Steuer- und Wirtschaftspolitik: Richtungsstreit in der Koalition verschärft sich

Den 9. Mai dürften sich viele in der Bundesregierung rot angestrichen haben im Kalender. Dann kommen die Ergebnisse der neuen Steuerschätzung. Das Geld im Bundesetat könnte knapper werden.
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Ein SPD- und ein CDU- Luftballon.Foto: Carsten Rehder/Symbolbild/dpa
Epoch Times5. Mai 2019

In der großen Koalition hat sich drei Wochen vor der Europawahl angesichts der schwächeren Konjunktur der Richtungsstreit über den Kurs in der Steuer- und Wirtschaftspolitik verschärft.

Während die Union umfassende Entlastungen für Unternehmen fordert, lehnt die SPD milliardenschwere „Steuergeschenke“ für Firmen ab. Sie setzt auf Projekte wie die Grundrente. Umstritten ist auch eine mögliche CO2-Steuer. Ein Überblick:

Aktuelle Steuerschätzung und Haushaltsdisziplin

Am kommenden Donnerstag (9.5.) werden die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung bekannt gegeben. Erwartet wird angesichts der Abkühlung der Konjunktur, dass die Steuereinnahmen in der Prognose nicht mehr so stark steigen – oder sogar sinken. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) versucht demonstrativ, Ruhe zu bewahren.

Die Regierung sei bei den Eckpunkten für den Bundesetat gut vorbereitet. Aber: Scholz mahnte seine Kabinettskollegen bereits zur Haushaltsdisziplin. „Es müssen überflüssige Ausgaben unterlassen werden, und es müssen alle Projekte nach vernünftigen Prioritäten sortiert werden“, sagte Scholz dem Deutschlandfunk.

Nicht antasten will die SPD aber eines ihrer milliardenschweren Prestigeprojekte, die Grundrente. Die Union aber ist strikt gegen eine Grundrente ohne Prüfung der Bedürftigkeit. „Wir müssen uns entscheiden, was wir wollen: das Land zukunftsfest machen oder den Sozialstaat ausweiten“, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Auch die Union will Prioritäten neu setzen, wenn bei der Steuerschätzung die Einnahmen niedriger ausfallen als zuvor angenommen – aber einen anderen Schwerpunkt setzen. Sie will vor allem die Wirtschaft um Milliarden entlasten, um die Konjunktur anzukurbeln. Konkret spricht sich die Union unter anderem dafür aus, den Solidaritätszuschlag komplett abzuschaffen sowie die Unternehmensteuer und die Stromsteuer zu senken.

Scholz hat solchen Plänen bisher stets eine Absage erteilt. Und SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte dpa: „Der Schlüssel zu Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes sind nicht milliardenschwere Steuergeschenke für Unternehmen, sondern mutige Investitionen in Bildung, Innovation und gleichwertige Lebensverhältnisse.“

Sozialismus? Nein danke

Juso-Chef Kevin Kühnert, ein Kritiker der großen Koalition, hat eine große Debatte ausgelöst – mit Aussagen zum Thema Sozialismus. Kühnert war unter anderem für eine Kollektivierung großer Unternehmen „auf demokratischem Wege“ eingetreten. Es folgte eine Welle der Empörung. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Wochenende, Kühnerts Thesen seien ein Indiz dafür, dass die SPD politisch nach links abdrifte.

Allerdings hat sich die SPD-Führungsspitze von den Aussagen Kühnerts distanziert, sie hält die Diskussion für überzogen. Und es gibt auch viele, für die der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation einen Nerv getroffen hat. Der Ökonom und DIW-Chef Marcel Fratzscher etwa will zwar keinen Sozialismus – sieht aber etwa auf dem Wohnungsmarkt „Exzesse“. „Die Soziale Marktwirtschaft funktioniert nicht so, wie sie funktionieren sollte“, sagte Fratzscher der dpa. Die Politik müsse ihre Hausaufgaben machen.

CO2-Steuer?

Dann ist da noch die Frage, was die Regierung machen will für den Klimaschutz. Derzeit werden sowohl nationale als auch europäische Klimaschutzziele verfehlt, es drohen Strafzahlungen. Bis Ende des Jahres soll ein Klimaschutzgesetz beschlossen werden.

In den Mittelpunkt der Debatte ist die Frage gerückt, ob in Deutschland eine Steuer auf den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) eingeführt werden soll. Dies würde fossile Brennstoffe wie Benzin und Heizöl teurer machen. Viele Experten sehen dies als wirksamstes Mittel, um die Erderwärmung einzudämmen. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist für eine CO2-Abgabe – mit Einkünften der Steuer sollten aber die Bürger an anderer Stelle entlastet werden.

Die Union ist merklich auf Distanz zu einer CO2-Steuer gegangen.

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer sagte am Samstag in Halle, sie sei davon überzeugt, dass es intelligentere Methoden für mehr Klimaschutz gebe als neue Steuern zu erheben. Hinter einer CO2-Steuer verberge sich nichts anderes als eine stärkere Belastung für Benzin, Diesel, Heizöl und Gas. „Deswegen ist die Frage, ob wir, weil wir zu faul sind zum Nachdenken, ob es bessere Methoden gibt, einfach mal insbesondere kleine Leute über Gebühr belasten.“

Die CDU will einen anderen Weg, nämlich eine Ausweitung des bestehenden EU-Emissionshandels vom Energiesektor und Teilen der Industrie auf andere Bereiche wie den Verkehr. Für die SPD kommt das aber nicht in Frage, wie Fraktionsvize Matthias Miersch klar machte: „Die Bremser gaukeln hier eine Lösung vor, die nie rechtzeitig kommen – und zudem als alleiniges marktwirtschaftliches Instrument gerade Schwächere treffen wird.“ (dpa)



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