„Unausgegoren, leichtsinnig“: So denkt die Opposition über PCR-Priorisierung

Die Labore kommen bei den PCR-Tests an ihre Grenzen. Künftig könnten die PCR-Tests bevorzugt für bestimmte Gruppen eingesetzt werden. Die Priorisierung-Strategie von Bund und Länder hinterlässt jedoch viele offene Fragen und stößt massiv auf Kritik.
Titelbild
(L-R) Pressekonferenz mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Bundeskanzler Olaf Scholz und Berlins Regierungschef Franziska Giffey (SPD) am 24. Januar 2022 in Berlin.
Epoch Times25. Januar 2022

Nach dem Spitzentreffen von Bund und Ländern zur Corona-Pandemie mehrt sich die Kritik an den geplanten Einschränkungen beim Zugang zu PCR-Tests. Der Vorwurf von Fachleuten, Verbänden und Oppositionspolitikern nach den Beratungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder vom Montag: unausgegoren, in den Details unklar, womöglich zu leichtsinnig.

Die jetzt beschlossene Priorisierung der PCR-Tests bedeute, dass die Regierung ab diesem Zeitpunkt „keine Ahnung“ habe, „wie hoch die Infektionszahl wirklich ist“, sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Unterdessen erreichte die Corona-Inzidenz einen neuen Rekordwert.

„Wir haben uns gewundert und geärgert“, sagte Söder weiter. Der drohende Test-Mangel sei „kein starkes Zeichen für die Logistik und die Materialbeschaffung in Deutschland“. Seiner Ansicht nach waren die Diskussionen mit den Länder-Kollegen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) insgesamt „unbefriedigend, weil wir erneut nur vertagt haben“.

Gibt es PCR-Alternativen?

Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Janosch Dahmen, hat bereits vorgeschlagen, PCR-Tests künftig im Pool-Verfahren auszuwerten. Deutschland hinke wegen seiner Strategie der Einzelauswertung anderen Staaten hinterher, sagte er derselben Zeitung.

Beim Pool-Verfahren werden mehrere Proben gleichzeitig geprüft, wenn der Befund positiv ist, werden alle Tests nochmal einzeln ausgewertet. Das binde weniger Kapazitäten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte dazu in der ARD mit Blick auf die Vorgängerregierung: „Dieses Verfahren ist vor einem Jahr nicht vorbereitet worden, darum können wir darauf jetzt nicht zurückgreifen.“

Der Deutsche Städtetag schlug vor, zur Erweiterung der PCR-Kapazitäten auf sogenannte POC-PCR-Tests zu setzen, die ohne Labor auskommen und schnelle Ergebnisse liefern sollen. „Dafür müsste dann aber auch die Finanzierung für diese Tests verbessert werden“, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe der Deutschen Presse-Agentur.

Sind Schnelltests denn ausreichend sicher?

Lauterbach sagte: „Wenn zwei Antigentests hintereinander positiv sind, dann ist das fast so sicher wie ein PCR-Test.“ Es komme nur „ganz selten“ vor, dass sie ein falsches Ergebnis lieferten.

Der Laborärzte-Vertreter Müller sieht das anders: „Antigen-Schnelltests bieten zum Freitesten nicht genügend Sicherheit. Wir sehen in unserem Laboralltag zu viele falsche Schnelltestergebnisse und empfehlen daher das konsequente Freitesten im PCR-Verfahren.“

Auch der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb liegt auf dieser Linie. „Es ist problematisch, dass sich Klinik- und Pflegepersonal in Zukunft mit einem Antigentest nach sieben Tage freitesten kann“, sagte er dem RND. „Ich halte es für sinnvoll, dass in diesen sensiblen Bereichen weiterhin PCR-Tests verwendet werden.“

Kritik und Warnung

Die Spitzen von Bund und Ländern hatten sich am Montagabend verständigt, an den bisherigen Corona-Maßnahmen festzuhalten. Außerdem sollen Klinikpersonal und Risikopatienten Vorrang bei PCR-Tests bekommen. Die Details müssen aber noch festgelegt werden. Gleichzeitig sollten „alle Anstrengungen unternommen werden, die PCR-Testkapazitäten zu erhöhen“.

Der Vorsitzende des Verbands Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM), Michael Müller, warnte daraufhin in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Dienstagausgaben): „Wir können die Kapazitäten nicht beliebig von heute auf morgen ausbauen.“

Ein solcher Schritt erfordere „zeitnahe“ Gespräche und eine „klare Aussage“ über den tatsächlichen Bedarf, sagte Müller weiter. Die Labore hätten bereits seit Oktober „in Eigenverantwortung“ zusätzliche Kapazitäten für 500.000 PCR-Testungen geschaffen.

„Wenn die Politik mehr PCR-Testkapazitäten fordert, muss sie auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen und für eine finanzielle Absicherung sorgen für den Fall, dass diese nicht gebraucht werden“, forderte der Verbandschef.

Kritik kam auch von den Lehrer-Vertretern, die sich unrechtmäßig übergangen fühlen. „Es ist natürlich ein schreiender Widerspruch, wenn die Politik unisono beteuert, dass das Offenhalten von Schulen oberste Priorität hat, sich aber wie schon so oft zuvor wegduckt, wenn es ganz konkret darum geht, Schüler und Lehrkräfte bei Gesundheitsschutzmaßnahmen zu priorisieren“, sagte der Chef des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, dem RND.

Was sagt die Opposition?

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus besteht sogar für alle Bürger auf PCR-Testmöglichkeiten, trotz der Engpässe. „Alle Bürger müssen bei Corona-Verdacht oder Infektion, aber auch nach überstandener Corona-Infektion die Möglichkeit haben, durch einen PCR-Test Gewissheit zu bekommen“, verlangte er in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nannte es „nicht befriedigend“, dass die PCR-Testkapazitäten nicht ausreichen. Die jetzt beschlossene Priorisierung bedeute, dass ab diesem Zeitpunkt „wir keine Ahnung haben, wie hoch die Infektionszahl wirklich ist“, sagte er in den ARD-„Tagesthemen“.

Für Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch ist die neue Teststrategie „kein Durchbruch zur wirksamen Bekämpfung der Pandemie, sondern ein einziges Kommunikationschaos“, wie er den Funke-Zeitungen sagte. (dpa/afp/dl)



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