Wahlalter auf 16 herabsetzen? Pro und Contra

Wählen ab 16 ist ein Thema, das in den vergangenen Jahren immer wieder heiß debattiert wurde. Die Meinungen der Befürworter und Gegner gehen dabei weit auseinander und könnten gegensätzlicher nicht sein.
Titelbild
Ein Wähler wirft seinen Stimmzettel zur Bundestagswahl in die Wahlurne.Foto: Michael Kappeler/dpa/dpa
Epoch Times2. Juni 2021

Das Wahlalter auf 16 herabzusetzen, das ist kein neuer Vorstoß im Wahlprogramm der Grünen. Auch SPD, Linke und FDP werben schon länger dafür, das Wahlrecht ab 16 für die Wahlen für den Deutschen Bundestag und das Europäische Parlament einzuführen.

Auf Landes- und Kommunalebene ist das Wählen für Minderjährige sogar schon möglich. In vier Bundesländern (Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein) darf schon ab 16 für den Landtag abgestimmt werden. In zehn Bundesländern dürfen Minderjährige auch bei den Kommunalwahlen abstimmen.

Doch ist es sinnvoll, wenn 16- und 17-Jährige schon wählen dürfen?

Das spricht dafür:

Das Hauptargument der Befürworter einer Wahlrechtsreform ist vor allem, dass diejenigen ein Mitspracherecht haben sollten, die von den Folgen politischer Entscheidungen am längsten betroffen sein werden. Die Jugendlichen sollten also ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Zukunft haben.

Das Thema, das dabei im Vordergrund steht, ist der Klimaschutz. Befürworter sagen, „Fridays for Future“ habe gezeigt, dass Minderjährige bereits ein Interesse an politischen Themen haben. Zudem fördere das Wählen bei den Jugendlichen eine höhere Identifikation mit der Demokratie und stärke die Teilnahme am politischen Leben. Dies sei wiederum ein Weg, der allgemeinen Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.

„Ich bin überzeugt davon, dass junge Leute mit 16 sehr wohl in der Lage sind, eine verantwortliche Wahlentscheidung zu treffen“, sagte die ehemalige Bundesfamilien- und Jugendministerin Franziska Giffey (SPD) und erhielt Unterstützung von Grünen-Chef Robert Habeck, der sagte: „Wir leben in einer Zeit, in der die Mündigkeit der jungen Generation schon viel früher einsetzt.“ Und für Linken-Chefin Katja Kipping sind 16-Jährige „nicht weniger interessiert und informiert als 18-Jährige“.

Eine Studie zweier Politikwissenschaftler der Freien Universität Berlin kam außerdem zu dem Schluss, dass Zweifel an der politischen Reife 16-Jähriger kein guter Grund sind, ihnen das Wahlrecht zu verwehren. 16-Jährige seien demnach genauso interessiert an Politik wie 18-Jährige und ebenso informiert, stellten sie fest.

Das spricht dagegen:

Die Gegner plädieren dafür, dass das Wahlrecht und die Volljährigkeit weiterhin gekoppelt bleiben sollten. Die volle Strafmündigkeit, der Führerscheinbesitz und andere Rechte und Pflichten knüpften an die Volljährigkeit mit 18 an. Man könne nicht willkürlich ein Bürgerrecht herausgreifen und ihm Vorrang geben vor allen anderen Rechten und Pflichten.

Gegner argumentieren auch damit, dass die Pubertät eine Zeit sei, in der sich ein junger Mensch geschützt entwickeln soll. Er sei gerade erst dabei, sich eine Meinung zu bilden, und könne schnell einmal zu extremen Ansichten neigen. Das sei keine gute Voraussetzung für verantwortungsvolles Wählen. Zudem ließe man sich als junger Mensch leichter manipulieren. Jugendliche seien heute sehr stark den sozialen Medien ausgesetzt und könnten nur schwer zwischen Fake News und Fakten unterscheiden. Es mangele auch an politischem Basiswissen.

CSU-Generalsekretär Markus Blume ist der Meinung, wer sich in jungen Jahren politisch engagieren will, der habe heute viele Möglichkeiten. Das Wahlrecht müsse dabei nicht angetastet werden. „Die Jugend ist heute so engagiert wie lange nicht. Die Klimabewegung hat gezeigt, dass politische Teilhabe in vielfältiger Weise möglich ist, ohne dass dafür das Wahlrecht verändert werden müsste“, sagte er.

Auch die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch hat sich gegen eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ausgesprochen: „Jugendliche sind mit 16 nicht in der Lage, die Zusammenhänge der politischen Arbeit zu verstehen, werden wie Greta von Lobbygruppen schamlos missbraucht und sind anfälliger für den Einfluss von Extremisten wie Extinction Rebellion.“

Der Rechtswissenschaftler und frühere CDU-Politiker Hans Hugo Klein argumentiert ebenfalls mit der politischen Mündigkeit: „Wenn Wahlen kein Spiel sind, wenn ihr Ergebnis nicht dem Zufall überlassen bleibt, also zum Beispiel nicht ausgewürfelt werden darf, sondern auf einen öffentlichen, nach Möglichkeit mit rationalen Argumenten zu führenden Diskurs zwischen Wählern und zu Wählenden zurückführbar sein muss, dann setzt das subjektive Wahlrecht auf beiden Seiten die Fähigkeit voraus, an einem solchen Kommunikationsprozess mit einigem Verständnis teilzunehmen.“ Ein solcher Grad an Verstandesreife könne bei den über 18-Jährigen vorausgesetzt werden, bei 16- oder 17-Jährigen eher nicht.

Drei Viertel der Bundesbürger (75,4 Prozent) waren 2019 gegen eine Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre bei Bundestagswahlen. Das war das Ergebnis einer Civey-Umfrage im Auftrag des „Tagesspiegels“. (nmc)



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