Was sich ändert mit den neuen Grenzkontrollen
Es soll unerwünschte Migration und Kriminalität eindämmen: Seit Montag müssen sich Autofahrer, Pendler und Spediteure an allen deutschen Landgrenzen auf Grenzkontrollen einstellen. Diese sollen wie bisher schon stichprobenhaft sein.
Das heißt: Nicht jeder Reisende wird kontrolliert werden, es muss aber jeder damit rechnen. Zeitweise Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Verkehrs könnten aber nicht ausgeschlossen werden.
Wie muss man sich die Kontrollen konkret vorstellen?
Es soll laut Bundesinnenministerium räumlich und zeitlich flexibel kontrolliert werden. An stark befahrenen Hochgeschwindigkeitsstraßen seien gesonderte Verkehrslenkungen denkbar. Für die konkrete Ausgestaltung soll aber die Bundespolizei vor Ort zuständig sein.
„In Abstimmung mit ihren Partnerbehörden im In- und Ausland wird sich die Bundespolizei darum bemühen, dass sich diese Kontrollen so wenig wie möglich auf den Alltag von Pendlern, auf den Handel und auf den Reiseverkehr auswirken“, versicherte eine Sprecherin.
Wer unterwegs ist müsse ein Identitätsdokument wie den Personalausweis oder den Reisepass mitzuführen – das gelte aber ohnehin bei grenzüberschreitenden Reisen.
Was gibt es derzeit schon an Kontrollen?
Seit Oktober 2023 gibt es stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz. Diese wurden immer wieder verlängert und laufen aktuell bis zum 15. Dezember.
An der deutsch-österreichischen Landgrenze gibt es Kontrollen, die mit der irregulären Migration begründet werden, bereits seit September 2015.
Die neu angeordneten Kontrollen direkt an der Grenze betreffen die Landgrenzen zu Frankreich, Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Die Grenzen zu Frankreich werden allerdings bereits seit dem 20. Juli kontrolliert, was die Bundesregierung unter anderem mit den Olympischen Spielen begründete.
Wie lange sollen die neuen Grenzkontrollen gehen?
Zunächst einmal für sechs Monate. Kontrollen innerhalb des eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raums, zu dem die meisten EU-Staaten gehören, müssen der EU-Kommission gemeldet werden. Deutschland hat dies für den Zeitraum von Montag bis zum 15. März 2025 getan. Das Innenministerium will die bereits bestehenden Grenzkontrollen, die derzeit bis Mitte Dezember vorgesehen sind, darüber hinaus verlängern.
Ende August hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) im ZDF erklärt, er wolle die Kontrollen „so lange wie möglich“ beibehalten – sich dabei aber nur auf die bereits bestehenden Kontrollen zu deutschen Nachbarländern bezogen.
Diese hätten sich als „sehr effizient“ erwiesen. Deswegen wolle er „die Grenzkontrollen so lange wie möglich fortführen“. „Wir müssen das immer im Rahmen des europäischen Rechts tun. Aber da kann ich Ihnen versichern, das wird uns schon gelingen.“
Wie begründet die Bundesregierung die Kontrollen?
Mit Sicherheitsrisiken durch irreguläre Migration und Schleusertum an den EU-Außengrenzen, wie bei der EU-Kommission nachzulesen ist. Diese führten zu einem erhöhten Niveau irregulärer Grenzübertritte in Deutschland, was die ohnehin schon angespannte Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen verschärfe – zumal Deutschland nach Angaben des Innenministeriums bereits 1,2 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat.
Als Gründe für die nun angeordneten Kontrollen nannte das Ministerium zuletzt neben der Begrenzung der irregulären Migration auch den Schutz der inneren Sicherheit vor aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus und vor grenzüberschreitender Kriminalität.
Schon die bisherigen Kontrollen wirken aus Sicht des Ministeriums. „Es gibt ein Fünftel weniger Asylanträge als im Vorjahr, ein Fünftel mehr Rückführungen, mehr als 30.000 Zurückweisungen an den deutschen Grenzen durch die Binnengrenzkontrollen seit Oktober 2023“, sagte eine Sprecherin.
„Mehr als 1.300 Schleuser wurden von Oktober 2023 bis Ende Juli 2024 an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz aufgegriffen.“ Bei Zurückweisungen an der Grenze ist allerdings unklar, wie viele Menschen später doch nach Deutschland gelangen.
Wie wirken sich die bisherigen Kontrollen aus?
Die Bilanz ist gemischt. Von einem Zusammenbruch des Grenzverkehrs kann keine Rede sein, Störungen gibt es aber hier und dort.
In Mecklenburg-Vorpommern wurden keine signifikanten Verzögerungen an den Grenzübergängen von und nach Polen durch die Grenzkontrollen bekannt. „Wir haben keine Engpässe feststellen können und erwarten auch künftig keine Störungen“, sagte der Präsident des Landesverbands des Verkehrsgewerbes Mecklenburg-Vorpommern, Christian Joerß. Auch vom Tourismusverband kamen keine Klagen.
In Bayern, wo schon länger die Grenzen zu Österreich und Tschechien kontrolliert werden, kommt es immer wieder zu Staus und längeren Wartezeiten an den Übergängen. Davon sind Reisende ebenso betroffen wie Menschen, die aus beruflichen oder privaten Gründen über die Grenze pendeln.
In Baden-Württemberg gibt es bereits Kontrollen an der Grenze mit der Schweiz und seit dem Sommer auch zu Frankreich. Manchmal wirkt sich das auf den Verkehr aus wie beispielsweise an der Kehler Europabrücke, die sich über den Rhein nach Straßburg spannt. Kilometerlange Staus an den Grenzen zur Schweiz und Frankreich sind aber nicht bekannt.
An den drei schleswig-holsteinischen Grenzübergängen zu Dänemark kommt es immer mal wieder zu Staus auf dänischer Seite – was aber an dortigen Kontrollen liegt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn viel Urlaubsverkehr herrscht. Die Grenzposten sind auf dänischer Seite aber nicht dauerhaft besetzt.
Was sagt die Wirtschaft?
Dort ist eine gewisse Sorge zu spüren. Grenzkontrollen könnten zu ärgerlichen Verzögerungen im Waren- und Reiseverkehr führen, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Volker Treier.
Die Erfahrungen der Corona-Krise zeigten, wie Einschränkungen die Konjunktur belasten könnten. „Bei dem Ziel, irreguläre Migration einzudämmen, sollte die Politik insofern im Blick behalten, dass notwendige Lieferungen sowie der grenzübergreifende Handel möglichst reibungslos funktionieren“, verlangte Treier. „Ebenso sollte die Mobilität von Grenzpendlern und Dienstleistungserbringern nicht eingeschränkt werden.“
Gerade der regionale Einzelhandel und die grenznahe Gastronomie seien von einem freien Waren- und Personenverkehr stark abhängig. „Die Kontrollen erhöhen zudem die Lagerkosten vieler Betriebe, Just-in-time-Lieferungen werden schwieriger. All das ist in konjunkturell angespannten Zeiten eine weitere Belastung für die Wirtschaft.“
Auch der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bunds der Deutschen Industrie, Holger Lösch, mahnte: „Handel und Lieferketten dürfen durch die Kontrollen nicht unnötig beeinträchtigt werden.“
Die Kontrollen müssten flexibel, effizient und unbürokratisch ablaufen, Auswirkungen auf Handel und Pendler müssten minimiert werden. „Der freie grenzüberschreitende Waren- und Personenverkehr ist für die international vernetzte deutsche Industrie entscheidend.“ (dpa/red)
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