Logo Epoch Times
„Märtyrerstatus“ der AfD beenden

Neue Töne im Bundestag: Union stellt starre Fronten gegen AfD infrage

Die AfD bleibt zweitstärkste Kraft – und das stellt die Union im Bundestag vor eine strategische Herausforderung. Führende CDU-Politiker fordern einen pragmatischen Umgang, andere warnen vor Normalisierung. Die SPD bleibt reserviert.

top-article-image

Johann David Wadephul (CDU) spricht am 14. März 2024 im Bundestag.

Foto: Maja Hitij/Getty Images

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 6 Min.

In der CDU/CSU fordern immer mehr Stimmen einen pragmatischeren Umgang mit der AfD im Bundestag.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) plädierte dafür, „AfD-Kandidaten für Ausschussvorsitze zu wählen, wenn sie in der Vergangenheit nicht negativ aufgefallen sind“. Gleichzeitig gibt es Forderungen, strikt auf Distanz zu bleiben.
„Der AfD die Ausschussvorsitze zu verweigern, hat dazu geführt, dass sie ihren Märtyrerstatus aufrechterhalten können“, sagte Wadephul den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Dienstag. Die AfD sei die zweitgrößte Fraktion im Bundestag, „diese Realität müssen wir anerkennen“, fügte er hinzu.
Wadephul sagte, dass Ausschussvorsitzende bei negativem Verhalten ihre Posten verlieren sollten. „In die neue Geschäftsordnung wollen wir explizit aufnehmen, dass sie auch wieder abgewählt werden können, wenn sie sich nicht korrekt verhalten“, sagte er und kündigte Gespräche mit der SPD an.

Rechte wie für andere Fraktionen

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert, die AfD „raus aus der Märtyrerrolle“ zu holen und ihr im Parlament die gleichen Rechte wie anderen Fraktionen zuzugestehen. Ähnlich äußerte sich Unions-Fraktionsvize Jens Spahn. Er sagte „Bild“, man solle die AfD „ wie jede andere Oppositionspartei“ behandeln.
Die CDU-Wirtschaftspolitikerin Gitta Connemann warnte im Portal „t-online.de“ vor einer „Normalisierung“ der AfD, sprach sich aber gegen deren Ausgrenzung bei Ausschussvorsitzen aus. Denn die Partei lasse sich „nur durch Sacharbeit entzaubern“.
Philipp Amthor (CDU) sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Spahn wolle die Partei weder verharmlosen noch die Abgrenzung aufgeben. Allerdings solle man sie nicht „durch parlamentsrechtliche Kniffe“ zurückdrängen, sondern mit „leidenschaftlicher inhaltlicher Auseinandersetzung“.

Kiesewetter warnt vor sicherheitsrelevanten Posten

Roderich Kiesewetter (CDU), Vizevorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, warnte davor, die AfD in sicherheitsrelevante Bundestagsgremien oder als Ausschussvorsitzende zu wählen.
„AfD-Abgeordnete machen sich regelmäßig nachweislich zum Sprachrohr russischer und chinesischer Desinformation, und sie verändern Schritt für Schritt den Diskurs in Deutschland“, sagte der CDU-Politiker dem RND. Er lehnte es ab, der AfD Ausschussvorsitze zuzugestehen und damit „wissentlich die Blockade oder Unterminierung von Ausschüssen in Kauf zu nehmen“.
Welche Ausschussvorsitze die AfD in der neuen Legislaturperiode fordert und wen sie aufstellt, ist offen. Laut einem Fraktionssprecher hängt dies von der Verteilung zwischen den Fraktionen ab. Der Haushaltsausschuss, traditionell von der größten Oppositionsfraktion geleitet, gilt als Ausnahme. Als Kandidatin gilt die AfD-Abgeordnete Ulrike Schielke-Ziesing.

SPD bleibt skeptisch

Die SPD reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß, die AfD wie jede andere Oppositionspartei zu behandeln.
„Die AfD ist keine Partei wie jede andere“, sagte Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, dem „Tagesspiegel“. „Wir werden unsere demokratischen Institutionen – allen voran unser Parlament – mit aller Entschlossenheit schützen.“
Die AfD versuche, „unsere Institutionen zu untergraben“ und werde von vielen Landesämtern für Verfassungsschutz als extremistisch oder als Verdachtsfall geführt. „Dieser Extremismus stößt auf unseren entschiedenen Widerstand.“
„Dieser Satz von Jens Spahn, es müsste Normalität entstehen, das halte ich für grundfalsch und für sehr, sehr gefährlich“, sagte Matthias Miersch, SPD-Generalsekretär, am Mittwoch den Sendern RTL und ntv. Die AfD stelle in weiten Teilen die Verfassung infrage.
Entscheidungen im Bundestag basierten auf der Geschäftsordnung und demokratischen Prozessen, sagte Mast. Das bestätigten Urteile des Bundesverfassungsgerichts. „Die Wahl eines Bundestagsvizepräsidenten oder Ausschussvorsitzenden sind keine automatische Anspruchsfrage, sondern eine Entscheidung des Parlaments und brauchen eine Mehrheit.“

