Professoren gründen Netzwerk für freie Debatte an Universitäten
Professoren an Universitäten in Deutschland gründen ein Netzwerk, das Forscher unterstützen soll, die aufgrund ihrer Thesen unter Druck geraten. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtet, will die Wissenschaftlervereinigung in Kürze an die Öffentlichkeit treten. Die Wissenschaftler beklagen mangelnde Meinungsfreiheit an Universitäten, sie werde nicht von außen bedroht, sondern von innen, aus den Universitäten selbst heraus.
Es hapere nicht selten an der wichtigsten Voraussetzung für Wissenschaft: der Möglichkeit zur freien Debatte.
„Es ist ein Klima vorauseilenden Gehorsams entstanden“, zitiert die Zeitung aus dem Gründerteam. Wer nicht „den Mainstream reproduziert“, gerate immer häufiger „existenzbedrohend unter Druck“. Die „Welt am Sonntag“ berichtet von zahlreichen Wissenschaftlern, die von einer „Kultur des ängstlichen Rückzugs“ sprechen: Sie beklagen „feindliches Klima“, „politischen Druck“, „Einschüchterung“.
Studien würden nicht geschrieben, Projekte nicht beantragt, Stellen nicht besetzt, Vorträge nicht gehalten, Gespräche nicht geführt. Dass etwas nicht geschieht, lässt sich jedoch schwer beweisen – das würde es den Betroffenen erschweren, Gehör zu finden.
Oft genüge bereits der Verdacht, sich mit Thesen und Arbeiten nicht der Kollegenmehrheit anzuschließen, um unter Druck zu geraten, sagte Rechtsphilosoph Reinhard Merkel von der Universität Hamburg der Zeitung – Abweichler würden häufig als Bedrohung wahrgenommen, nicht als Bereicherung.
„Das Risiko veranlasst Wissenschaftler zur Selbstzensur und zum Rückzug aus öffentlichen Debatten“, sagte die Ethnologin Susanne Schröter von der Universität Frankfurt am Main.
„Resolution zur Verteidigung der freien Debattenkultur an Universitäten“
Der Deutsche Hochschulverband DHV mahnt vor „Einschränkungen der Meinungsfreiheit an Universitäten“. Die Toleranz gegenüber anderen Meinungen würde kleiner, erklärte DHV-Präsident Bernhard Kempen. An deutschen Hochschulen verbreitete sich eine „Entwicklung, niemandem eine Ansicht zuzumuten, die als unangemessen empfunden werden könnte“, heißt es in der „Resolution zur Verteidigung der freien Debattenkultur an Universitäten“, die der Hochschulverband vergangenes Jahr verabschiedet hat.
In den vergangenen Jahren häuften sich Fälle, in denen Wissenschaftler daran gehindert wurden, sich wie geplant zu äußern. Fast alle betreffen nach Angaben der „Welt am Sonntag“ Fälle, in denen ein Diskurs, der als rechts bezeichnet wird, verhindert werden sollte – wobei das bereits mit Äußerungen geschehen kann, die nicht explizit linke Positionen verteidigen.
Es handele sich um ein historisch begründetes Phänomen an deutschen Hochschulen, sagte der Wissenschaftshistoriker Rudolf Stichweh von der Universität Bonn.
Deutschland habe eine wegen der NS-Vergangenheit nachvollziehbare Neigung, rechtsintellektuelle Positionen an Universitäten wenig salonfähig werden zu lassen. Die wissenschaftliche Kultur neige deshalb stärker zum liberalen und linken Rand des politischen Spektrums – im Gegensatz etwa zu Frankreichs Universitäten, wo Rechtsintellektuelle wie Linksintellektuelle Platz fänden.
In Deutschland aber seien Rechtsintellektuelle wenig mit den Universitäten verknüpft. „Konservative oder gar rechtsintellektuelle Positionen sind an den deutschen Universitäten kaum vertreten“, sagte Stichweh weiter. (dts)
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