Spahn über Corona-Krise: „Aber am Ende entscheidet die Politik“
Vor Beginn der Osterfeiertage hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zufrieden mit der jüngsten Entwicklung bei den Corona-Zahlen geäußert: Die Zahl der neuen Infektion „flacht sich ab“, sagte er in der Pressekonferenz am 9. April in Berlin. Bei fast 110.000 Infizierten gebe es inzwischen mehr als 50.000 Genesene.
Dazu hätten die Bürger „durch ihr Verhalten maßgeblich beigetragen“, betonte der Minister. Deshalb sei es wichtig, weiter konsequent zu bleiben. Die bevorstehenden Osterfeiertage bezeichnete Spahn als „Weggabelung“: „Bleiben wir auch übers Wochenende konsequent, wird eine schrittweise Rückkehr zur Normalität wahrscheinlicher“, sagte der Minister. Wenn nicht, werde eine Verlängerung der Auflagen notwendig. Von einem Alltag, wie man ihn vor Corona kannte, sei Deutschland jedoch noch weit entfernt. Vielmehr würden die Bürger lernen müssen, mit und in der Pandemie zu leben.
„Es gibt nicht den einen wissenschaftlichen Parameter, der zur Entscheidung B führt“, sagte Spahn im Hinblick auf entsprechende Maßnahmen der Regierung. Einen solchen Parameter könne es in einer freiheitlichen Demokratie auch nicht geben. Am Ende trage die Politik die Verantwortung und müsse entscheiden. Dafür sei sie gewählt in einer repräsentativen Demokratie. „Wir entscheiden sehr wissensgeleitet und wenn ich mich auf der Welt umschaue, fahren wir [damit] gut. Aber am Ende entscheidet die Politik.“
Zu der Frage, wie gut vorbereitet Deutschland war oder ist, sagte Spahn: „Gut vorbereitet zu sein, heißt nicht alles schon vorher zu wissen. Das konnten wir nicht.“ Dazu wäre zu viel „Dynamik in der Entwicklung“. Alles wäre „zu neu“ und täglich gäbe es neue Erkenntnisse. Es würde darum gehen, in angemessener Weise auf die Situation zu reagieren. Hoch anerkannte Fachexperten würden die Politik dabei beraten. „Und wir sehen bis hierhin, dass das deutsche Gesundheitswesen bei allen Problemen, die es im Alltag gibt, eine starke Basis hat“, führte Spahn seine Rede fort.
Nach Angaben des Gesundheitsministers werden derzeit über 3000 Corona-Patienten in den Krankenhäusern behandelt, die meisten davon würden beatmet. 10.000 Intensivbetten stünden derzeit frei. Sechs von sieben Patienten würden ambulant behandelt. Das deutsche Gesundheitswesen habe eine starke Basis, „bei allen Problemen die es im Alltag gibt“.
Fast 80.000 Anträge auf „Notfall-Kinderzuschlag“ binnen acht Tagen
Dass die Nachfrage nach dem im Zuge der Corona-Krise eingeführten „Notfall-Kinderzuschlag“ (KiZ) hoch ist, darüber berichtete Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). In den ersten acht Tagen gingen fast 80.000 Anträge ein. Die neue Leistung könne seit dem 1. April beantragt werden. Der Zuschlag sei für Familien gedacht, die durch die Corona-Krise in eine finanzielle Notlage geraten sind, etwa weil Eltern in Kurzarbeit gingen oder selbstständig sind.
Die Anträge würden nun von den Familienkassen bearbeitet, sagte Giffey. Ausschlaggebend für die Prüfung, ob der „Notfall-KiZ“ bewilligt wird, ist für Anträge ab dem 1. April das Einkommen der Eltern im vorangegangenen Monat – nicht wie sonst der Durchschnitt der vorangegangenen sechs Monate.
Für Anträge im April ist also das Einkommen von März relevant; für Anträge im Mai das Einkommen von April. Beim „Notfall-KiZ“ müssen Eltern zudem keine Angaben mehr zum Vermögen machen, wenn sie kein erhebliches Vermögen haben.
Freiwillige in Pflege und Krankenhäusern
Giffey informierte zudem über die knapp 100.000 jungen Menschen, die Freiwilligendienste leisten. Bereits jetzt seien mehr als 25.000 in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder Rettungsstellen im Einsatz, die ihre Arbeit dort fortsetzen.
