerspruch: „Wir brauchen eine Bundeswehr, die uns verteidigen kann – dafür brauchen wir aber keine Wehrpflicht.“

Grünen-Außenministerin Baerbock äußerte „große Sympathien für ein freiwilliges Deutschlandjahr“. Dieses müsse aber für alle möglich sein, etwa auch für ältere Arbeitnehmer, die ein Sabbatjahr planen.

Zukunft von Kranken- und Pflegeversicherung

Lindner sprach sich vehement gegen eine Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung aus. „Eine Einheitskasse, Staatsmedizin führt in die falsche Richtung“, warnte er. Erst schaffe man die Wahlfreiheit zwischen den Krankenkassen ab, als Nächstes schaffe man die Wahlfreiheit ab, zu welchem Arzt man gehe, sagte Lindner. „Wahlfreiheit ist ein Teil der Qualität unseres Gesundheitssystems.“

„Wenn sie sagen, es gibt eine Wahlfreiheit, das ist doch ein Hohn“, konterte Wagenknecht. „Die meisten Menschen können sich doch nicht aussuchen, in welcher Kasse sie sind.“ Es müsse ein gemeinsames System für alle geben und eine wirklich solidarische Finanzierung, forderte sie. Das sah Linke-Chef van Aken ähnlich. SPD-Generalsekretär Miersch prangerte die totale Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Versicherten bei Fachärzten an. Dies müsse sich ändern.

Weidel forderte unterdessen, Menschen, die Familienangehörige pflegen, 2.000 bis 3.000 Euro monatlich zu zahlen. Lindner sieht das anders: „Hier wird die ganze Zeit viel Geld verteilt“, kritisierte der FDP-Mann und appellierte an junge Menschen, für ihre spätere Pflege auch privat vorzusorgen.

Uneinigkeit auch beim Klimaschutz

Linke-Chef van Aken warnte vor Abstrichen beim Klimaschutz, forderte aber mehr soziale Abfederungen. So sollten Zuschüsse zu Wärmepumpen gestaffelt werden. Geringverdiener sollten 100 Prozent der Zusatzkosten ersetzt bekommen, Vielverdiener aber gar keine Subventionen bekommen. „Dann kriegen Sie plötzlich eine ganz breite Zustimmung in der Bevölkerung.“

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht bekannte sich zur Klimaneutralität bis 2045 – wenn es bis dahin die nötigen Technologien gebe. „Nur ich halte nichts davon, dass Klimaschutz dadurch vorangetrieben wird, dass man den Menschen das Leben verteuert.“ Oft hätten sie gar keine Alternative. Es könne nicht jeder von seinem Wagen mit Verbrennermotor aufs E-Auto oder den öffentlichen Nahverkehr umsteigen.

Linnemann äußerte erneut Kritik am Heizungsgesetz der Ampel-Koalition. „Das war doch ein Fiasko.“ Beim Klimaschutz brauche man Planungssicherheit, auch bei Förderprogrammen, und Technologieoffenheit.

Ukraine und Sicherheit in Europa

An der Ukraine und am Kurswechsel der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump gegenüber dem Verbündeten Europa kam die Runde nicht vorbei. Baerbock betonte, wenn die starke Unterstützung der USA jetzt vielleicht nicht mehr der Fall sein sollte, „dann müssen wir Europäer unseren eigenen Frieden noch stärker sichern“.

Für SPD-Generalsekretär Miersch waren absehbar höhere Ausgaben für Verteidigung der Anlass, um eine Reform der Schuldenbremse zu verlangen. Was wiederum CSU-Mann Dobrindt ablehnte. Dies müsse auch „aus dem Haushalt heraus möglich sein“. Linnemann verlangte, Deutschland müsse eine Führungsrolle in Europa übernehmen und eine Priorität auf die Verteidigungsfähigkeit setzen.

Völlig konträr waren die Positionen zur weiteren Unterstützung der von Ukraine. Weidel forderte, Deutschland solle sich gar nicht mehr engagieren, nicht mit Waffenlieferungen und auch nicht mit finanziellen Hilfen. Wagenknecht warnte vor einem „wahnwitzigen Wettrüsten“. Und Linke-Chef van Aken sorgte für Aufsehen mit der These, Deutschlands Sicherheit wäre langfristig sicherer, wenn die NATO zerfiele.

Noch viele Wählerinnen und Wähler unentschieden

Die Parteien hoffen, mit Talkrunden wie diesen noch unentschlossene Wähler für sich zu gewinnen. Deren Zahl liegt nach dem soeben veröffentlichten ZDF-Politbarometer bei 27 Prozent.

Eine allerletzte Chance haben die Parteien noch, die Wähler per TV zu erreichen. Die Sender ProSieben und SAT.1 veranstalten am Samstagabend ein „Speed-Dating“, bei dem Bürger die Kanzlerkandidaten befragen können – alle bis auf Friedrich Merz. Der CDU-Chef ließ sich aus Termingründen entschuldigen. (dpa/red)



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