Das Merz-Kabinett
Von Steuern bis Corona: Zentrale Punkte im Koalitionsvertrag
Nach sechs Wochen zäher Verhandlungen haben CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Neben einem wirtschaftspolitischen Impulsprogramm bringt die Einigung deutliche Verschärfungen beim Bürgergeld, der Migration und der Einbürgerung. Auch personell kündigt sich ein klarer Wechsel an.

Auf 146 Seiten haben die Unterhändler von Union und SPD ihre Ideen für die nächsten vier Jahre festgehalten.
Foto: Kay Nietfeld/dpa
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD haben am Mittwoch, 9. April, nach sechs Wochen der Verhandlungen ihren Koalitionsvertrag für ein künftiges Bundeskabinett vorgestellt. Das 144-Seiten-Papier mit der Überschrift „Verantwortung für Deutschland“ regelt auch die Verteilung der Ministerien.
Verteilung der Ministerien
Die CDU wird demnach neben dem Kanzleramt erstmals seit 1966 wieder das Außenministerium führen. Daneben gehen die Ressorts für Wirtschaft und Energie, Bildung und Familie, Gesundheit, Digitales und Verkehr an die Kanzlerpartei.
Die Schwesterpartei CSU wird das Innenministerium, das Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt und das Landwirtschaftsministerium besetzen.
An die SPD gehen neben dem Vizekanzlerposten das Finanzministerium, das Verteidigungsministerium, das Justizministerium sowie die Ressorts für Entwicklung, Bau und Umwelt.
Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf einen ganzen Katalog von Vorhaben für die nächsten vier Jahre geeinigt. Das sind die zentralen Punkte im Überblick:
Arbeit
Statt des üblichen Acht-Stunden-Tags könnte es künftig einen wöchentlichen Rahmen für die Arbeitszeit geben. Das Vorhaben soll in Absprache mit Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgestaltet werden. Für nächstes Jahr wird ein Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde angepeilt.
Bürgergeld
Das Bürgergeld soll nach dem Willen der künftigen Koalitionspartner zu einer neuen „Grundsicherung für Erwerbssuchende“ umgestaltet werden. Schneller als heute sollen Sanktionen durchgesetzt werden. Im Extremfall soll ein „vollständiger Leistungsentzug“ möglich sein, wenn Menschen immer wieder zumutbare Arbeit ablehnen. Geltende Schonzeiten für Vermögen wollen Union und SPD abschaffen. Die Höhe des Schonvermögens soll an die Lebensleistung gekoppelt werden.
Beschlossen wurde auch, dass ukrainische Flüchtlinge das Bürgergeld nicht mehr automatisch von Anfang an beziehen. Bis dato müssen sie im Unterschied zu Asylbewerbern nicht erst mindestens drei Jahre lang mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz das Auslangen finden.
Corona-Aufarbeitung
Die staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie sollen aufgearbeitet werden. Dazu soll es eine Enquete-Kommission geben.
Digitalministerium
Union und SPD haben sich auf die Einrichtung eines neuen Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung verständigt. Damit wird es künftig ein Ministerium mehr geben als bisher.
Eltern
Künftige Eltern können auf ein höheres Elterngeld hoffen – sowohl der Mindestsatz von derzeit 300 Euro als auch der Höchstsatz von 1.800 Euro sollen angehoben werden. Union und SPD wollen zudem für selbstständige Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, einen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutz schaffen.
Heizungsgesetz
Union und SPD haben eine weitere Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vereinbart. Neben der Technologieoffenheit betonen die Koalitionäre die Bezahlbarkeit, die Versorgungssicherheit und den Klimaschutz. Wie das neue GEG im Detail aussehen soll, blieb aber zunächst noch offen. Im Koalitionsvertrag heißt es nur: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen.“
Die Union hatte sich dafür ausgesprochen, nicht mehr auf die Energieeffizienz in einzelnen Gebäuden abzuheben. „Den Quartiersansatz werden wir stärken“, heißt es dazu nun im Koalitionsvertrag. „Die erreichbare CO₂-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden.“
Migration
In der Migrations- und Asylpolitik will die künftige Bundesregierung den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von zwei Jahren streichen. Aktuell gibt es ein monatliches Kontingent von 1.000 Personen. Freiwillige Resettlement-Programme sollen wegfallen, Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien möglich werden. Die Kontrollen an allen deutschen Grenzen sollen dauerhaft beibehalten werden.
