Terroranschlag in Castrop-Rauxel vereitelt – Tipp kam aus den USA

Unter Terrorverdacht nahmen Polizeibeamte zwei Iraner in Castrop-Rauxel fest. Einer der beiden war bereits wegen versuchten Mordes verurteilt.
Wegen der Gefahren, die von in der Wohnung vermuteten Giftstoffen ausgehen können, trugen die Einsatzkräfte in Castrop-Rauxel Schutzanzüge.
Wegen der Gefahren, die von in der Wohnung vermuteten Giftstoffen ausgehen können, trugen die Einsatzkräfte in Castrop-Rauxel Schutzanzüge.Foto: Marc Gruber/7aktuell.de/Marc Gruber/dpa
Von 10. Januar 2023

In der Nacht zum Sonntag (8.1.) nahmen Polizeibeamte in Castrop-Rauxel zwei iranische Brüder im Alter von 32 und 25 Jahren fest. Die beiden stehen im Verdacht, Gift beschafft zu haben – die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf spricht von Cyanid und Rizin.

Damit hätten die Brüder einen „islamistisch motivierten Anschlag“ geplant. Ursprünglich richtete sich der Verdacht gegen den Älteren der Brüder. Wie konkret die möglichen Anschlagspläne fortgeschritten waren und was ein mögliches Ziel gewesen wäre, blieb zunächst unklar. Ein Haftbefehl erging am Sonntagabend, teilten Ermittler der „Deutschen Presse-Agentur“ mit.

Entschärfer-Kommando und RKI begleiteten die Durchsuchungsaktion

Den Ausschlag zu der Amtshandlung hat offenbar ein Tipp aus den USA gegeben. So habe das FBI der Generalstaatsanwaltschaft den Hinweis gegeben, der den späteren Durchsuchungsbeschluss zur Folge hatte. Der Innenminister von NRW, Herbert Reul, äußerte:

Wir hatten einen ernstzunehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen.“

Die Ermittler gingen vom Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat und der Verabredung zum Mord aus. Im Einsatz seien mehrere Mitarbeiter des Bundeskriminalamts (BKA) und ein Entschärfer-Kommando gewesen. „Bild“ zufolge haben auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) den Einsatz begleitet, um biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte entgegenzuwirken.

Amerikaner konnten Telegram-Chat infiltrieren

Bei der Durchsuchung seien zunächst weder Waffen noch Giftstoffe aufgetaucht. Die Ermittler stellten jedoch elektronische Speichermedien sicher. Diese würden nun ausgewertet, heißt es aus der Generalstaatsanwaltschaft.

Dem „Spiegel“ zufolge hatte ein Nachbar in weiterer Folge einen Hinweis geliefert, der zu einem verdächtigen Paket in einer Garage in Castrop-Rauxel geführt habe. In diesem war jedoch kein Gift zu entdecken. Ein weiterer Hinweis lautete dahingehend, dass eine Sprengfalle in einer anderen Garage vorhanden sein könne. Die Beamten sperrten das Gelände weiträumig ab, die Untersuchungen laufen.

Bereits an Weihnachten hat das FBI dem Magazin zufolge die deutschen Stellen informiert. Den Amerikanern sei es gelungen, einen Telegram-Chat zu infiltrieren, den beide Brüder genutzt hätten. Sie sollen sich darin nach Bombenbauanleitungen und später nach Giftstoffen erkundigt haben. Der Anschlag sei demnach zu Silvester geplant gewesen, allerdings habe noch eine Zutat für eine Streubombe gefehlt.

Hauptverdächtiger soll mit Terrormiliz IS sympathisiert haben

Einen Bezug zum iranischen Staat soll es nicht geben. Der 32-jährige Hauptverdächtige Monir J. sei Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Er habe sich als im Iran verfolgter Christ ausgegeben. Die erste dreijährige Aufenthaltserlaubnis sei verlängert worden und noch bis Ende Juli gültig. Unter Nachbarn galt der 32-Jährige als ruhig und unauffällig, in Telegram-Chats soll er hingegen ein anderes Gesicht gezeigt haben.

Sein 25-jähriger Bruder wurde 2019 wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Er habe ein Alkoholproblem und offenbar im Juli 2018 nachts in betrunkenem Zustand einen großen Ast von einer Brücke auf die Autobahn 45 geworfen. Dieser traf eine Fahrerin, die Verletzungen durch Glassplitter erlitt.

Der 25-Jährige ist noch in einer Entziehungsanstalt in Hagen untergebracht, durfte diese aber über das vergangene Wochenende verlassen. Auch er war 2015 nach Deutschland gekommen.

Fast jeder entscheidende Hinweis auf möglichen Terror kam aus den USA

Zur Gefahr, die von den Brüdern ausging, verweist der „Focus“ auf einen Prozess vor vier Jahren in Köln. Ein Tunesier und dessen deutsche Frau waren damals zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie hatten eine entsprechende Chemikalie hergestellt und bereits Testexplosionen ausgelöst.

Einem Gutachten zufolge hätte die Giftmenge bis zu 13.500 Menschen töten können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen. Auch damals hatte ein ausländischer Dienst den entscheidenden Hinweis gegeben.

Dem Terrorexperten Peter Neumann stößt diese Abhängigkeit von ausländischen Partnern sauer auf. Am Rande der CSU-Landesgruppenklausur in Seeon erklärte er:

Diese Bedrohung ist geringer als vor sechs oder sieben Jahren, aber sie existiert nach wie vor. Das darf man nicht vergessen.“

Seit dem Jahr 2000 hätten Behörden in Deutschland 21 Anschläge selbst ernannter Dschihadisten vereitelt. Allerdings seien die entscheidenden Hinweise in beinahe allen Fällen aus den USA gekommen, so Neumann.

(Mit Material von dpa)



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