Scheinvaterschaften: Zehntausende Fälle aufgrund von Gesetzeslücke? Ausländerbehörden schlagen Alarm

In den vergangenen Jahren soll es zehntausende Fälle von Scheinvaterschaften gegeben haben – die der öffentlichen Hand jährlich Kosten von bis zu 150 Millionen Euro verursachen. Klare Aussagen zur Datenlage sind jedoch schwierig, besagt ein Bericht der ARD.
Ein kleines Kind sitzt in einem Kanu zwischen leeren Plastikflaschen, die im schwimmenden Slum von Makoko in Nigeria gesammelt wurden. Schätzungsweise 100.000 Menschen leben hier unter schlechtesten Bedingungen.
Kind aus einem Slum in Nigeria. Scheinvaterschaften von Deutschen sind für viele Mütter aus dem Land eine Hoffnung, dem Elend zu entkommen.Foto: Sunday Alamba/AP/dpa
Von 25. Februar 2024

Die „Sicherheitskooperation Ruhr“ und mehrere Ausländerbehörden beklagen, dass Scheinvaterschaften zu einem lukrativen Geschäftsmodell geworden seien. In den vergangenen Jahren soll es bundesweit eine fünfstellige Anzahl an Fällen gegeben haben.

Die Belastung für den Steuerzahler durch die missbräuchliche Anerkennung von Vaterschaften soll sich jährlich auf knapp 150 Millionen Euro belaufen.

„Mr. Cash Money“ soll Millionen mit Scheinvaterschaften machen

Jüngst berichtete die „Tagesschau“ unter Berufung auf „ARD Kontraste“ und „rbb24-Recherche“ über die Problematik. Verdachtsfälle weisen unter anderem Bezüge zu Nigeria, Vietnam oder den Westbalkan-Ländern auf.

Ein als mittellos geltender Deutscher mit Wurzeln in Nigeria soll beispielsweise die Vaterschaft zu 24 Kindern unterschiedlicher Frauen anerkannt haben. Zwei weitere sollen bereits beantragt sein.

Auf diese Weise habe der Dortmunder diesen die deutsche Staatsbürgerschaft über den Familiennachzug ein Bleiberecht für 94 engste Angehörige erwirkt.

In Nigeria soll der Verdächtige als „Mr. Cash Money“ bekannt sein und einen Fuhrpark mit deutschen Autos unterhalten. Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass der Betreffende pro Monat 22.500 Euro aus der Familienkasse bezog.

Axel Boshamer von der oberen Ausländerbehörde der Bezirksregierung Arnsberg spricht generell von gehäuften Verdachtsfällen. Diese betreffen häufig Kinder von Müttern aus westafrikanischen Ländern oder jenen des Westbalkans.

Es sollen Netzwerke bestehen, die den „systematischen Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung“ betreiben. In Berlin ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts eines bandenmäßigen Vorgehens in der vietnamesischen Einwanderercommunity.

Geringe Nachweispflichten für Vaterschaftsanerkennung

Die Datenlage bezüglich der tatsächlichen Anzahl der Verdachtsfälle ist dünn. Im Jahr 2017 hatte das Bundesinnenministerium von einer „mittleren vierstelligen Zahl“ gesprochen. In vielen Fällen erschweren strenge Datenschutzbestimmungen eine zeitnahe Identifizierung von Verdachtsmomenten.

Sinn macht das Modell für deutsche Staatsangehörige oder Nichtdeutsche mit verfestigtem Aufenthaltsstatus, die offiziell kein eigenes Einkommen oder Vermögen besitzen. Die Anerkennung einer Vaterschaft ist – wie vom Gesetzgeber auch gewollt – nicht mit großem Aufwand oder ausgeprägten Nachweispflichten verbunden. Auch bereits für ungeborene Kinder ist die Anerkennung einer Vaterschaft möglich.

Die freiwillige Willenserklärung erfordert lediglich eine Zustimmung der Mutter oder – falls dieser die gesetzliche Sorge nicht zusteht – des Kindes selbst.

Zur Wirksamkeit der Erklärung ist eine öffentliche Beurkundung erforderlich. Diese kann durch Amtsgerichte, Standesämter, Notariate, diplomatische Auslandsvertretungen oder Jugendämter erfolgen.

Strenger Datenschutz erschwert Identifikation von Verdachtsmomenten

Im Fall der systematischen Anerkennung von Scheinvaterschaften besteht das Geschäftsmodell darin, dass entweder der Scheinvater selbst oder ein Vermittler von den Müttern dafür einen höheren Geldbetrag kassiert. Im Verdachtsfall eines bandenmäßigen Vorgehens mit Bezug zu Vietnam soll es ein Handgeld an Obdachlose für die Anerkennung gegeben haben.

Die Kinder eines deutschen Staatsangehörigen erlangen durch die Anerkennung der Vaterschaft die deutsche Staatsangehörigkeit – die Mütter und möglicherweise Geschwister aufgrund des Familiennachzugs ein Aufenthaltsrecht. In vielen Fällen beziehen die Betroffenen in Deutschland Sozialleistungen.

Die offizielle Vermögenslosigkeit des Scheinvaters ist erforderlich, weil andernfalls mit der Vaterschaftsanerkennung auch Unterhaltspflichten verbunden wären. In einigen Verdachtsfällen melden Standesämter, Jugendämter und Konsularbeamten den Sachverhalt an die Ausländerbehörden.

Da es in Deutschland aus Datenschutzgründen kein zentrales Personenstandsregister gibt, können die meisten zur Beurkundung ermächtigten Stellen gar nicht einsehen, wie viele Kinder ein Antragsteller bereits anerkannt hat. Möglich wäre dies nur Ausländerbehörden. Allerdings werden die meisten Beurkundungen durch Notare vorgenommen.

Bundesjustizministerium arbeitet an Gesetzentwurf gegen Scheinvaterschaften

Grundsätzlich untersagt Paragraf 1597a BGB die missbräuchliche Anerkennung einer Vaterschaft. Anfechtungsberechtigte wäre allenfalls die Mutter, das Kind oder der tatsächliche oder mutmaßliche Vater.

Wo diese allerdings kein Interesse daran haben, wird die Anerkennung der Vaterschaft maximal fünf Jahre nach der Eintragung in ein Personenstandsregister unanfechtbar.

Zuvor kann eine zur Beurkundung befugte Stelle nur diese im Fall begründeter Zweifel verweigern. Dies setzt jedoch voraus, dass diese rechtzeitig Kenntnis von Faktoren erlangt, die tatsächliche Anhaltspunkte für ein solches Vorgehen darstellen.

Im Jahr 2013 erklärte das Bundesverfassungsgericht einen früheren Passus für rechtswidrig, der eine behördliche Anfechtung ermöglicht hatte. Im Wesentlichen bemängelten die Richter in Karlsruhe, dass die damalige Regelung als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit zulasten der anerkannten Kinder anzusehen wäre.

Auch eine strafrechtliche Verfolgung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkenntnisse wegen Betrugs oder Verletzung der Unterhaltspflicht scheitert häufig an der fehlenden Anfechtbarkeit.

Wie die „Tagesschau“ berichtete, soll das Bundesjustizministerium auf Drängen der Länder an einem Gesetzentwurf arbeiten, um bestehende Lücken zu schließen.



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