Eine Einbürgerung wird nicht mehr nach drei Jahren möglich sein. Zudem sollen künftig Deutschkenntnisse auf C1-Niveau dafür erforderlich sein. Außerdem sind ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und eine „Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse“ fortan weitere Einbürgerungsvoraussetzungen.
Rente
Union und SPD wollen das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 gesetzlich festschreiben. Ab 2026 wird es eine steuerfreie Aktivrente geben. Die Milliardenkosten, die sich durch eine Fixierung des Rentenniveaus ergeben, wollen CDU/CSU und SPD aus Steuermitteln ausgleichen.
2026 soll zudem eine „Frühstart-Rente“ eingeführt werden. Für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, sollen pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot fließen.
Am Rentenalter soll sich nichts ändern – die Altersgrenze soll weiterhin schrittweise auf 67 Jahre ansteigen. Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren soll auch künftig möglich bleiben.
Sicherheit
Die künftigen Regierungspartner wollen ein „auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell“ für die Bundeswehr. Dafür sollen eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung geschaffen werden.
Verabredet wurde auch die Gründung eines Nationalen Sicherheitsrats, der Informationen über Krisenlagen bündeln und schnellere Entscheidungen ermöglichen soll.
Für die innere Sicherheit sollen Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, IP-Adressen für mögliche Ermittlungen drei Monate lang zu speichern. Wegen rechtlicher Unsicherheiten war die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung seit 2017 nicht mehr genutzt worden.
Im Rahmen ihrer begrenzten Zuständigkeit soll die Bundespolizei zur Bekämpfung schwerer Straftaten die sogenannte Quellen-TKÜ anwenden dürfen. Dabei wird verschlüsselte Kommunikation direkt am Endgerät überwacht. Nicht erlaubt werden soll dabei allerdings der Zugriff auf Daten, die vor Installation der Überwachungssoftware angefallen sind.
Wirtschaft
Zur Stärkung der Wirtschaft soll die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß gesenkt, Umlagen und Netzentgelte reduziert und ein Industriestrompreis eingeführt werden. Ab 2028 ist außerdem eine Unternehmenssteuerreduktion um ein Prozent sowie eine Senkung der Körperschaftsteuer vorgesehen. Ein nationales Lieferkettengesetz wird es nicht mehr geben, und Unternehmensgründungen sollen innerhalb von 24 Stunden möglich werden.
Wie es weitergeht
CDU-Chef Merz hatte ursprünglich als Ziel eine Regierungsbildung bis Ostern ausgegeben. Dieser Zeitplan ist aber nicht mehr zu halten. Merz nannte nun die erste Maiwoche – im Gespräch für die Kanzlerwahl ist der 7. Mai.
Davor wollen alle drei Parteien ihre Vereinbarung noch innerparteilich absegnen lassen. Die SPD wird dazu eine Mitgliederbefragung vornehmen. Die CDU plant einen Kleinen Parteitag am 28. April. Bei der CSU ist nur ein Vorstandsbeschluss vorgesehen.
Laut Grundgesetz muss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Gesprächen mit den Fraktionen den Kandidaten vorschlagen, gewählt wird dann geheim und ohne Aussprache. Nötig ist die absolute Mehrheit der Abgeordnetenstimmen, also die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags. Es wird auch von der „Kanzlermehrheit“ gesprochen. Nach der Wahl werden der Kanzler und die weiteren Mitglieder des Kabinetts durch Steinmeier ernannt und die neue Regierung im Bundestag vereidigt. Dann kann die konstituierende Sitzung des Kabinetts stattfinden.
(Mit Material von Agenturen)
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