Linke lehnt AfD-Kandidaten ab

Die Linken-Bundestagsfraktion schloss eine Wahl von AfD-Abgeordneten in Parlamentsämter generell aus. Von ihnen gebe es keine Stimme für einen Kandidaten der AfD – „sei es im Präsidium, im Parlamentarischen Kontrollgremium oder als Ausschussvorsitz“, sagte Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek.
„Das sind Demokratiefeinde, die zumindest in Teilen gesichert rechtsextrem sind. Einer Partei, die die Demokratie von innen heraus zerstören will, werden wir ganz sicher nicht den Teppich ausrollen.“
„Wir schließen weiterhin jegliche Zusammenarbeit mit der AfD aus“, sagt Christian Görke, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Bundestag. Die Linke suche zeitnah das Gespräch mit Grünen, SPD und Union, um bei Initiativen nicht auf die AfD angewiesen zu sein.
Dies gelte auch für „das Erreichen von Quoren zur Geltendmachung von Minderheitenrechten“.
Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht verschiedene parlamentarische Minderheitsrechte vor, die mindestens 25 Prozent der Abgeordneten unterstützen müssen. Für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen sind 25 Prozent, für die Einberufung von Sondersitzungen 33 Prozent notwendig. Linke und Grüne haben gemeinsam weniger Parlamentarier als nötig wären.

AfD in Umfragen zweitstärkste Kraft

Bis Dienstagnachmittag unterzeichneten mehr als 400.000 Menschen eine Online-Petition des Netzwerks Campact gegen AfD-Politiker in Schlüsselpositionen. „Die AfD will das Fundament unserer freien Gesellschaft aushebeln und den Rechtsstaat von innen zerstören“, begründete Campact-Vorstand Felix Kolb die Initiative.
Laut dem „Trendbarometer“ von RTL und ntv bleibt die AfD unverändert mit 24 Prozent zweitstärkste Kraft. Vorn liegt weiterhin die CDU/CSU mit 25 Prozent.
Es folgen die SPD mit 15 Prozent, die Grünen mit zwölf Prozent und die Linke mit zehn Prozent. Forsa befragte für die Umfrage vom 8. bis 14. April 2502 Wahlberechtigte. (afp/dts/red)

Kommentare

Bitte einloggen, um einen Kommentar verfassen zu können

Uwe Wintervor 7 Tagen

Angst essen Seele auf!

Die AfD ist nur noch nach dem Wahlergebnis zweitgrößte Kraft, in den aktuellen Umfragen hat sie die CDU mittlerweile abgelöst!

In der Basis roumort es inzwischen gewaltig, weil die "wahren Demokraten" nicht verstehen können, warum F.-Fritze vor der SPD dermaßen buckelt, nur um Kanzler zu werden. Die Basis ist doch nicht so dumm, nicht zu erkennen, dass die offiziellen Positionen, mit denen sie in den Fußgängerzonen auf Stimmenfang gegangen sind, eins zu eins von der AfD abgeschrieben waren. Die Verlogenheit, die Merz schon am ersten Tag nach der Wahl an den Tag gelegt hat, fliegt den CDU'lern jetzt im ganzen Land um die Ohren.

Jetzt ist noch Zeit für einen Majestätensturz und einen Neuanfang mit der AfD!

Alles andere wird uns, der Bevölkerung und damit meine ich diejenigen, die noch Steuern zahlen, nicht guttun. Zahlreiche Verteuerungen sind bereits i1m Koalitionsvertrag angekündigt. Was das mit Erleichterungen zu tun haben soll, erschließt sich mir leider garnicht.

Harry66vor 7 Tagen

Wir brauchen einen Systemwechsel. Solange Parteien bestimmen, wen wir wählen können, bleibt alles beim Alten. Auch die AfD wird daran nichts ändern. Von ehemaligen gibt es Aussagen, dass es inzwischen auch bei dieser Partei nur noch darum geht, an die Futtertröge zu gelangen. Rainer Mausfeld erklärt in seinen Büchern sehr gut, warum man den Begriff „repräsentative Demokratie“ verwendet.

Uwe Wintervor 7 Tagen

Die Meinungen von "Ehemaligen" sollte man mehr als zweimal auf die Goldwaage legen. Da spielt meistens sehr viel Verbitterung mit.

Tobiasvor 7 Tagen

Ist die AfD noch zweitstärkste Kraft? In den Umfragen dürfte sie ja mittlerweile stärkste Kraft sein.

Leider findet sich für die einzige konservative Partei im Bundestag kein Koalitionspartner.