Allen, die wegen der Corona-Beschränkungen derzeit ihren Freiwilligendienst nicht leisten könnten, werde ein Angebot gemacht: Wer nicht in seiner regulären Einrichtung arbeiten könne, weil diese etwa geschlossen sei, könne über eine Ausnahmeregelung zu einem anderen Einsatzort wechseln.
Von den über 2.500 jungen Menschen, die im Ausland einen Freiwilligendienst leisten, seien seit Mitte März 2.126 nach Deutschland zurückgekehrt, sagte die Ministerin. Bei 83 Prozent von ihnen erfolgte dies im Rahmen der Rückholaktionen des Auswärtigen Amtes. 289 Freiwillige wollten nicht aus dem Ausland zurückkehren, weitere 155 würden noch auf ihre Rückkehr warten, die in den nächsten Tagen stattfinden solle.
RKI startet Studien
Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, berichtete darüber, dass die Maßnahmen der vergangenen Wochen positive Wirkung zeige. Von einer Entspannung sei aber noch nicht auszugehen.
Eine zentrale Frage sei für die Forscher, wie viele Menschen schon eine Infektion– auch unerkannt –durchgemacht hätten. Wie viele sind schon immun? Wenn derartigen Informationen vorlägen, könnten die Maßnahmen besser bewertet werden.
Zwar würden dem RKI die Meldezahlen der Behörden vorliegen, „aber es gibt natürlich eine Dunkelziffer“. Wieler gehe zwar davon aus, dass diese nicht sehr hoch ist, aber eine genaue Aussage könne derzeit nicht getroffen werden. Eine Abhilfe soll nun eine bundesweite Antikörper-Studie schaffen.
Antikörper-Tests deutschlandweit
Untersucht werde, ob sich im Blut der Studienteilnehmer Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisen lassen, teilte RKI-Chef mit. „Von diesen Studien erwarten wir uns ein genaueres Bild über das SARS-CoV-2-Geschehen in Deutschland.“
Die Infektion verläuft häufig mild oder sogar unbemerkt. Die offiziellen Meldezahlen spiegeln demnach nur einen Teil der Infektionen wider. „Die Ergebnisse der Antikörper-Studien sind von großer Bedeutung, um den Verlauf und Schwere der Pandemie genauer abschätzen und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen besser bewerten zu können“, so Wieler.
Für die Studien werden derzeit Blutspenden untersucht. Darüber hinaus sollen ab Mitte April in vier deutschen Ausbruchsgebieten Proben von jeweils 2.000 Menschen genommen werden. Die umfangreichste Studie wird deutschlandweit im Mai starten. In 150 Regionen sollen dann insgesamt 150.000 Menschen untersucht werden. Ziel der Studie ist zu erfahren, wie viele Menschen in Deutschland immun sind und wie hoch der Anteil der asymptomatischen Fälle es gibt.
Von der gestern gestarteten Corona-Datenspende-App zeigte sich Wieler „überwältigt“. Bislang hätten sich 160.000 Nutzen angemeldet. In den nächsten drei Wochen soll eine erste Karte veröffentlicht werden, die die Situation in Deutschland zeigt.
Stressmanagement in Krisensituation
„Unser Alltag hat sich über Nacht radikal verändert. Und das macht Stress“, sagte der Stressforscher Professor Dr. Mazda Adli. Sport und Kultur seien gestrichen und auch jemanden in den Arm nehmen, um Trost zu spenden, gehe gerade jetzt nicht. Viel mehr müsse man mit anderen auf engstem Raum verbringen. Das liefere ungewohnte Konflikte. Auch das Homeschooling nage mancherorts zusätzlich an den Nerven.
Als Lösung schlägt der Psychiater einen Perspektivwechsel vor. Wenn man sich ärgere, solle auf jeden Fall ein Konflikt vermieden werden. Manchmal helfe es auch sich zurückzuziehen.
Gerade an den Ostertagen wäre eine „Corona-freie“ Zeit das Richtige, um einmal abzuschalten. Ein gutes Buch oder ein nettes Gespräch schaffen Abhilfe und man könne „emotional entlüften“. (afp/dts/sua)
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