Reiner Haseloff soll für die CDU die Eisen aus dem Feuer holen

Reiner Haseloff steht seit 2011 an der Spitze der Landesregierung in Sachsen-Anhalt, zunächst in Koalition mit der SPD, seit 2016 im Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen. Kann er im Juni noch einmal das Vertrauen der Wähler gewinnen?
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Reiner Haseloff (CDU).Foto: Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Epoch Times21. Mai 2021

Reiner Haseloff will es noch einmal wissen. Bei der Landtagswahl am 6. Juni soll der 67-Jährige für die CDU die Eisen aus dem Feuer holen und die Staatskanzlei verteidigen. Die Chancen für Haseloff auf eine dritte Amtszeit als Ministerpräsident stehen gut, auch wenn seine Beliebtheit in der Corona-Krise zuletzt litt. Selbst eine Fortsetzung des eigentlich ungeliebten Kenia-Bündnisses schließt der Pragmatiker nicht aus.

Nach den historischen Niederlagen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März und den derzeit schlechten Umfragewerten für die CDU im Bund steht Haseloff unter besonderer Beobachtung. Die Wahl in Sachsen-Anhalt gilt als letzter Stimmungstest vor der Bundestagswahl im September.

Der eher unscheinbare Haseloff gewann in den vergangenen Jahren als Landesvater zunehmend an Statur. Auch in der Corona-Krise präsentierte sich der promovierte Physiker als Macher mit einem eigenen „Sachsen-Anhalt-Weg“. Zuletzt gewann Haseloffs Stimme als Bundesratspräsident deutlich an Gewicht. Dabei scheute er sich nicht vor offener Kritik etwa an der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit durchgesetzten Bundesnotbremse, die er als „Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnete.

Auch im Machtkampf zwischen CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder um die Kanzlerkandidatur stellte er sich quer und wollte nicht Gremien, sondern Popularitätswerte entscheiden lassen. Dass nun Laschet gekürt wurde, musste die CDU in Sachsen-Anhalt wohl oder übel schlucken.

„Vollblutpolitiker, immer unter Strom“

Haseloff steht seit 2011 an der Spitze der Landesregierung, zunächst in Koalition mit der SPD, seit 2016 im Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen. Wie Merkel ist er promovierter Physiker. Und ähnlich wie sie gilt er nicht gerade als begabter Redner. Seine Frau beschreibt ihn als „Vollblutpolitiker, immer unter Strom“.

Zu DDR-Zeiten arbeitete Haseloff in der Umweltforschung. Nach der Wende startete der zweifache Vater und mehrfache Großvater seine politische Karriere auf kommunaler Ebene. Bis 2002 war er Direktor des Arbeitsamts Wittenberg, bevor er als Staatssekretär in das Wirtschaftsministerium nach Magdeburg wechselte. Vier Jahre später rückte der Katholik an die Ministeriumsspitze und 2011 auf den Sessel des Regierungschefs.

In den vergangenen Jahren gewann Haseloff, der als pragmatisch und fleißig gilt und die Beatles ebenso mag wie AC/DC, deutlich an Beliebtheit. Doch nicht nur die Corona-Krise fordert dem 67-Jährigen alles ab. Ein ums andere Mal drohte auch der Kenia-Koalition, die seit 2016 ohnehin auf eher wackeligen Beinen stand, der Bruch.

Mal gerieten CDU und Grüne wegen ökologischer Themen aneinander. Mal stürzten Christdemokraten mit Annäherungsversuchen an die AfD die Koalition in Turbulenzen. Ende vergangenen Jahres geriet die Kenia-Koalition in eine schwere Regierungskrise, weil die CDU sich vehement gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags stemmte und Teile der Partei auch ein gemeinsames Veto mit der AfD in Kauf nahmen. Den ganz großen Knall konnte Haseloff gerade noch abwenden.

Seinem Innenminister, CDU-Landeschef und potenziellen Nachfolger Holger Stahlknecht kostete das die Ämter. Haseloff warf ihn aus dem Kabinett, nachdem Stahlknecht für den Fall eines Koalitionsbruchs eine CDU-Minderheitsregierung ins Spiel gebracht hatte, die praktisch auch auf Stimmen der AfD angewiesen wäre.

Die AfD ist und bleibt für Haseloff eine rote Linie. Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD wie auch mit der Linkspartei ist für den Ministerpräsidenten undenkbar.

Eine Fortsetzung der Kenia-Koalition, die vor fünf Jahren als einzig mögliches Zweckbündnis jenseits der starken AfD zusammenfand, schließt Haseloff dagegen nicht komplett aus. Eine Zusammenarbeit zwischen CDU, SPD und Grünen sei „eine Option, die funktioniert“, sagte er jüngst in Magdeburg. Dass das Bündnis die fünf Jahre überstand, ist sicher auch ein Verdienst des Pragmatikers und Krisenmanagers Haseloff.

Mehr Zeit für Ministerpräsidentenwahl in Sachsen-Anhalt

Für die Wahl des Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt gibt es anders als bei vorangegangenen Landtagswahlen diesmal mehr Zeit. Mit einer Parlamentsreform wurde im vergangenen Jahr auf Antrag von CDU, Linken, SPD und Grünen auch die Landesverfassung geändert. Im Zuge dessen wurde die bisherige Frist von zwei Wochen gekippt.

Die Landesverfassung vom Juli 1992 hatte in Artikel 65 Absatz zwei bisher vorgeschrieben, dass der erste Wahlgang zur Wahl des Ministerpräsidenten „innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Zusammentritt des Landtages stattfinden muss“. Diese Frist wurde gestrichen.

In der Begründung des Entwurftexts hieß es, „diese Frist könnte sich in bestimmten politischen Konstellationen als zu kurz erweisen, insbesondere dann, wenn Koalitionsverhandlungen einen längeren Zeitraum beanspruchen“. Verwiesen wurde dabei auf Erfahrungen „auf Bundesebene und in einer Reihe von Ländern in den letzten Jahren“.

Zudem wird der Landtag in der neuen Wahlperiode erneut verkleinert – von aktuell 87 auf dann 83 Abgeordnete. Bereits in der vergangenen Legislatur schrumpfte das Parlament. (afp)



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