Söder: „Anschlag auf die Demokratie“ – Wahlrechtsreform schwächt Opposition

Lautstark hat die CSU das Vorgehen der Ampel missbilligt. Nun zieht die Partei Konsequenzen: Sie wird Verfassungsbeschwerde einreichen.
CSU-CHef Markus Söder bei einer Parteiveranstaltung in Ingolstadt.
CSU-CHef Markus Söder.Foto: Peter Kneffel/dpa
Epoch Times19. März 2023

Die CSU wehrt sich gegen die Bundestagsentscheidung zur Wahlrechtsreform. Der Vorstand der Partei beschloss am Samstag einstimmig, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Nach Angaben von Parteichef Markus Söder soll dies noch vor der Sommerpause erfolgen.

Für Söder sei es bislang unvorstellbar gewesen, „dass Grüne und FDP so ungeniert und verfassungswidrig auf den eigenen Vorteil bedacht sind und die ehemals staatstragende Partei SPD das mitmacht“.

Die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP hatten die Wahlrechtsreform am Freitag mit ihrer Mehrheit im Bundestag durchgesetzt – gegen erbitterten Widerstand insbesondere von CSU und Linkspartei.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, nannte das Vorgehen der CSU erwartbar. Söder und die CSU wollten kein einfaches und faires Wahlrecht.

Stattdessen wollen sie den Status quo zu ihren Gunsten mit dem Grabenwahlrecht verändern. Deshalb hat die CSU als Regionalpartei in der Vergangenheit jede Reform zur ernsthaften Verkleinerung des Bundestags verhindert.“

Wahlkreis gewonnen und dann nicht im Bundestag?

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, warf Söder die Aufführung eines peinlichen Theaterstücks vor. „Wir sind in den letzten Wochen auf viele Wünsche der Union eingegangen. Ich glaube auch nicht, dass die Zustimmung der Union an der CDU gescheitert ist, sondern sie ist an Markus Söder gescheitert“, erklärte Dürr.

Dessen Verhalten werfe ein schlechtes Licht auf die Politik, weil es den Eindruck erwecke, Politiker würden an ihren Sesseln kleben. „Wir machen Ernst mit der Verkleinerung des Bundestages – der einzige, der reformunfähig ist, ist Söder selbst.“

Mit der Reform soll der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag ab der nächsten Wahl 2025 dauerhaft auf 630 Mandate schrumpfen. Erreicht werden soll das, indem auf Überhang- und Ausgleichsmandate verzichtet wird. Diese sorgten bislang für eine immer stärkere Aufblähung des Bundestags.

Nach den neuen Regeln könnte es künftig vorkommen, dass ein Bewerber zwar seinen Wahlkreis direkt gewinnt, aber trotzdem nicht in den Bundestag einzieht. Das erzürnt vor allem die CSU.

Söder: „Anschlag auf die Demokratie und auf Föderalismus“

Zudem soll eine strikte Fünf-Prozent-Klausel gelten. Die sogenannte Grundmandatsklausel entfällt. Sie sorgt bisher dafür, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einzogen, wenn sie unter fünf Prozent lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Davon profitierte 2021 die Linkspartei.

Der Wegfall der Klausel könnte – je nach Wahlergebnis – auch Konsequenzen für die CSU haben, deren Direktkandidaten in Bayern traditionell die meisten Wahlkreise gewinnen. Sollte sie bundesweit unter fünf Prozent fallen, würde sie aus dem Bundestag fliegen.

Söder sprach am Wochenende von einem „Anschlag auf die Demokratie und auf den Föderalismus“. Er kritisierte, es gehe den Ampelparteien nicht um eine Verkleinerung des Bundestags, sondern um eine Schwächung der Opposition und Bayerns. Fast neun Millionen Stimmen könnten „wegrationalisiert“ werden, argumentierte er – das sei ein tiefer Verstoß gegen das Bundesstaats- und Föderalismusprinzip. Und der CSU werde im Grunde genommen „das Existenzrecht abgesprochen“.

Mast entgegnete, die „viel bestrittene Abschaffung der Grundmandatsklausel“ komme für die Union überhaupt nicht überraschend. Diese sei seit der öffentlichen Anhörung Teil der Verhandlungen gewesen.

Aufforderung an Steinmeier: „Soll nicht unterschreiben“

Markus Söder forderte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf, die umstrittene Wahlrechtsreform der Ampelkoalition nicht zu unterschreiben. Söder sagte der „Bild am Sonntag“: „Es ist ein einmaliger Vorgang, dass sich eine Bundesregierung über das Wahlrecht eine neue Mehrheit zusammenzimmert. Wir appellieren an den Bundespräsidenten, dass er dieses offensichtlich verfassungswidrige Gesetz nicht unterschreibt.“

Obwohl selbst die eigenen Experten erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit hätten, habe die Ampel das Gesetz durchgedrückt, so Söder:

Die Ampel versucht, den Wählerwillen zu verfälschen. Die Wahlrechtsreform ist ein Angriff auf unsere Demokratie, deswegen werden wir dagegen klagen. Wer die meisten Stimmen hat, muss ins Parlament einziehen.“

Die CSU komme nach Söders Einschätzung sicher über 5 Prozent, „aber wir akzeptieren dennoch nicht, dass die Ampel versucht, ganz Bayern und Teile des Ostens mundtot machen“. Die Partei erreichte bei der letzten Bundestagswahl bundesweit 5,2 Prozent der Stimmen. (dpa/dts/red)



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