Prozessbeginn: Einsturz des Stadtarchiv Köln

Anklage wegen fahrlässiger Tötung: Am 3. März 2009 stürzte das Kölner Stadtarchiv ein. Grundlage für die Anklage ist ein Sachverständigengutachten zu möglichen Fehlern beim Bau der Nord-Süd-U-Bahn in der Kölner Südstadt.
Epoch Times13. Januar 2018

Es war eine der größten Baukatastrophen der Nachkriegsgeschichte: Am 3. März 2009 stürzte in Köln bei U-Bahnbauarbeiten das Stadtarchiv ein, eines der bedeutendsten Kommunalarchive nördlich der Alpen. Zwei Anwohner starben, Unmengen Archivalien wurden unter Schuttbergen begraben. Neun Jahre später beginnt am Mittwoch der Strafprozess um die Katastrophe – nach jahrelangen Ermittlungen, denen die ebenfalls Jahre dauernde Bergung des Archivguts voranging.

Wegen fahrlässiger Tötung beziehungsweise Baugefährdung müssen sich fünf Angeklagte vor dem Kölner Landgericht verantworten. Dabei handelt es sich um einen Polier, zwei damalige Bauleiter und zwei Zuständige für die örtliche Bauüberwachung.

Ursprünglich sollten nach dem Willen der Staatsanwaltschaft sieben Menschen auf der Anklagebank sitzen. Ein Beschuldigter verstarb jedoch kurz nach der Anklageerhebung vom vergangenen Frühjahr, das Verfahren gegen einen schwer erkrankten weiteren Angeklagten wurde wenige Tage vor dem nun beginnenden Prozess vorläufig eingestellt.

Mögliche Fehler am Bau der Nord-Süd-U-Bahn

Grundlage für die Anklage der Staatsanwaltschaft ist ein Sachverständigengutachten zu möglichen Fehlern beim Bau der Nord-Süd-U-Bahn in der Kölner Südstadt. Nach früheren Angaben der Anklagebehörde sollen an der Baustelle unmittelbar vor dem Archivgebäude bei Aushubarbeiten für eine Schlitzwand im September 2005 bauhandwerkliche Fehler gemacht worden sein. Zugleich wurden diese Arbeiten an der Schlitzwandlamelle Nummer elf demnach nicht ausreichend kontrolliert.

Die Baufirmen führten dagegen in den vergangenen Jahren wiederholt eine andere These ins Feld: Demnach soll ein sogenannter hydraulischer Grundbruch das Unglück verursacht haben. Dabei wäre Wasser nicht durch ein Leck in der Lamelle, sondern unter der Schlitzwand hindurch in die Baugrube vor dem Archivgebäude vorgedrungen – was auf Defizite bei der Bauplanung statt bei der Bauausführung hindeuten würde.

Für den Prozess beraumte die Kölner Strafkammer bereits 126 Verhandlungstage an. Bei der strafrechtlichen Aufarbeitung des verheerenden Unglücks steht die Justiz unter massivem Zeitdruck: Das Urteil muss bis spätestens März 2019 fallen, denn zu diesem Zeitpunkt tritt nach zehn Jahren die sogenannte absolute Verjährung ein – eine weitere Verfolgung mutmaßlicher Straftaten beim Archiveinsturz von 2009 ist dann nicht mehr möglich.

Die Restaurierung der verschütteten Dokumente wird noch Jahrzehnte dauern

Historiker und Archivexperten reagierten damals entsetzt auf die Katastrophe – das Archiv des fast 2000 Jahre alten Köln ist schließlich eines der wichtigsten auf dem Kontinent. Die Restaurierung der verschütteten und in jahrelanger Arbeit geborgenen Archivalien wird noch Jahrzehnte dauern.

Aber auch im Viertel rund um die romanische Kirche Sankt Georg an der Einsturzstelle hinterließ das Unglück tiefe Spuren. Noch heute tut sich am Einsturzort auf der Severinstraße am Kölner Waidmarkt eine tiefe Grube auf – Kommunalpolitiker sprachen von einer klaffenden Wunde im Herzen der Stadt.

Als seinerzeit der Boden unter dem Stadtarchiv nachgab, riss das einstürzende Gebäude zwei Nachbarhäuser teilweise mit in die Tiefe. In einem dieser Häuser starben zwei junge Männer. Besucher und Mitarbeiter des Archivs konnten sich dagegen noch rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Nach dem Einsturz wurde ein gegenüberliegendes Altenheim kurzzeitig evakuiert, Bewohner umliegender Häuser mussten ihre Wohnungen verlassen. Auch die Schüler benachbarter Schulen mussten zeitweise in Ausweichquartiere umziehen. Hinzu kam der immense finanzielle Schaden durch die Katastrophe, der heute auf insgesamt mehr als eine Milliarde Euro geschätzt wird.

Für manche ältere Bewohner des Viertels südlich der Kölner Altstadt brachte der Archiveinsturz aber auch schwere seelische Belastungen mit sich. Denn der Anblick des gigantischen Trümmerbergs auf der Severinstraße weckte bei ihnen schmerzhafte Erinnerungen an 1945 – an die Tage am Ende des Zweiten Weltkriegs, als weite Teile ihrer Heimatstadt in Schutt und Asche lagen. (afp)



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