Thüringens FDP-Chef Kemmerich: „Immer mehr Mittelständler schließen sich dem Protest an“
Der Unmut gegen die Politik der Ampelregierung beschränkt sich längst nicht mehr auf einzelne Berufsgruppen. Wie die bundesweiten Demonstrationen der Landwirte zeigen, hat die Krise längst einen großen Teil der mittelständischen Wirtschaftszweige durchdrungen. Kritik kommt auch aus Reihen der Parteien, die in Berlin die Koalition bilden.
Jüngstes Beispiel ist der Thüringer FDP-Chef Thomas L. Kemmerich. Er nennt eine Friseurkette sein Eigen und beschäftigt 100 Mitarbeiter. Und weil Kemmerich auch Aufsichtsrat in mehreren großen Agrarbetrieben ist, kennt er die Probleme der Landwirte ebenso gut wie die seiner Zunft.
Über Nacht gekürzte Hilfen
Als Vorsitzender des Liberalen Mittelstands spricht er täglich mit Unternehmern. Aus seinem Zwiespalt macht er mittlerweile keinen Hehl mehr: „Die Ampel hat einen Fehler gemacht“, sagt Kemmerich mit Blick auf seine Parteifreunde in Berlin.
„Keiner von denen hat im Vorfeld mit den Bauern gesprochen, keiner hat sich über schwindende Wettbewerbsfähigkeit der Agrarbetriebe Gedanken gemacht. Stattdessen kommen immer neue Vorschriften aus Berlin und Brüssel, immer neue Auflagen und Nutzungsbeschränkungen. Und als Krönung werden dann über Nacht die Hilfen für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge gekürzt“, zitiert ihn die „Wirtschaftswoche“.
Bei Nahrung immer mehr abhängig von Importen
Schon jetzt sei die Ernährungssouveränität Deutschlands auf unter 80 Prozent gesunken. „Wenn wir dann noch, wie von den Grünen geplant, alles auf Bio umstellen, können wir die Ernährung der Menschen mit Agrarprodukten aus unserem eigenen Land nur noch zur Hälfte sicherstellen“, so Kemmerich. „Den Rest müssen wir künftig dann aus dem Ausland kaufen, was auch bedeutet, dass bei uns tausende Höfe dichtmachen müssen und die Menschen dort ihre Existenz verlieren.“
Dass sich die Wut bei den Protesten nun mit so viel Kraft und Vehemenz entlädt, hat nach Ansicht des FDP-Mannes eine lange Vorgeschichte: „Es hat sich über Jahre eine Mischung aus Frust und Wut zusammengebraut“, sagt er. „Immer wieder kommen vom Staat neue Vorgaben und Pflichten, die immer viel Zeit, Kraft und Geld kosten und die bei den Betroffenen zunehmend das Gefühl auslösen, dem Ganzen nicht mehr gewachsen zu sein.“
Das gelte nicht nur für die Bauern, sondern auch für Selbstständige, Handwerker und kleine Mittelständler. „Denen wächst das über den Kopf und sie können auch den Sinn dieser ganzen Bürokratie nicht mehr verstehen“, hat Kemmerich beobachtet. „Und genau das ist der Moment, in dem die Auflehnung und der Protest beginnen.“
Er hält daher auch alle Prognosen über ein baldiges Ende der Proteste für falsch. „Das, was wir jetzt sehen, ist erst der Anfang“, sagt Kemmerich. „Immer mehr Mittelständler schließen sich dem Protest an, weil sie kein Licht am Ende des Bürokratietunnels sehen.“
In Thüringens Verwaltung eine Milliarde Euro einsparen
Dass die AfD versuche, sich die Proteste zunutze zu machen, bereite ihm Sorgen: „Wir dürfen das Protestpotenzial nicht der AfD überlassen“, warnt er. „Die drängen sich da rein, haben aber überhaupt nichts zur Lösung anzubieten.“
Die Gesetze der Ampelkoalition zur Entlastung der Bürokratie hält der FDP-Politiker für „weiße Salbe“. Es helfe keinem, die Aufbewahrungsfristen für Steuerunterlagen der Unternehmen in Zeiten der Digitalisierung von zehn auf acht Jahre zu senken.
Das „wirkliche Potenzial“ beim Kampf gegen die Bürokratie werde jedoch nicht gehoben. In Thüringen gebe es etwa 100.000 Stellen im öffentlichen Dienst, sagt Kemmerich. Rund 8.000 Stellen seien jetzt schon offen, und in den kommenden Jahren gehen 18.000 Mitarbeiter in den Ruhestand.
„Wenn man diese rund 26.000 freien oder frei werdenden Stellen durch nur 5.000 Menschen ersetzt, die die Verwaltung konsequent digitalisieren, könnte das Land ohne eine einzige Entlassung eine Milliarde Euro Personalkosten sparen.“ Zudem stünden die vom Staat nicht mehr benötigten Fachkräfte dann der händeringend suchenden Wirtschaft zur Verfügung.
Die derzeit schlechten Umfragewerte der FDP seien mit der „politischen Vernachlässigung der Bauern, Selbstständigen und Kleinunternehmer“ zu erklären, meint Kemmerich. Dass beim jüngsten Mitgliederentscheid fast die Hälfte für den Austritt aus der Ampel gestimmt hätten, passe ins Bild. „Hätte man alle FDP-Wähler gefragt, wäre es eine klare Mehrheit für das Ende der Ampel gewesen.“
Den Wahlen im Osten im Herbst blickt der FDP-Landesvorsitzende optimistisch entgegen. „In Thüringen liegen wir trotz des Gegenwinds aus Berlin bei über vier Prozent“, sagt er, „da geht noch etwas“.
Erwartungen gedämpft bis positiv
Kemmerichs Einschätzungen zur Wirtschaft untermauern die aktuellen Prognosen. So hat das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ein stark gedämpftes Stimmungsbild bei den deutschen Wirtschaftsverbänden festgestellt, wie Epoch Times berichtet.
Demnach haben 30 von 47 teilnehmenden Wirtschaftsverbänden die augenblickliche Wirtschaftslage als noch schlechter als im Dezember 2022 bewertet. Nur elf betrachten die Situation im Vergleich zu damals als unverändert.
Eine eher positive Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und einen optimistischen Blick auf 2024 vermittelt eine Umfrage des Deutschen Mittelstands-Bunds (DMB). Dieser hatte zwischen Mitte und Ende November des vergangenen Jahres 500 Mitgliedsunternehmen zu ihren Erwartungen für 2024 befragt.
Die Mehrheit habe die eigene wirtschaftliche Lage dabei als „eher positiv“ bezeichnet, erwarte aber „sehr große Herausforderungen“, berichtet das „Pro-Magazin“. Die Zufriedenheit mit der Arbeit der Ampelkoalition habe hingegen einen Tiefpunkt erreicht.
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