Logo Epoch Times
plus-iconHubschrauber-Ausschreibung

Schadensersatzklagen: Verteidigungsministerium verschätzt sich um fünf Milliarden Euro

Das Verteidigungsministerium muss einem Gerichtsurteil zufolge ein Vergabeverfahren über einen Auftrag zur Beschaffung von Hubschraubern für die Bundeswehr nicht fortführen. Der Wermutstropfen: Es drohen Schadensersatzklagen, weil man falsch kalkuliert hat.

top-article-image

Annegret Kramp-Karrenbauer.

Foto: Andreas Gora - Pool/Getty Images

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 5 Min.

Im September 2020 war es zwischen dem deutschen Verteidigungsministerium und den US-Konzernen Lockheed Martin und Boeing zu Verstimmungen gekommen, nachdem das Vergabeamt eine Ausschreibung über die Lieferung von Schwerlasthubschraubern für die Bundeswehr gestoppt hatte.
Wie die „Welt“ berichtet, hat die Vergabekammer des Bundeskartellamts jüngst entschieden, dass der Bieterwettbewerb nicht weiter fortgeführt werden muss. Für Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ist das allerdings nur bedingt eine gute Nachricht.
Zum einen steht die Truppe weiterhin ohne die von ihr benötigten Geräte da. Zum anderen drohen Schadensersatzklagen der Bieter, weil deren Preisvorstellungen zwar deutlich über den Erwartungen des Vergabeamtes angesiedelt waren – was allerdings nicht ihr Verschulden gewesen sei.
In den Entscheidungsgründen hieß es wörtlich, dass „die durch die Bundeswehr vorgenommene Schätzung der Beschaffungskosten für die Hubschrauber“, die Grundlage für die Beantragung der Haushaltsmittel gewesen sei, „nicht nachvollziehbar dokumentiert war“.
Man könnte, wie aus den Ausführungen der Entscheidungsinstanz hervorging, auch von einer Fehlkalkulation sprechen.

Verteidigungsministerium hätte aus zwei Modellen auswählen können

Das Ministerium ging von maximal 5,6 Milliarden Euro an Kosten für die Anschaffung von 44 bis 60 Hubschraubern aus und beantragte beim Bundestag entsprechend Mittel in dieser Höhe. Zur Auswahl standen im Bieterverfahren die Modelle CH-53K King Stallion von Lockheed-Martin-Tochter Sikorsky und das CH-47 Chinook-System von Boeing.
Für das Lockheed-Modell sprach unter anderem, wie der „Behörden-Spiegel“ analysierte, dass es sich um ein relativ junges Produkt handelte, das gerade erst in Serie gegangen sei und deshalb voraussichtlich noch für 30 weitere Jahre produziert werden würde. Allerdings gilt das Gerät als weniger geländeschonend als vergleichbare.
Der Chinook hingegen sei kampferprobt, biete ein gutes Preis-/Leistungs-Verhältnis und sei auch günstig in der Wartung und Pflege. Allerdings geht die Urform des Modells bereits auf das Jahr 1966 zurück und es ist nicht abzusehen, ob sich das Modell auch perspektivisch gegenüber Neuentwicklungen behaupten kann.

Konzerne investierten Millionenbeträge in die Ausschreibung

Das Vergabeamt hätte sich zwischen beiden entscheiden können – allerdings nicht zu dem Preis, den das Verteidigungsministerium erwartet hatte. Die beiden Angebote wären in etwa doppelt so teuer gewesen.
Dass die Diskrepanz zwischen Anforderung und Angebot so drastisch ausfallen würde und sich kein Weg fand, die divergierenden Vorstellungen miteinander in Einklang zu bringen, gab am Ende den Ausschlag für das Ministerium, den Vergabeprozess zu stoppen.
Die US-Unternehmen hatten der „Welt“ zufolge zu diesem Zeitpunkt bereits zweistellige Millionenbeträge in die Gestaltung und Präsentation der Angebote investiert. Das Verhandlungsverfahren habe sich „äußerst komplex und lang“ gestaltet. Nun könnten sie gute Chancen haben, den deutschen Staat zu Rückzahlungen zu verpflichten.

„Ordnungsgemäße Schätzung des Auftragswerts“ unterblieben

Dem öffentlichen Auftraggeber steht es grundsätzlich zu, eine Ausschreibung zurückzuziehen, wenn seine Vorstellungen und die der Bieter zu weit auseinanderliegen.
Allerdings gibt es dafür Regeln und wenn der Auftraggeber diese nicht einhält, drohen Schadensersatzansprüche – und ein unvorteilhafter Eindruck auf dem Markt, der bei neuerlichen Ausschreibungen potenzielle Bieter von Angeboten Abstand nehmen lassen könnte.
Um rechtmäßig aus dem Vergabeprozess auszusteigen, wäre es der Vergabekammer zufolge für das Ministerium erforderlich gewesen, die Kostenschätzung „methodisch vertretbar“ und so auszugestalten, dass „die zu erwartenden Kosten nachvollziehbar und umfassend“ aufgeführt würden.
In diesem Fall wäre es dem Auftraggeber möglich gewesen, den geforderten Beweis dafür zu erbringen, dass „auch das wirtschaftlichste Angebot erheblich über dem Preis liegt, der nach einer ordnungsgemäßen Schätzung des Auftragswerts ermittelt worden ist“.

Sonderausstattung gewollt – Basispreise kalkuliert

Diesen Anforderungen, so entschied die Vergabekammer, sei der Bund jedoch nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Man habe sich vielmehr um fünf Milliarden Euro verschätzt – und diese Diskrepanz nicht hinreichend erklären können.
Insbesondere habe das Ministerium einen 1.900 Seiten umfassenden Katalog vorgelegt, der zahlreiche Sonderwünsche bezüglich der Ausstattung enthalten hätte. In der Kalkulation jedoch sei mit den Preisen für Standardmodelle operiert worden.
 

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.

Bitte einloggen, um einen Kommentar verfassen zu können