Schärfere Corona-Regeln der Länder und viele Proteste im ganzen Land
Deutschlandweit greifen ab heute härtere Maßnahmen. Strengere Kontaktbeschränkungen gelten nun auch in Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Andere Länder hatten wegen der ansteckenden, aber weniger gefährlichen Omikron-Variante, ähnliche Maßnahmen bereits zuvor umgesetzt. Bund und Länder hatten sich vor Weihnachten darauf verständigt, spätestens ab dem 28. Dezember das private und öffentliche Leben weiter einzuschränken. Die Umsetzung der Regeln lag in Länderverantwortung.
Zehntausende demonstrieren
Wegen der erneuten Verschärfung der Corona-Beschränkungen gingen am Montagabend Zehntausende Menschen in vielen deutschen Städte auf die Straße.
In Schwerin versammelten sich am Montagabend trotz Kälte und glatten Wegen nach Polizeiangaben etwa 2700 Menschen, um ihren Unmut gegen die andauernden Einschränkungen und Pläne der Bundesregierung für eine Impfpflicht deutlich zu machen. Auch in Rostock versammelten sich mehrere Tausend Demonstranten.
In Magdeburg zogen nach ersten Angaben der Polizei rund 5000 Menschen vom Domplatz aus durch die Stadt. In Halle sprach ein Polizeisprecher von rund 1500 Demonstranten. Auch in weiteren Städten von Sachsen-Anhalt sind Proteste gegen Corona-Maßnahmen angekündigt.
Auch in zahlreichen Thüringer Orten wird wieder demonstriert. Allein in Gera gingen am Abend rund 2000 Menschen auf die Straße, wie eine Polizeisprecherin sagte. Im benachbarten Altenburg waren es 1300 Menschen. Größere Ansammlungen oder Aufzüge mit mehreren Hundert Beteiligten gab es auch in Stadtilm, Hermsdorf, Saalfeld und Eisenach. Insgesamt sei in 60 Orten zu Protesten aufgerufen worden.
In Saarbrücken und Fulda in Hessen demonstrierten nach Polizeiangaben jeweils rund 1000 Menschen. Protestmärsche gab es in weiteren hessischen Städten. In Ravensburg in Baden-Württemberg sprach die Polizei von mehreren Hundert Teilnehmern, auch in Mannheim und Pforzheim gibt es Demonstrationen.
Vierstellige Teilnehmerzahlen meldeten die Behörden auch aus Halberstadt, Wittenberg, Bitterfeld, Ravensburg, Braunschweig, Kaiserslautern und Koblenz.
Verletzte Polizisten in Bautzen
Im ostsächsischen Bautzen verletzten einige Krawallmacher unter den sonst friedlichen Demonstranten nach Angaben der Polizei mehr als zehn Einsatzkräfte und beschädigten einige Fahrzeuge. Als die Beamten einen Aufzug stoppen wollten, seien sie „massiv“ mit Feuerwerkskörpern und Flaschen beworfen worden. Die meisten der verletzten Polizisten erlitten demnach ein Knalltrauma. Insgesamt hätten sich etwa 500 bis 600 Menschen versammelt, wobei im vorderen Drittel der Demonstrationszüge „Personen eher dem extremistischen Spektrum zuzuordnen“ gewesen seien.
In Pirmasens griffen zwei Teilnehmer einer Versammlung Einsatzkräfte an. Einer der beiden Angreifer war zuvor laut Polizei auf die Pflicht zum Tragen einer Maske hingewiesen worden. Drei Beamte seien leicht verletzt worden. Auch in Mannheim und Ravensburg kam es nach Polizeiangaben zu Ausschreitungen. Überwiegend verliefen die Proteste aber friedlich.
Polizeiarbeit leidet unter hohem Aufwand für Demos
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht ihre Kollegen durch die vielen Proteste stark belastet. Der hohe Aufwand erfordere unter Umständen, „andere polizeiliche Aufgaben zu vernachlässigen, zum Beispiel bei der Verkehrsüberwachung“, sagte der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstag). Malchow fürchtet, dass dadurch Vertrauen in die Ordnungskräfte verloren gehe und „die Polizei noch mehr zum Blitzableiter für verärgerte Bürger wird“.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte von Polizei und Justiz ein konsequentes Vorgehen gegen Menschen, die auf Demonstrationen gegen Gesetze verstoßen. „Der Staat muss bei den Impfgegner-Demos klare Kante zeigen. Die eine oder andere Radarkontrolle ist da weniger wichtig“, sagte Landsberg der „Rheinischen Post“.
Debatte um Corona-Impfpflicht
Auf besonders viel Unmut stößt bei vielen Demonstranten das Ansinnen einer Corona-Impfpflicht, über die der Bundestag im Januar erstmals beraten will. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, lehnt diese ab. Die KBV halte „die zeitnahe Erstellung eines zentralen Registers zur Vorbereitung einer möglichen Corona-Impfpflicht für unrealistisch“, sagte Gassen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der Aufbau würde „Monate, vielleicht auch Jahre dauern“. Auch seien viele Fragen ungeklärt. „Wenn am Ende des Tages nicht nennenswert mehr Leute geimpft werden, bringt die Impfpflicht außer massivem Ärger, aggressiven Demonstrationen und einer Klageflut nicht viel“, sagte Gassen.
Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, sprach sich dagegen für eine allgemeine Impflicht aus. „Wir alle lernen in dieser Pandemie ständig dazu – und inzwischen stehe ich der allgemeinen Impfpflicht positiv gegenüber“, sagte sie der „Rheinischen Post“.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr ist nach eigenen Worten noch unentschlossen. „Mögliche Impfpflichten wirken allerhöchstens mittelfristig. Kurzfristig sind sie kein wirksames Mittel“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag). Derzeit gebe es eine sehr hohe Impfbereitschaft in der Bevölkerung. „Die sollte man jetzt erst einmal vorrangig nutzen.“ Angedacht ist, dass der Bundestag ohne Fraktionszwang über eine mögliche Einführung abstimmt. (dpa/afp/dts/oz)
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