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Quarantäne bei Inlandsreisen? Politiker kritisieren Regelchaos – Experte warnt vor „Lockdown durch die Hintertür“

Sollen Quarantäne-Regeln auch für Reisen im Inland gelten? Manche Bundesländer haben Reisebeschränkungen eingeführt, manche lehnen das ab. Für die Bürger wird es zusehends undurchsichtiger. Heute wollen die Länder dazu beraten. Experten warnen vor den Folgeschäden der Reisebeschränkungen.

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Eine Reise an die Strände von Sylt. «Ich sehe mit Sorge, wie sich Regelungen der Bundesländer auseinanderentwickeln und ein Flickenteppich entsteht», sagt Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier.

Foto: Christian Charisius/dpa/dpa

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Lesedauer: 5 Min.

Die innerdeutschen Reisebeschränkungen einzelner Bundesländer werden zunehmend zum Problem. Zurzeit gelten in Deutschland nur die Stadt Hamm und Remscheid und die Berliner Bezirke Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg als Risikogebiete. Dennoch haben die Maßnahmen der Länder bereits Auswirkungen auf den Lebensalltag vieler Menschen.
Wie die „Welt“ berichtete, darf Grünen-Chef Robert Habeck aktuell nicht mehr von Berlin in seine Heimatstadt Schleswig-Holstein reisen, seit die Corona-Fall-Zahlen in Berlin-Mitte die von der Bundesregierung festgelegte Grenze überschritten haben. Das Gesundheitsministerium des Landes bestätigte gegenüber der Zeitung, dass auch für Habeck keine Ausnahme gemacht werde.
Anders hingegen sei das beim SPD-Politiker Ralf Stegner, der seinen Sitz im Landtag von Schleswig-Holstein hat und weiterhin ungehindert hin und her pendeln darf. Voraussetzung dafür seien, dass die Sitzungen „alle unter strengen Corona-Auflagen stattfänden“. Für ihn würden die Quarantänevorschriften nicht wie für Habeck gelten.
Die Bundesregierung hat mittlerweile auf die Problematik reagiert, heißt es in einem Kommentar der „BZ“: Abgeordnete sollen von der Quarantänepflicht ausgenommen werden. Das geht aus einem Aktenvermerk des Deutschen Bundestages hervor, aus dem die Süddeutsche Zeitung zitiert.

Schaltkonferenz der Bundesländer am Mittwoch

Politiker und Virologen äußern sich kritisch zum Regelchaos.  Nicht nur in Schleswig-Holstein gibt es Reisebeschränkungen für Personen aus innerdeutschen Risikogebieten, sondern auch in Rheinland-Pfalz. Andere Bundesländer sind weniger streng oder sehen keinerlei Regeln vor.
Am Mittwoch findet eine Schaltkonferenz der Bundesländer zu Corona-Reisevorschriften im Inland statt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte möglichst deckungsgleiche Quarantäne-Regeln aller Länder für Reisende aus deutschen Gebieten mit hohen Corona-Zahlen.
Ähnlich äußerte sich der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU): „Ich sehe mit Sorge, wie sich Regelungen der Bundesländer auseinanderentwickeln und ein Flickenteppich entsteht.“ Heute wollen die Chefs der Staatskanzleien der Länder in einer Schaltkonferenz über das weitere Vorgehen beraten.

FDP sieht Akzeptanz der Corona-Maßnahmen gefährdet

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Christian Lindner, und seine Stellvertreterin Katja Suding erklärten dazu am Dienstagabend: „Diese gegenwärtige Politik von Bund und Ländern gefährdet die Akzeptanz von Corona-Maßnahmen insgesamt. Wir brauchen nun eine regional differenzierte Antwort, die sich am örtlichen Infektionsgeschehen orientiert. Aber die Maßnahmen, die daraus folgen, die müssen bundesweit vergleichbar sein.“
Wegen der Einstufung einiger Kommunen und einzelner Berliner Stadtbezirke als inländische „Risikogebiete“ und damit verbundenen Quarantäneauflagen für Einreisende war zuletzt vor allem Schleswig-Holstein in die Kritik geraten. Auch die Regelung in Rheinland-Pfalz sieht ähnlich aus.
Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen etwa in Berlin hatten die Länder Beschränkungen mit Quarantänevorschriften für Einreisende aus deutschen Gebieten mit sehr hohen Infektionszahlen verhängt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gelten diese Maßgaben, allerdings nicht für einzelne Berliner Bezirke, sondern für die Hauptstadt als Ganzes.
Zentrales Kriterium ist, dass es in einer Region mehr als 50 positiv Getestete pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gibt. Anhand dieser Schwelle stuft die Bundesregierung auch andere Staaten als „Risikogebiete“ für deutsche Urlauber ein. Im Inland haben Bund und Länder vereinbart, dass ab dieser Marke in „besonders betroffenen Gebieten“ örtliche Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Das Vorgehen der Landesregierungen in Kiel und Mainz traf im Vorfeld der Beratungen auch auf Verständnis: „Wir wollen möglichst schnell wieder zum normalen Leben zurückkehren, und das bedeutet, dass wir jetzt bestimmte Dinge nicht machen können“, sagte der SPD-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans der „Bild“.
Die Reiserestriktionen bezeichnete er als „zumutbar“, da diese helfen würden, „möglichst schnell wieder in normale Verhältnisse zu kommen“. Andere Bundesländer weisen bislang gar keine inländischen Gebiete mit höherem Risiko für Ansteckungen aus.

Lockdown durch die Hintertür?

Anders hingegen sieht das der Wirtschafts-Ressortleiter der „Welt“, Olaf Gersemann. Der Experte spricht von einem „Lockdown durch die Hintertür“.
Datenauswertungen etwa von Google aus dem Frühjahr hätten gezeigt, wie stark wirtschaftliche Aktivität und menschliche Bewegungsfreiheit zusammenhängen, schreibt der Experte in einem Kommentar.
„In einer modernen, hoch arbeitsteilig operierenden Volkswirtschaft sind Mobilitätshemmnisse daher Konjunkturkiller – und damit genau das, was die labile Wirtschaft so gar nicht gebrauchen kann.“
Die vereinzelten Maßnahmen würden flächendeckende Folgeschäden nach sich ziehen: „Wer plant jetzt noch eine Reise, wenn man nicht weiß, ob man wieder zurückkommt oder auch nur hin?“, so Gersemann. (nh/dpa)

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