11.000 Teilnehmer bei AfD-Kundgebung und Gegenprotesten in Chemnitz
Insgesamt 11.000 Menschen sind am Samstag in Chemnitz auf die Straße gegangen. An der Demonstration „Herz statt Hetze“ nahmen nach Polizeiangaben rund 3.000 Menschen teil, am „Schweigemarsch“ rund 8.000. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sprach von einem weitgehend friedlichen Verlauf. Es gab 18 Verletzte.
Eine Großkundgebung unter dem Motto „Herz statt Hetze“ richtete sich gegen Fremdenfeindlichkeit, eine große AfD-Kundgebung gedenkt als Trauermarsch dem Todesopfer Daniel H. und anderen Todesopfern, die durch Ausländer ums Leben gekommen sind. Die Kundgebungen lösten sich am Abend auf.
An der Kundgebung nahmen am Samstagnachmittag auch mehrere Spitzenpolitiker wie SPD-Vizechefin Manuela Schwesig, Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock teil.
Eine Besuchergruppe um den SPD-Bundestagsabgeordneten Sören Bartol wurde nach seinen Angaben am Abend von Rechtsradikalen überfallen. „Meine Gruppe aus Marburg wurde gerade auf dem Weg zum Bus von Nazis überfallen“, schrieb Bartol auf Twitter. Alle SPD-Fahnen seien „zerstört“ worden, einige seiner Begleiter seien „sogar körperlich angegriffen“ worden. Er fügte hinzu: „Ich bin entsetzt“ und „Was ein Schock“.
Mehr als zwei Stunden nach Beginn der „Herz statt Hetze“- Demonstration versammelten sich rund 8.000 Menschen zu der AfD-Kundgebung. Auch Teilnehmer einer Demonstration der Organisation Pro Chemnitz schlossen sich an, nachdem die Organisatoren diese für beendet erklärt hatten.
AfD-Politiker aus mehreren Landesverbänden waren am Samstag in Chemnitz, darunter die AfD-Landesvorsitzenden von Thüringen, Sachsen und Brandenburg, Björn Höcke, Jörg Urban und Andreas Kalbitz. Auch die Pegida-Bewegung schloss sich der Kundgebung an. In dem Aufruf zu dem sogenannten Schweigemarsch hieß es, es solle „um die Toten und Opfer der illegalen Migrationspolitik“ in Deutschland getrauert werden.
An EINER Kundgebung der Evangelisch Kirche unter dem Motto „Wir in Chemnitz – aufeinander hören – miteinander handeln“ am Sonntag nahmen nach vorläufigen Polizeiangaben knapp 700 Menschen teil, an einer weiteren Demonstration linker und bürgerlicher Kräfte demnach rund 150. Die Veranstaltung verliefen friedlich und störungsfrei, sagte ein Polizeisprecher.
Polizei meldet 25 Straftaten
In Chemnitz war vergangenes Wochenende ein 35-jähriger Deutscher getötet worden. Zwei Männer aus Syrien und dem Irak sitzen deswegen in Untersuchungshaft. Danach kam es zu Demonstrationen in der Stadt, an denen sich gewaltbereite Rechtsextreme beteiligten. Dabei gab es auch Angriffe auf Ausländer.
Die Polizei versuchte am Samstag mit 1.800 Beamten, die Demonstrationen auseinanderzuhalten und erneute Ausschreitungen zu verhindern. Die Polizei meldete einige Rangeleien zwischen „Kleingruppen“ der verschiedenen Lager, die meisten Demonstranten seien aber friedlich gewesen.
Insgesamt seien neun Menschen verletzt worden, teilte die Polizei am späten Abend mit. Zudem sei abseits der Demonstrationsorte ein 20-jähriger Afghane von vier Vermummten angegriffen und leicht verletzt worden. Die Polizei habe Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung aufgenommen. Es werde geprüft, ob es sich bei den Tätern um ehemalige Versammlungsteilnehmer handele.
Laut Polizei gab es mindestens 25 Straftaten, darunter Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Auch sei ein MDR-Kamerateam in einer Privatwohnung angegriffen worden. Dabei sei ein Mitarbeiter des Teams verletzt worden.
Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) forderte, Hetzern „unsere Stärke und unsere demokratische Grundüberzeugung mit aller Kraft“ entgegenzusetzen. Dass Chemnitz „weder grau noch braun“ sei, müsse jetzt in „Wort und Tat“ gezeigt werden.
Ein Bündnis von Bürgern, Unternehmen und Wissenschaftlern aus Chemnitz hatte die Bewohner der Stadt unter dem Motto „Chemnitz ist weder grau noch braun“ zu mehr Engagement für ein friedliches Miteinander aufgerufen. In mehreren Tageszeitungen erschienen großformatige Anzeigen mit dem Aufruf. Zu den Unterzeichnern gehören zahlreiche in Chemnitz ansässige Firmen.
Chemnitz habe „seine guten Seiten und seine Probleme“, heißt es in dem Aufruf. Die Stadt könne aber nicht mit „Hass, Gewalt, Intoleranz und vor allem Wegschauen“ leben. (afp)
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