Unionsabgeordnete erarbeiten Antrag für Impfpflicht ab 50
Eine allgemeine Corona-Impfpflicht Anfang Februar, spätestens aber Anfang März – so hatte es sich Bundeskanzler Olaf Scholz gewünscht, doch daraus wird wohl nichts.
Seine SPD strebt an, bis Ende März wenigstens den Gesetzgebungsprozess abzuschließen, greifen würde sie dann – wenn sie kommt – erst später. Der Prozess verzögert sich auch deshalb, weil die Bundestagsabgeordneten in der auch ethisch sensiblen Frage frei und unabhängig von ihren Fraktionen entscheiden sollen. Anders als im sonst üblichen Verfahren müssen sich Abgeordnete erst zu Gruppen mit gemeinsamer Position zusammenfinden und entsprechende Anträge formulieren.
Abgeordnete von CDU und CSU bereiten nun einen Gesetzesvorschlag für eine altersabhängige Impfpflicht vor. Die Gruppe aus Gesundheits- und Rechtspolitikern der Fraktion will eine Impfpflicht für Menschen über 50 Jahre einführen. „Unser Ziel ist es, einen eigenen Unionsantrag auf den Weg zu bringen“, sagte der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bisher pocht die Union allerdings auf einen Regierungsvorschlag.
Die Position der Unionsleute käme der des FDP-Gesundheitspolitikers Andrew Ullmann nahe, der ebenfalls eine altersabhängige Regelung für die Gruppe über 50 wie in Italien angeregt hatte. Er will eine Stufenregelung: „In einem ersten Schritt könnte eine verpflichtende Impfaufklärung für alle stehen, möglichst durch Ärzte in den Impf- oder Testzentren“, sagte er der „Welt“. „Wenn wir danach sehen, dass die Impfquote nicht signifikant steigt, könnte ein nächster Schritt eine Impfpflicht beispielsweise für Menschen ab 50 Jahren sein.“
Auch im Ethikrat, der eine Impfpflicht empfohlen hatte, gab es in dem Mehrheitsvotum zwei Positionen zum Ausmaß: für alle ab 18 oder nur für Ältere und Vorerkrankte.
Pilsinger erklärte: „Weil der größte Teil der Covid-Intensivpatienten älter als 50 Jahre ist, können wir mit einer Impflicht für alle ab 50-Jährigen das Gesundheitssystem effektiv schützen und dennoch den Freiheitseingriff für die Gesellschaft so gering wie möglich halten.“ Als geimpft im Sinne der Impfpflicht sollten alle doppelt Geimpften über 50 gelten. An einer Verpflichtung für regelmäßige Auffrischungsimpfungen dagegen bestehen verfassungsrechtliche Zweifel – sie soll es nach dieser Position nur geben, wenn die Zweifel auszuräumen sind.
Als erster Gruppenantrag war der Impfpflicht-Gegner um FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf den Tisch gekommen. Für eine dritte Position mit einer Impfpflicht für alle ab 18 Jahren erarbeitet Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach eigenen Worten „als Abgeordneter“ einen Antrag. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, sagte der „Welt“: „Mit einem Gruppenantrag zur Impfpflicht aus den Reihen der Koalition ist erst nach der Orientierungswoche im Bundestag in der letzten Januarwoche zu rechnen.“ Solche grundsätzlichen, offenen Orientierungsdebatten gab es auch schon zu anderen sensiblen Themen.
Impfquote noch immer zu gering
An diesem Dienstag tagen erstmals im neuen Jahr die Fraktionen. Auch dort dürfte es um das Thema gehen.
Die Vorsitzende der Ärzteorganisation Marburger Bund, Susanne Johna, und der Präsident des Verbands Leitender Krankenhausärzte, Michael Weber, sprachen sich in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ für eine allgemeine Impfpflicht aus, Johna auch für eine zeitliche Befristung.
Die Befürworter halten eine Impfpflicht für nötig, weil die Impfquote zu gering ist, um die Pandemie nachhaltig einzudämmen. Rund 72 Prozent der Bevölkerung haben den vollständigen Grundschutz mit der meist nötigen zweiten Spritze. Rund 43 Prozent haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung („Booster“) erhalten, die als wichtig für einen wirksamen Schutz vor der ansteckenderen Virusvariante Omikron gilt. 74,5 Prozent haben bislang mindestens eine Spritze. Nicht geimpft sind 25,4 Prozent (21,1 Millionen) – darunter vier Millionen Kinder unter vier Jahren, für die bislang kein Impfstoff zugelassen ist. (dpa/oz)
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