Sachsen: Sturz der SPD unter Fünf-Prozent-Hürde möglich

Die SPD kämpft in Sachsen am 1. September um das politische Überleben. Ein Wiedereinzug in den Landtag ist alles andere als sicher. Vor allem mit ihrer Ukrainepolitik im Bund stößt die Sozialdemokratie im Freistaat immer stärker auf Gegenwind.
Dresden: Beim Wahlkampfauftakt der Sachsen-SPD verspricht Bundeskanzler Scholz eine sichere Rente.
Dresden: Beim Wahlkampfauftakt der Sachsen-SPD verspricht Bundeskanzler Scholz eine sichere Rente.Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Von 21. Juli 2024

Während Sachsen in der Weimarer Zeit zu den Kerngebieten der Sozialdemokratie zählte, stand die SPD nach der Wiedervereinigung dort erst im Schatten der CDU. Diese erzielte unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf absolute Mehrheiten und war bis in die 2000er-Jahre die bestimmende Kraft.

Schon 1994 zog im Freistaat die damalige PDS bei den Landtagswahlen mit der Sozialdemokratie gleich. Fünf Jahre später hatten die Sozialisten die Mitte-links-Konkurrenz um zwölf Prozentpunkte abgehängt.

Damit war der Albtraum für die mittlerweile auf etwa zehn Prozent zurückgefallene Sozialdemokratie nicht vorbei. Zwar konnte sie 2004 ihren dritten Platz knapp gegenüber der rechtsextremistischen NPD verteidigen. In den weiteren Jahren wurde die Partei allerdings noch weiter durchgereicht und landete 2019 nicht nur 20 Prozentpunkte hinter der AfD, sondern sogar hinter den Grünen.

Koalition ohne AfD, SPD, Grüne?

Ausgerechnet der AfD hat die SPD es in Sachsen jedoch zu verdanken, dass sie politisch dennoch Einfluss auf Landesebene behält. Da die CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss nicht nur gegenüber der AfD, sondern auch gegenüber der Linkspartei hat, war sie zur Mehrheitsbildung auf Grüne und Sozialdemokraten angewiesen.

Vieles spricht dafür, dass die SPD auch nach den bevorstehenden Landtagswahlen für ein Regierungsbündnis gebraucht wird – vorausgesetzt, sie kommt noch über die Fünf-Prozent-Hürde. Derzeit liegt die Partei zwischen fünf und sieben Prozent, allerdings mit fallender Tendenz. Die CDU könnte mit leichtem Rückstand auf die AfD ein Ergebnis zwischen 29 und 30 Prozent erwarten.

Die Linkspartei wird allen jüngsten Prognosen erstmals nicht mehr im Dresdner Landtag vertreten sein, ebenso wenig wie die FDP. Stattdessen kann die Wagenknecht-Partei BSW auf Anhieb mit einem deutlich zweistelligen Ergebnis rechnen.

Die Grünen dürften mit sechs Prozent zwar den Wiedereinzug schaffen. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und das BSW haben jedoch eines gemeinsam: Sie wünschen sich für die kommende Legislaturperiode eine Regierung ohne diese.

Grundmandat als möglicher Rettungsanker

Ein potenzieller Rettungsanker für Parteien ist die in Sachsen geltende Grundmandatsklausel. Vor allem SPD, Grüne oder sogar die Linkspartei könnten sich über zwei Direktmandate in den Landtag retten.

Stimmkreise in Dresden und Leipzig könnten diesbezüglich zum potenziellen Rettungsanker werden. Allerdings kämpfen alle drei Parteien dort gleichzeitig um die rettenden Direktmandate – sodass es auch für keinen von ihnen reichen könnte.

Am Ende wird die Zahl der noch im Landtag vertretenen Parteien entscheiden, ob weiterhin ein Dreierbündnis erforderlich sein wird – oder CDU und BSW ohne weiteren Koalitionspartner eine Mehrheit hätten. Die CDU scheint bezüglich der Frage, ob sie die SPD weiterhin im Kabinett haben möchte, indifferent zu sein.

Sie setzt zunehmend auf eine Wahlkampfstrategie, die schon 2021 in Sachsen-Anhalt aufgegangen war. Schon damals hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff um Leihstimmen aus den Reihen von SPD und FDP geworben mit dem Argument, dass sich so ein erster Platz der AfD verhindern ließe. Sogar CDU-Bundeschef Friedrich Merz selbst rief im ZDF-Sommerinterview Ampelwähler mit dieser Argumentation zur Wahl der Union auf.

Homann: CDU hat sich für „Leihstimmen“ nicht erkenntlich gezeigt

Für die SPD könnte dies jedoch ein Ergebnis unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bedeuten. Auch deshalb warnten sowohl Spitzenkandidatin Katja Köpping als auch Landeschef Henning Homann vor taktischem Wählen. Köpping äußerte auf der Wahlkampfkundgebung in Dresden am Samstag, 20. Juli, es sei wenig relevant, wer am 1. September stimmenstärkste Partei werde:

Es kommt darauf, dass wir eine stabile Koalition bilden können. Und dafür braucht es uns.“

Homann wirft der CDU vor, bereits vor fünf Jahren von SPD-Sympathisanten erhaltene „Leihstimmen“ verwendet zu haben, um gegen deren Interessen zu agieren. Dies habe sich in der Lohnpolitik ähnlich ausgewirkt wie beim Personal für Schulen. Es wäre ein Fehler, aus Angst vor der AfD als stimmenstärkster Kraft im Land die CDU zu wählen.

Köpping: Bundespolitik schadet der SPD im Freistaat

Bereits im Januar hatte Ministerin Köpping die Bundespolitik als Hemmschuh für ein gutes SPD-Ergebnis in Sachsen beklagt. Derzeit ist es primär die Außenpolitik, die der Partei vor allem in den neuen Bundesländern schadet.

Waffenlieferungen in die Ukraine und Sanktionen gegen Russland stoßen vor allem hier auf Gegenwind. Über diese entscheidet zwar nicht der Landtag, viele Wähler machen ihre Wahlentscheidung dennoch von der Position der Parteien dazu abhängig.

Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigt auf dem Dresdner Schlossplatz seinen Kurs. „Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden“, beschwört er – während nicht wenige im Publikum an den Kosovo-Krieg denken, wo genau das mit Unterstützung der NATO geschehen war.

Man werde die Ukraine weiter unterstützen, aber auch eine diplomatische Lösung anstreben. Immerhin sei auch der ukrainische Präsident für eine Beteiligung Russlands an einer weiteren Friedenskonferenz offen.

Man wäge stets ab und erfülle der Ukraine nicht jeden Wunsch, versichert Scholz auf dem Schlossplatz in der sächsischen Landeshauptstadt. Er unterstreicht, dass es in der NATO einen Konsens gebe, nicht selbst zur Kriegspartei zu werden. Im Publikum scheint unterdessen nicht jeder davon überzeugt zu sein, dass der Westen darüber die vollständige Kontrolle behalten könne.

In Sachsen macht es nicht nur Scholz mit seiner Position der SPD nicht leichter. Neben der AfD und dem BSW, die sich klar gegen die Ukrainepolitik des Bundes wenden, gilt auch Ministerpräsident Kretschmer als Gegner einer feindseligen Politik gegenüber Russland.



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