Verbände: Wo Deutschland investieren muss – und wo es sparen kann

Im Zuge der Sondierungsverhandlungen nach der Bundestagswahl äußern Sozial- und Wirtschaftsverbände ihre Wunschlisten, nennen jedoch auch Stellen, an denen nach ihrer Meinung gekürzt werden könne: Für den Präsidenten des ifo-Instituts wäre dies beispielsweise das Elterngeld.
Die Jobcenter sollen härter vorgehen, wenn Bürgergeld-Empfänger etwa regelmäßig Termine nicht wahrnehmen. (Archivbild)
Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor einer Einschränkung des Bürgergelds.Foto: Jan Woitas/dpa
Epoch Times1. März 2025

Nach Beginn der Sondierungsgespräche für eine neue Bundesregierung haben Sozialverbände und Gewerkschaften vor einer Vernachlässigung sozialer Themen gewarnt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor einer Einschränkung des Bürgergelds: Es sei zu Recht angehoben worden, sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Rock dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben).

„Das darf nicht zurückgedreht, sondern muss weiterentwickelt werden.“ Handlungsbedarf gebe es auch in der Rentenpolitik. „Die fortschreitende Entwertung der Renten führt zu wachsender Altersarmut, sie muss gestoppt und umgekehrt werden“, sagte Rock.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di drängte auf eine Erhöhung des Mindestlohns. Seit Ende 2024 müsste die EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht umgesetzt sein, sagte ver.di-Chef Frank Werneke dem RND. Darin ist festgelegt, dass der Mindestlohn mindestens 60 Prozent des Medianeinkommens von Vollzeitbeschäftigten erreichen soll.

„Damit müsste der Mindestlohn schon heute deutlich über 14 Euro und 2026 bei mindestens 15 Euro liegen“, sagte Werneke dem RND. Während die Union die Entscheidung der Mindestlohnkommission überlassen will, forderte die SPD im Wahlkampf 15 Euro pro Stunde.

ifo-Präsident für Streichung des Elterngelds

Der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat sich mit Blick auf mögliche Etatkürzungen für die Streichung des Elterngelds ausgesprochen. „Das Elterngeld würde ich ganz abschaffen. Es ist ein klassischer Fall von nice-to-have, aber nicht prioritär“, sagte Fuest der „Welt am Sonntag“.

Viele Empfänger seien finanziell gut gestellt, deshalb stelle sich die Frage der Bedürftigkeit. „Bei allen staatlichen Leistungen muss überprüft werden, ob sie zielgenau wirken“, sagte Fuest an Union und SPD gerichtet.

Da es bei Subventionen immer Argumente für einen Erhalt gebe, könne man sich auch für eine pauschale Lösung entscheiden. „Wenn man sich nicht auf Auseinandersetzungen im Detail einlassen will, kann man die Rasenmähermethode anwenden: Generelle Kürzung um beispielsweise 50 Prozent“, sagte Fuest. Zudem könnten Streichungen schrittweise erfolgen.

Im Bundeshaushalt sind für das Elterngeld pro Jahr rund acht Milliarden Euro vorgesehen. Reint Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, hält es „für schwierig, aber notwendig“, Subventionen abzuschaffen.

Pendlerpauschale „aus der Zeit gefallen“

Dabei dürfe die Politik auch vor liebgewonnenen Erleichterungen nicht zurückschrecken. „Die Pendlerpauschale ist zum Beispiel einfach aus der Zeit gefallen. Der Staat kann nicht länger subventionieren, dass die Menschen möglichst weit vom Arbeitsort entfernt wohnen“, sagte er.

Bei den Sozialausgaben müsse sich die nächste Regierung der stetig steigenden Zuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung annehmen. „Eine Rentenreform ist überfällig. Schreiben wir das Rentenniveau dauerhaft fort, werden die Lohnnebenkosten ins Unermessliche steigen“, sagte Gropp.

Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaftsfragen, fordert von den Parteien eine langfristige Haushaltsstrategie. „Gerade der Abbau von Subventionen braucht etwas Vorlaufzeit, damit sich die Betroffenen darauf einstellen können“, sagte sie.

Schnitzer sagte, dass selbst unter Berücksichtigung jener fünfzig Milliarden Euro an neuen Krediten im Jahr, die trotz Schuldenbremse erlaubt sind, „die notwendigen Verteidigungsausgaben und Investitionen in Infrastruktur und die versprochenen Steuerentlastungen nicht zu stemmen“ seien.

Schnitzer gegen weitere Aussetzung der Schuldenbremse

Sie sprach sich allerdings gegen eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse aus. Die dafür notwendige Notlage müsse unerwartet und nicht selbst verschuldet sein.

„Der Ukraine-Krieg herrscht schon seit drei Jahren, die Neugestaltung der transatlantischen Beziehungen durch Trump hat noch keine konkreten Auswirkungen, die man als Notlage bezeichnen könnte“, sagte Schnitzer. Sie sieht in einer grundsätzlichen Reform der Schuldenbremsen den „nachhaltigsten und besten Weg“.

Knackpunkt für die kommenden Jahre sei die Reform der Schuldenbremse, sagte Werneke. „Sie bildet die Voraussetzung dafür, dass zum Beispiel allein der Investitionsstau in den Kommunen von mehr als 180 Milliarden Euro aufgelöst werden kann.“

Städtetag für bessere Finanzierung der Kommunen

Vom Deutschen Städtetag kam die Forderung nach besserer Finanzierung der Kommunen. „Schulen bröckeln, Busse fahren seltener. Das geht so nicht weiter“, sagte der Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem RND. Deshalb dürfe das Thema Kommunalfinanzen nicht wieder unter den Tisch fallen.

„Die Kommunen tragen ein Viertel der staatlichen Aufgaben, haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen und stecken in einem Rekorddefizit.“ Nötig sei ein höheren Steueranteil für die Kommunen.

Umweltverbände: Umweltschutz nicht  vernachlässigen

Umweltverbände und Klimaaktivisten fordeten einen stärkeren Fokus der künftigen Bundesregierung auf Klimaschutzpolitik. Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze dürften nicht zu Lasten von Klima oder Biodiversität priorisiert werden, sagte der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Jörg-Andreas Krüger, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben).

„Kurz- und langfristige Interessen müssen gut ausbalanciert werden, um zunehmende Unsicherheiten – etwa bei natürlichen Ressourcen, Trinkwasser oder durch Extremwetterereignisse – zu vermeiden.“ (dts/afp/red)



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