Rotes „Feigenblatt“, grüne „Zeitenwende“ und die „größte Aufgabe der 20er-Jahre“
Während im ZDF am Sonntagabend ab 20:15 Uhr die drei Kanzlerkandidaten von Union, SPD und den Grünen um die Gunst der Wähler im TV-Triell kämpften, stritten sich im Anschluss bei „Anne Will“ ranghohe Parteikollegen von Laschet, Scholz und Baerbock für ihre Kandidaten.
Mit dabei waren beim ARD-Sonntagstalk unter anderem CDU-Vize und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Marie-Luise „Malu“ Dreyer (SPD), die offenbar für die SPD-Co-Chefin Saskia Esken als Ersatz gekommen war, und für die Grünen deren Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.
Abgerundet wurde das Polit-Battle durch „Welt“-Vize-Chefredakteur Robin Alexander, WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni und die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch vom Wissenschaftsrat der Bundesregierung.
Versteckt die SPD ihre Linke-Befürworter?
Neben statistischen Fragen, wie welcher Kandidat sich besser dargestellt hat und welcher sympathischer war, wurden auch knallharte Fragen behandelt.
Zuvor im TV-Triell hatte sich NRW-Ministerpräsident und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet deutlich gegen mögliche Bündnisse mit der AfD und der Linkspartei ausgesprochen. Dieses Thema griff CDU-Vize Jens Spahn in der Talkrunde erneut auf und warf sowohl der Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock als auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat vor, erneut keine deutliche Absage an eine mögliche Koalition mit der Linkspartei abgegeben zu haben.
Mehr noch, Spahn attackierte in diesem Zusammenhang Frau Dreyer von der SPD. Es erging der Vorwurf, dass die Sozialdemokraten in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl versuchen, dieses Thema zu umgehen.
„All diejenigen, die gerne mit der Linkspartei koalieren wollen, werden in den letzten zwei, drei Wochen versteckt“, sagte Spahn und spielte damit auf die kurzfristige Absage von Saskia Esken für die ARD-Talksendung an. Die Rheinland-Pfalz-Ministerpräsidentin wies den Vorwurf als „unverschämt“ zurück, gab aber keinen Hinweis auf den Grund der Absage von SPD-Co-Chefin Esken.
Im Raum stand aber weiterhin die Frage, da es bei Esken offenbar nicht an terminlichen oder sonstigen Schwierigkeiten gelegen hatte, nicht zur Sendung zu kommen. Robin Alexander von der „Welt“ konnte hier mit Informationen weiterhelfen: „Sie ist hier, ich habe sie an der Pommesbude getroffen.“
Das „Feigenblatt“ der Vorsitzenden
Ein weiterer Streitpunkt von Spahn und Dreyer war die Razzia im Finanzministerium wegen Informationen zu einem Geldwäscheskandal im Zusammenhang mit der zum Zoll gehörenden und dem Finanzministerium unterstellten Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) und dem CumEx-Skandal.
Dann kam Spahn „zu dem eigentlichen Problem von Olaf Scholz und der SPD“. „Wer wird denn den Kurs dieser SPD bestimmen: Olaf Scholz oder die Vorsitzenden?“ Scholz sei „Feigenblatt“ einer linken SPD um die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, so der Gesundheitsminister.
Die grüne „Zeitenwende“ und die „alte Welt“
Im weiteren Verlauf erging sich die Thematik über das Klima und die Herausforderungen für die Zukunft. Katrin Göring-Eckardt griff zunächst die fast schon apokalyptische Argumentation von Annalena Baerbock zuvor im Triell auf. Es stimme, dass dies die letzte Bundesregierung sein werde, die der Klimakrise noch etwas entgegensetzen könne.
Auch sprach sie von einer „Zeitenwende“ und warf Spahns Ansätzen zur Ankurbelung der Wirtschaft durch Förderung von Innovation und Vermeidung von Steuererhöhungen vor: „Das ist alles alte Welt.“ Man sei jetzt in einer anderen Phase, in der man auf eine neue Situation Antworten geben müsse.
Spahn wollte zunächst einmal feststellen, dass es Deutschland aus seiner Sicht ziemlich gut gehe im Vergleich mit den meisten anderen Ländern auf der Welt. Man habe Probleme, die man lösen müsse, man habe Aufgaben, die wahrscheinlich größer seien als in den beiden Jahrzehnten zuvor. „Aber dieses Land als ‚Schlamassel‘ zu bezeichnen, finde ich eigentlich ziemlich gewagt“, wobei Spahn auf Göring-Eckardts Vorwurf reagierte.
Größte Aufgabe: Abhängigkeit von China verringern
Gerade auch die Pandemie hatte laut Spahn gezeigt, wo man stark sei und auch, wo man besser werden müsse. Als Beispiele nannte der CDU-Vize die Digitalisierung der Verwaltung. Spahn sprach aber noch ein anderes wichtiges Thema an, eines, das er als die wichtigste Aufgabe der 20er-Jahre einstufte: „Wir haben gesehen: Wir sind zu abhängig von China.“
Das sei auch das, was Armin Laschet meine. „Das ist übrigens eine Jahrzehntaufgabe“, so Spahn. Dabei meinte der Minister nicht nur den Verkauf von Autos, sondern auch die Frage nach bestimmten Technologien: „Stellen Sie sich mal eine Welt vor, wo Impfstoff nur in China entwickelt worden wäre und wir müssten jetzt bei diesem Regime betteln.“
Eine Schwäche der Demokratie?
Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch von der Bundeswehruniversität München verwies noch auf eine Problematik. Man werde keine Zustimmungswerte wie früher mehr von über 40 Prozent bei den beiden großen Parteien erleben.
„Das Parteiensystem hat sich ganz dramatisch verändert“, so die Professorin. Das sehe man auch in anderen europäischen Staaten. Das führe unter Umständen auch zu einem Teufelskreislauf. Es sei schwierig, nach einer Wahl eine Regierung zu bilden, erklärte Münch, es sei so schwierig, zu Mehrheiten zu kommen.
Dann müssten große Koalitionen, möglicherweise Dreier-, Viererkoalitionen gebildet werden und man müsse Kompromisse machen. „Und auf einmal sind alle Wähler unzufrieden, weil sie das, was sie eigentlich gesucht haben – nämlich ein klares Profil – natürlich in so einer Koalitionsregierung nicht mehr finden.“
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