„Schleierfahndung plus“? Faeser ordnet Grenzkontrollen an

Nach langem Zögern will Ministerin Faeser nun doch auch Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien einführen. Allerdings soll es keine stationäre Lösung wie zwischen Bayern und Österreich geben.
In der Grenzregion zu Polen werden immer wieder Migranten aufgegriffen. Grenzkontrollen sollen die Schleuserkriminalität verhindern.
In der Grenzregion zu Polen werden immer wieder Migranten aufgegriffen.Foto: Patrick Pleul/dpa
Von 27. September 2023

Nachdem sie längere Zeit Zweifel an deren Sinnhaftigkeit geäußert hatte, will Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun doch Grenzkontrollen gegenüber Polen und Tschechien anordnen. Das gab die Ministerin am Mittwoch, 27. September, im Innenausschuss des Bundestages bekannt. Anders als zwischen Bayern und Österreich würde es jedoch keine stationären Kontrollen geben. Stattdessen sollen diese „flexibel und mobil“ sein – und die bis dato dort praktizierte Schleierfahndung ergänzen.

Faeser will bestehende Schleierfahndung durch mobiles System „an der Grenzlinie“ verstärken

Die Ministerin erklärte, durch „flexible und mobile Kontrollen an wechselnden Orten“ wolle man Ausweichbewegungen von Schleusern unterbinden. Die zusätzlichen Schwerpunktkontrollen sollen „an der Grenzlinie“ erfolgen. Sie sollen aber weder die Schleierfahndung ersetzen noch Pendler und Güterverkehr beeinträchtigen.

Kritiker stationärer Grenzkontrollen hatten unter anderem dies als Argument ins Treffen geführt. Neben Faeser selbst hatte auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit Blick auf Sachsen darauf verwiesen, dass täglich mehr als 70.000 Menschen die Grenze zu Tschechien überquerten.

Bei einem Besuch in Tschechien hatte Baerbock auf Arbeit, Besuche oder Einkauf als hauptsächliche Anlässe für den Grenzverkehr verwiesen. Zudem hätten die Erfahrungen der Corona-Zeit gezeigt, „wie sehr geschlossene Grenzen schaden“ könnten. Wirtschaftsverbände teilen die von der Ministerin vorgebrachte Einschätzung.

Zurückweisungen in den meisten Fällen aufgrund fehlender Reisedokumente

Seit den Fluchtbewegungen des Jahres 2015 gibt es solche wenige Kilometer hinter der Grenze zwischen Österreich und Bayern. Im ersten Halbjahr 2023 kam es dabei nach Angaben der Bundesregierung zu 4.489 Zurückweisungen.

Dazu kommen 4.787 dieser Maßnahmen infolge von Kontrollen im Bahnreiseverkehr auf dem Hoheitsgebiet des Nicht-EU-Staates Schweiz. Mit diesem gibt es ein Abkommen, welches deutschen Sicherheitskräften solche gestattet. In den meisten Fällen war das Fehlen gültiger Reisedokumente der Grund für die Verweigerung der Weiterreise.

Der „exxpress“ berichtete außerdem von etwa 15.000 sogenannten Pushbacks in Richtung Österreich, die im Vorjahr stattgefunden hätten. Diese sind in Fällen zulässig, in denen Einreisende bereits in einem anderen Land Asyl beantragt haben – oder bei Vorliegen einer Wiedereinreisesperre.

Werden stationäre Grenzkontrollen bezüglich ihrer Effizienz überschätzt?

Verglichen mit mehr als 204.000 Erstanträgen auf Asyl, die bis Ende August in diesem Jahr bislang in Deutschland gestellt wurden, sind diese Zahlen nicht hoch. Dazu kommt der Umstand, dass viele der Asylbewerber aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan kommen – und als deren Staatsangehörige in der EU einen Schutzanspruch geltend machen können.

Außerdem ist das Aufgreifen einer irregulär eingereisten Person an der deutschen Grenze nicht automatisch mit einer Zurückweisung verbunden. Wer in einer solchen Situation einen Asylantrag stellt, den muss die Bundespolizei in eine Aufnahmeeinrichtung bringen. Dort ist der Antrag erst einmal zu prüfen.

Neben der Störung des regulären Grenzverkehrs führen Kritiker noch weitere Argumente gegen stationäre Grenzkontrollen an. Dazu gehört, dass der personelle und technische Aufwand gemessen an den Erfolgsaussichten hoch sei. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verweist auf mittlerweile 14 Hundertschaften, die sich an den Binnengrenzen oder im Grenzraum im Einsatz befänden.

Andreas Roßkopf, der Vorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, erklärt, dass damit die Belastungsgrenze erreicht sei. Deshalb seien flächendeckende stationäre Kontrollen an der Grenze zu Polen nach seiner Überzeugung nur über wenige Wochen durchzuhalten. So lange dauere es auch, bis Schleuser sich auf die stationären Kontrollen einstellen und Ausweichrouten gefunden hätten.

„Flexibles“ System von Grenzkontrollen nicht bei der EU anzumelden

Auch deshalb will Faeser das 2015 an der Grenze zu Österreich eingeführte Modell nicht auch an der Ost- und Südostgrenze in Kraft setzen. Stationäre Kontrollen müssen bei der EU-Kommission angemeldet werden. Immerhin verletzen sie das Schengen-Prinzip der offenen Binnengrenzen. Im Fall der von ihr nun angeordneten „flexiblen“ oder „mobilen“ Grenzkontrollen ist eine solche Anmeldung nicht erforderlich.

Darüber hinaus gilt es als politisch heikel, einmal eingeführte dauerhafte Grenzkontrollen wieder abzuschaffen. Selbst wenn sie sich als wenig effizient erweisen, befürchten Politiker, dass ein Ende der Maßnahme falsche Signale aussende.

Die von Faeser angekündigten Kontrollen unterscheiden sich von der bisher im Grenzgebiet zu Polen und Tschechien praktizierten Schleierfahndung in einigen Punkten. Die Schleierfahndung darf innerhalb eines 30-Kilometer-Gebiets hinter der Grenze verdachtsunabhängig erfolgen. Allerdings darf keine direkte Zurückweisung von Personen erfolgen, die nach ihrer illegalen Einreise auf frischer Tat ertappt werden.

Österreich wegen moderner Technik im Grenzschutz effektiver?

Faeser setzt nun auf gezielte punktuelle Kontrollen durch die Bundespolizei. Diese sollen beispielsweise dann stattfinden, wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine Schleusung gibt. Darüber hinaus plant Faeser gemeinsame Streifen mit polnischen und tschechischen Einsatzkräften.

Während die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland weiter im Steigen begriffen ist, konnten Behörden in Österreich einen gegenteiligen Trend feststellen. So sei die Zahl der Asylanträge dort im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022 um 30 Prozent zurückgegangen. Zudem seien in den ersten sechs Monaten weniger Asylantragssteller nach Österreich gekommen, als das Land wieder verlassen haben.

In einer Analyse für den „European“ wird unter anderem eine effizientere Grenzsicherung als möglicher Grund für die Entwicklung genannt. So beteilige sich Österreich mit Polizeibeamten an der Verstärkung des Grenzschutzes in Ländern wie Serbien, Ungarn oder Nordmazedonien. Außerdem statte man die eigenen Grenzschutzeinheiten mit modernster Technik aus. Neben Nachtsicht- und Wärmebildkameras komme auch ein Drohnensystem mit 300 Einheiten zum Einsatz. Deutschland hatte demgegenüber 2021 lediglich zwei Drohnen zum Grenzschutz im Einsatz.

(Mit Material von dpa und AFP)



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