„Professionell durchgestochen“: Wo ist die undichte Stelle des Botschafterberichts aus Washington?

Ein brisantes Dokument des deutschen Botschafters in den USA, Andreas Michaelis, sorgt für Aufsehen. Seine Einschätzung zu den Folgen einer zweiten Amtszeit Donald Trumps, die eigentlich vertraulich bleiben sollte, gelangte an die Öffentlichkeit. Das Auswärtige Amt hat nun eine interne Untersuchung eingeleitet, um die Quelle des Leaks zu finden – und droht mit harten Konsequenzen.
Der deutsche Botschafter in den USA, Andreas Michaelis, hat eine scharfe Analyse zum «US-Rechtsstaat unter Trump 2.0» geschrieben. (Archivfoto)
Der deutsche Botschafter in den USA, Andreas Michaelis. (Archivfoto)Foto: Susannah Ireland/dpa
Von 23. Januar 2025

Dass eine als „vertraulich“ gekennzeichnete Depesche des deutschen Botschafters in den USA, Andreas Michaelis, an das Auswärtige Amt seinen Weg in die Medien fand, hat jetzt ein Nachspiel. Das Außenministerium hat eine interne Untersuchung eingeleitet. Diese soll klären, wie die Einschätzung, die ausschließlich für den internen Dienstgebrauch gedacht war, an die Öffentlichkeit gelangte.

Botschafter wandte sich nur an begrenzten Personenkreis

Wie „Reuters“ am Mittwoch, 22. Januar, einen Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin zitiert, sei dies „nicht einfach so passiert“. Jemand habe den Bericht „mit professioneller Handschrift durchgestochen“. Mittlerweile droht das Ministerium mit „dramatischen Konsequenzen“ – sollte sich die Quelle des Leaks ermitteln lassen.

Der „Welt“ hat man vonseiten des Auswärtigen Amtes die nächsten Schritte skizziert, die man auf der Suche nach der undichten Stelle setzen möchte. Dieser drohen im Fall der Identifikation disziplinar- und strafrechtliche Maßnahmen. Alle Personen, die dazu bestimmt waren, das Papier von Botschafter Michaelis in die Hand zu bekommen, sollen nun dienstliche Erklärungen abgeben.

In diesen sollen sie angeben, den Text nicht weiterverbreitet zu haben. Sollte jemand dies wider besseres Wissen tun, würde dies mögliche Konsequenzen verschärfen.

Dokument ging auch an andere Regierungsstellen

Was die Suche nicht unbedingt erleichtert, ist der Umstand, dass die Einschätzung von Botschafter Michaelis auch an andere Ministerien und an das Kanzleramt gegangen war. Es könnte also auch von dort jemand Medien mit der heiklen Information versorgt haben. Zwar stehe man mit den entsprechenden Behörden in Kontakt.

Allerdings ist Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann nicht bekannt, ob es auch in diesen Untersuchungen bezüglich des Vorfalls gebe. Es war die Nachrichtenagentur „Reuters“ selbst, die zuerst über den Inhalt des Schreibens berichtet hatte.

Michaelis hatte in seinem Briefing-Dokument, das auf den 14. Januar datiert ist und seine Unterschrift trägt, vor einer „maximalen Störung“ gewarnt, die mit der zweiten Trump-Amtszeit einhergehe. Diese, so der Botschafter, werde „eine Neudefinition der verfassungsmäßigen Ordnung“ mit sich bringen. Diese mache sich in einer „maximalen Machtkonzentration beim Präsidenten auf Kosten des Kongresses und der Bundesstaaten“ bemerkbar.

US-Präsident soll „grundlegende demokratische Prinzipien aushöhlen“

Die US-Verfassung hat bereits seit fast einem Vierteljahrtausend durch ein ausgefeiltes System an Checks and Balances erfolgreich eine übermäßige Machtkonzentration verhindert. Ungeachtet dessen prognostiziert Michaelis, in der zweiten Amtszeit Trumps würden „grundlegende demokratische Prinzipien und Kontrollmechanismen […] weitgehend ausgehöhlt“.

Der 47. Präsident würde die Legislative, die Strafverfolgungsbehörden und die Medien „ihrer Unabhängigkeit berauben“ und „als politischen Arm missbrauchen“. Big Tech erhalte „Regierungsmacht“.

Michaelis behauptet in dem Dokument sogar, dass der Oberste Gerichtshof für Trump ein Instrument sei, seine Agenda voranzutreiben. Allerdings rudert er anschließend etwas zurück und erklärt mit Blick auf den Supreme Court, dass „selbst die größten Kritiker davon ausgehen“, dass dieser „das Schlimmste verhindern wird“.

Plant Trump den „Einsatz des Militärs im Inneren“?

Der Botschafter äußert sogar, Trump könne im Fall eines erklärten „Aufstandes“ oder einer „Invasion“ das Militär im Inneren einsetzen. Tatsächlich verbietet der Posse Comitatus Act von 1878 einen solchen Einsatz; zulässig ist er nur unter engen Voraussetzungen.

So kann Bundesmilitär angefordert werden, wenn die Bundesstaaten mit ihren eigenen Kräften nicht in der Lage sind, Aufstände oder organisierte Gewalt gegen die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger zu beenden. Ein Assistenzeinsatz von Armeeteilen auch bei Naturkatastrophen, terroristischen Anschlägen, Epidemien und anderen nationalen Notständen ist möglich.

Die Gouverneure der Bundesstaaten oder andere lokale Verantwortungsträger, die ihre eigene Nationalgarde haben, müssen diesem Vorgehen jedoch zustimmen. Bis dato kam es nur in wenigen Fällen zu solchen Einsätzen – etwa 1992 während der Ausschreitungen in Los Angeles. Donald Trump hatte 2020 einen solchen Schritt mit Blick auf die Krawalle in Minneapolis in Betracht gezogen. Allerdings hatte er davon am Ende Abstand genommen.

Baerbock nimmt Michaelis in Schutz – Verbleib als Botschafter unklar

Aus dem Übergangsteam von Donald Trump gab es keine Reaktion. Das Auswärtige Amt äußerte gegenüber „Reuters“, die USA seien „einer der wichtigsten Verbündeten Deutschlands“ und die US-Bevölkerung habe sich „in einer demokratischen Wahl für Trump entschieden“.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nahm im ZDF jedoch auch Michaelis in Schutz. Dieser, so die Ministerin, mache „nur seinen Job“. Trump habe immerhin „viele seiner Ziele offen dargelegt“. Ob Michaelis nach der Bildung einer neuen deutschen Regierung weiterhin Botschafter in den USA bleiben wird, ist noch ungewiss. Einen Automatismus gibt es diesbezüglich nicht. Allerdings finden Botschafterwechsel regelmäßig statt, wenn diese „aus diplomatischen und anderen Gründen“ für erforderlich gehalten werden. Michaelis ist Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen.



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