Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien: 400 Verdachtsfälle bei Landespolizeien
Wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Gesinnung und Verschwörungsideologien stehen derzeit mindestens 400 Polizeibeamte der Länder aktuell im Fokus von Disziplinarverfahren oder Ermittlungen. Das geht aus einer Abfrage von „Stern“ und RTL (Donnerstag) in den 16 Innenministerien der Bundesländer hervor.
Da mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Thüringen vier Bundesländer keine aktuellen Zahlen liefern konnten, dürfte die tatsächliche Zahl deutlich höher liegen.
Berlin meldete 96 Vorgänge, ohne Unterscheidung in „rechts“ oder „links“
Berlin meldet 96 Disziplinarvorgänge gegen Polizeibeamte in Bearbeitung, kann aber keine Auswertung nach Bereichen wie etwa „rechts“ oder „links“ vornehmen.
Mecklenburg-Vorpommern meldet aktuelle Zahlen erst im dritten Quartal. Baden-Württemberg meldet lediglich den Stand zum 31. Dezember 2023. Andere Länder wie Bremen und Thüringen machen keine Angaben dazu, ob Verfahren und Ermittlungen gegen Polizisten bereits abgeschlossen sind oder noch laufen.
„Polizistinnen und Polizisten, die nicht auf dem Boden der Verfassung stehen, sondern extremistische Ansichten verfolgen, sind eine große Gefahr für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul „Stern“ und RTL. „Diese Menschen will ich nicht bei der Polizei haben.“
Bedrohungspotential im Dienst
Der unlängst in den Dienst getretene Polizeibeauftragte des Bundes beim Deutschen Bundestag, Uli Grötsch (SPD), sieht ebenfalls ein enormes Bedrohungspotenzial.
„Wir leben in Zeiten, in denen von Rechtsextremen gezielt versucht wird, die Polizeien zu destabilisieren“, sagt er. „Die Gefahr ist so groß wie noch nie. Für das ganze Land. Und deshalb auch für die Polizeien.“
Ermittlungen wegen möglicher Extremisten in den Reihen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern gibt es seit Jahren immer wieder.
Bereits 2022 hatte das Bundesinnenministerium einen Lagebericht dazu veröffentlicht. Damals wurde bekannt, dass binnen drei Jahren 327 Mitarbeiter wegen nachweislicher Bezüge zum Rechtsextremismus oder zur Szene der Reichsbürger aufgefallen waren.
GdP: Disziplinarrecht konsequent anwenden
Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke: „Die Ermittlungen zeigen klar und deutlich, dass in den Reihen der Polizei eine hohe Sensibilität gegenüber extremistischen Umtrieben von Beschäftigten besteht.“ Beamte, die nachgewiesenermaßen rechtsextremistische Haltungen verträten oder Verschwörungserzählungen verbreiteten, hätten in der Polizei nichts zu suchen.
Das Disziplinarrecht müsse daher konsequent angewendet werden. Wichtig sei jedoch ebenso, „dass bei falschen Verdächtigungen die volle Rehabilitation der fälschlich Beschuldigten wieder hergestellt wird“, sagte Kopelke der dpa. Angesichts von rund 330.000 Polizeibeschäftigten von Bund und Ländern sei die Zahl jener, gegen die ermittelt werde, sehr gering.
Als positives Beispiel hob der GdP-Vorsitzende ein Projekt der Polizei Niedersachsen hervor, wo sogenannte Demokratiepaten freiwillig im Einsatz sind. Aufgabe dieser Freiwiligen ist es unter anderem, im polizeilichen Umgang mit populistischen und demokratiegefährdenden Erscheinungen beratend zu wirken. (afp/dpa/red)
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