„Tübinger Modell“-Ärztin Federle: Spahns Biontech-Kontingentierung „skandalös“
Mitten in den Bemühungen der Regierung, mehr Ungeimpfte zum Impfen zu bewegen, gehen die Biontech-Vakzine aus, die nach Angaben der Nachrichtenagentur DPA derzeit mehr als 90 Prozent aller bestellten Impfstoffe ausmachen. Auf der anderen Seite drohen die Moderna-Reserven bis Mitte des 1. Quartals 2022 bereits zu verfallen.
Vor diesem Hintergrund kritisiert die Bundesverdienstkreuz-geehrte Tübinger Medizinerin Lisa Federle Jens Spahns neuesten Entscheidungen in der Pandemie.
„Skandalös“
Die leitende Notärztin, die hinter Oberbürgermeister Boris Palmers Test-basierter Corona-Strategie des „Tübinger Modells“ steht, schrieb in einem Facebook-Post, dass ihr langsam die Worte fehlten.
„Jetzt soll vom Bund aus der Biontech-Impfstoff kontingentiert werden“, so die Tübinger Pandemiebeauftragte. Das finde sie skandalös. Man habe die ganze Zeit die Hausärzte gebeten, mehr zu impfen und zusätzliche Impfangebote anzubieten.
Laut Federle bedeute diese Kontingentierung des Biontech-Impfstoffs, dass die Ärzte pro Praxis ab Ende November nur noch 30 Impfdosen des Vakzins verimpfen könnten. Sie sei von einigen Praxen in Baden-Württemberg um Unterstützung gebeten worden und erwarte vom Bundesgesundheitsministerium, diese Entscheidung zu überdenken.
Moderna impfen, auch für Risikogruppen?
Wenn die Biontech-Impfdosen aus sind, soll man Moderna impfen. Der Impfstoff werde jedoch nicht für Menschen unter 30 Jahren empfohlen, mahnt die Ärztin. Entweder sei zu wenig Biontech-Impfstoff bestellt worden oder es sei zu viel Moderna übrig. Dann könne sie aber auch nicht jeden X-Beliebigen damit impfen. Das müsse man aber an die Ärzteschaft kommunizieren.
Auch wollten vielleicht Menschen nicht auf Moderna wechseln, die schon zweimal mit Biontech geimpft wurden und laut Federle damit gute Erfahrungen gemacht hätten. Diese würden dem Impfstoff vertrauen, was bei manchen schon schwierig genug sei.
Impfen bis zur Erschöpfung
Federle ist verärgert. Ihr reiche es langsam. „Wir impfen von morgens bis abends, setzen uns bis zur Erschöpfung ein und müssen uns abgesehen von den ganzen Schwierigkeiten in der Pandemie noch mit solchen Unzulänglichkeiten befassen“, wettert die Notärztin auf Facebook.
Den Ärzten sei ein vertrauensvolles Verhältnis zum Patienten wichtig und das beinhaltet auch eine kontinuierliche Impfstrategie. Trotz allem bleibt Federle für ihre Patienten kämpferisch, in Richtung Pandemie und auch der Politik: „Wir lassen uns von den Viren und von den Fehlentscheidungen nicht unterkriegen.“
Spahn: Ist nichts da
Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn verteidigt die Strategie hingegen gegen die teils heftige Kritik als unabänderbare Tatsache: „Wir halten da nichts zurück. Ich kann ja keinen Impfstoff ausliefern von Biontech, der nicht da ist.“ Dies erklärte Spahn am Sonntagabend in ZDF-„Berlin direkt“.
Spahns Ministerium hatte die Länder per Anschreiben darüber informiert, dass Biontech-Bestellungen in den nächsten Wochen begrenzt seien. Man solle vermehrt mit Moderna die dritten Impfungen vornehmen. Während die Praxen, so wie Federle anführte, maximal 30 Dosen von Biontech pro Woche erhalten können, bekommen Impfzentren und mobile Impfteams 1.020 Dosen pro Woche.
Moderna hingegen sei nicht begrenzt, heißt es. „Also, die entscheidende Botschaft ist: Impfstoff ist genug da“, so Spahn. In dem Ministeriumsschreiben heißt es, dass bis Jahresende rund 24 Millionen Dosen Biontech-Impfstoff und 26 Millionen Moderna-Impfstoff zur Verfügung stünden.
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