Druck auf Deutschland wächst – kommt nach der Bundestagswahl die Taurus-Wende?
Während der designierte US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, ein zeitnahes Ende des Ukrainekrieges anzustreben, setzt man in der EU auf weitere Eskalation. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat Deutschland unter Berufung auf die Position der Mehrheit der Abgeordneten dazu aufgefordert, der Führung in Kiew Taurus-Marschflugkörper zu schicken. Die FDP will nach dem Ende der Ampelkoalition im Bundestag einen Antrag dazu stellen.
Dass der scheidende US-Präsident Joe Biden jüngst der Ukraine erlaubt hat, tief im russischen Staatsgebiet liegende Ziele mit Kurzstreckenraketen anzugreifen, sehen die Liberalen als potenziellen Aufhänger. Gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ erklärte FDP-Fraktionschef Christian Dürr, er könne sich „durchaus vorstellen, wenn ich mir die Aussagen von Union und Grünen anschaue, dass so ein Antrag Erfolg haben könnte“.
Habeck will Taurus liefern – aber erst nach der Wahl
Die Union hatte bereits im Februar einen entsprechenden Antrag eingebracht. Damals scheiterte dieser jedoch. Bundeskanzler Olaf Scholz warf seine gesamte Autorität in die Waagschale, um vor allem FDP und Grüne zur Koalitionsdisziplin zu mahnen. Mit Erfolg: Die Zahl der Abweichler ließ sich an den Fingern einer Hand abzählen, der Vorstoß der Union scheiterte deutlich.
Um eine Mehrheit für einen entsprechenden Beschluss herzustellen, bräuchte die FDP nicht nur die Stimmen der Union, sondern auch der Grünen. Deren Spitzenkandidat Robert Habeck hatte jüngst erklärt, dass er, sollte er zum Kanzler gewählt werden, die Marschflugkörper liefern würde.
Der Union scheint ihre Position zur Ukraine in den jüngsten Umfragen nicht zu schaden. Zwar sind die persönlichen Beliebtheitswerte von Kanzlerkandidat Friedrich Merz weiterhin durchwachsen – und Bundeskanzler Olaf Scholz gewinnt ihm gegenüber in Umfragen an Terrain. Mit im Schnitt 33,3 Prozent liegen CDU und CSU in den jüngsten Umfragen jedoch immer noch voran.
Ukraine-Politik schadet der Union bislang nicht in den Umfragen
Zwar geben nur wenige Meinungsforscher der FDP nach derzeitigem Stand eine Chance auf den Wiedereinzug in den Bundestag. Union und Grüne hätten allerdings nach wie vor eine gemeinsame parlamentarische Mehrheit – selbst für den Fall eines Wiedereinzugs der Linken über drei Direktmandate.
Insgesamt verlieren Parteien, die bisher nicht für Taurus-Lieferungen offen waren, gegenüber den Befürwortern an Terrain. Union und Grüne (11,6 Prozent) legen gemeinsam um 0,5 Prozentpunkte zu, die FDP büßt 0,3 ein und läge bei 4,2 Prozent.
Demgegenüber legt die AfD lediglich 0,1 Prozentpunkte zu und liegt aggregiert bei 18,3 Prozent. Die SPD (15,1 Prozent; minus 0,5) und vor allem das BSW (6,0; minus 0,6) bauen jedoch deutlich ab und die Linke stagniert bei 3,2 Prozent.
Wadephul befürchtet Scheitern der Taurus-Abstimmung und „PR-Erfolg für Putin“
Trotz dieser auf den ersten Blick günstigen politischen Großwetterlage scheint sich keine Mehrheit für den Vorstoß abzuzeichnen, als Taurus-Koalition noch vor der Wahl vollendete Tatsachen zu schaffen. Die „Berliner Zeitung“ hat sich mit einer Anfrage an alle Fraktionen und Gruppen im Bundestag gewandt – und ist zu der Einschätzung gelangt, dass die FDP damit wahrscheinlich sogar allein bleiben würde.
Die größte Überraschung dabei scheint zu sein, dass nicht einmal die Union sich dem Antrag anschließen würde. Fraktionsvize Johann David Wadephul warf der FDP vor, in der Zeit der noch aufrechten Ampelkoalition diese über die europäischen Werte und die Interessen der Ukraine gestellt zu haben. Nachdem Robert Habeck einer neuen parlamentarischen Initiative zum jetzigen Zeitpunkt eine Absage erteilt habe, befürchtet man in der Union einen kontraproduktiven Effekt:
„Ein weiterer Antrag, der keine Mehrheit bekommt und für den sich Scholz sowieso nicht interessiert, wäre nur ein PR-Erfolg für Putin.“
Die einzige Garantie dafür, dass die Ukraine die Kurzstreckenwaffen bekäme, biete ein Bundeskanzler Friedrich Merz. Demgegenüber solle dem „Geisterfahrer Scholz“ dessen „politische Fahrerlaubnis so schnell wie möglich entzogen“ werden.
Grüne: Keine Zustimmung, solange Koalition mit SPD aufrecht ist
Scholz hält unterdessen an seiner Position fest, dass eine deutsche Taurus-Lieferung eine Eskalationsstufe bedeute, die Deutschland selbst zur Kriegspartei machen könne. Der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Nils Schmid, sieht auch in der Zusage Bidens keinen Anlass, daran etwas zu verändern. Diese habe „vor allem innenpolitische Gründe“, so Schmid.
Dass die SPD an ihrem Nein zu Taurus-Lieferungen festhält, nimmt jedoch auch den Grünen ihren Spielraum. Dies bestätigte auch deren Sprecherin Irene Mihalic. Diese erklärte gegenüber dem „Tagesspiegel“, dass sich das Abstimmungsverhalten der Fraktion daran ausrichten werde, dass man „nach wie vor mit der SPD in einer Regierung“ sei.
AfD, BSW und Linke haben erwartungsgemäß ebenfalls einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern eine Absage erteilt. Deren Einsatz würde, so erklärte AfD-Fraktionssprecher Matthias Moosdorf, einen direkten Kriegseintritt Deutschland voraussetzen und wäre grundgesetzwidrig. Innerhalb der AfD-Fraktion wurden zuletzt Stimmen lauter, bei der Vertrauensfrage im Bundestag Kanzler Scholz das Vertrauen auszusprechen. Dieser sei das „geringere Übel“ gegenüber dem Konfrontationspolitiker Merz.
Linkspartei will in der Frage der Marschflugkörper „stabil bleiben“
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht wertete die Idee der FDP als „Aufforderung an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Atommacht Russland praktisch den Krieg zu erklären“. Gegenüber AFP äußerte Wagenknecht über die FDP:
„Ihr ist offenbar ein großer Krieg in Europa lieber als ein würdevoller Abschied aus dem Bundestag.“
Auch die Linkspartei bleibe bei ihrer Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine. Ihr Abgeordneter Sören Pellmann fügte gegenüber der „Berliner Zeitung“ hinzu:
„Zudem mobilisieren wir in den nächsten Monaten gegen die geplante Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, was auch ein Akt der Drohung gegenüber Russland ist.“
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