Russische Justiz ordnet Auflösung der Menschenrechtsorganisation Memorial an

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Der Oberste Gerichtshof Russlands ordnet die Auflösung der Dachorganisation des russischen Menschenrechtsnetzwerks Memorial am 28. Dezember 2021 an.Foto: NATALIA KOLESNIKOVA/AFP via Getty Images
Epoch Times28. Dezember 2021

Der Oberste Gerichtshof Russlands hat die Auflösung der Dachorganisation der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial angeordnet. Das wurde am Dienstag nach der letzten Anhörung im entsprechenden Verbotsverfahren bekannt.

Memorial kündigte an, gegen das Urteil vorzugehen und nach „rechtlichen Mitteln“ zu suchen, um die Arbeit fortzusetzen. International traf das Urteil auf scharfe Kritik, die Bundesregierung bekundete ihr Unverständnis und äußerte sich besorgt.

Offiziell ging es in dem Auflösungsverfahren gegen Memorial um angebliche „grobe“ Verstöße gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz von 2012: Organisationen, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, müssen sich in ein Staatsregister als „ausländische Agenten“ eintragen lassen und all ihre Veröffentlichungen mit dieser Kennzeichnung versehen. Memorial ist in Russland seit 2016 als „ausländischer Agent“ registriert.

Gegründet wurde Memorial während der von Michail Gorbatschow eingeleiteten Perestroika Ende der 1980er Jahre, ihr erster Vorsitzender war der sowjetische Dissident und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow. Mit ihrer Partnerorganisation, dem Menschenrechtszentrum Memorial, setzt sie sich für die Aufarbeitung der politischen Verfolgung und des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion, aber auch für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte im heutigen Russland ein.

In ihren Schlussplädoyers warf die Staatsanwaltschaft Memorial am Dienstag vor, ein falsches Geschichtsbild zu vermitteln. Memorial habe ein „falsches Bild der UdSSR als einem Terrorstaat“ geschaffen und „die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg verunglimpft“.

Organisationen verurteilen Auflösung von Memorial

Die Menschenrechtsorganisation war 1988 gegründet worden. Sie besteht aus über 80 Organisationen in Russland sowie anderen Staaten im Ausland. Die Organisation stand schon länger unter dem Druck russischer Behörden. Das Verbotsverfahren war von Protesten begleitet worden.

Stiftungen, Menschenrechtsorganisationen und Forschungsstätten in Deutschland haben bestürzt auf das Verbot der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial International reagiert.

Memorial sei das „moralische Rückgrat der russischen Zivilgesellschaft“, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung, die unter anderem von Amnesty International Deutschland und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur unterzeichnet wurde. Die Zwangsauflösung der Organisation sei ein „schwerer Schlag für die russische Gesellschaft, die Gesellschaften seiner Nachbarstaaten und für ganz Europa“.

Deutschland: Auflösung von Memorial „unverständlich“

Die Bundesregierung hat die gerichtlich angeordnete Auflösung von Memorial als „mehr als unverständlich“ kritisiert. Die Anordnung des Gerichts „widerspricht internationalen Verpflichtungen zum Schutz grundlegender Bürgerrechte, die auch Russland eingegangen ist“, erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Dienstag. „Die Entscheidung bereitet uns nicht zuletzt große Sorge auch deshalb, weil sie den Opfern von Unterdrückung und Repression die Stimme entzieht.“

Memorial leiste als Teil eines internationalen Netzwerks „einen unverzichtbaren Beitrag zur Erforschung, Dokumentation und Verhütung von schweren Menschenrechtsverletzungen und ist damit auch Ausdruck unseres gemeinsamen europäischen Selbstverständnisses, Verstöße gegen Menschenrechte klar zu benennen und aufzuarbeiten“, erklärte die Sprecherin. (dts/afp/dl)



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