Pflegerin zu Spahn: „Das ist nicht die Realität – wir haben nicht genug Personal“

Eine Doku zum Pflegenotstand in Deutschland auf ProSieben hatte für Wirbel gesorgt. Nun traf die in der Sendung mit der Kamera begleitete Krankenpflegerin Bundesgesundheitsminister Spahn live im TV.
Epoch Times21. September 2021

Die durch die Aktion #Nichtselbstverständlich bekanntgewordene Krankenpflegerin Meike Ista spürt bisher wenig von den Anstrengungen der Bundesregierung in der Pflege.

In einer TV-Runde mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ging Ista unter anderem auf dessen Argument ein, er habe als erster Minister Personal-Untergrenzen eingeführt. Spahn: „Auf eine bestimmte Zahl von Patienten muss mindestens eine bestimmte Zahl von Pflegekräften kommen.“ Ista erwiderte darauf am Montagabend in der ProSieben-Sendung „Zervakis & Opdenhövel. Live“: „Das ist definitiv nicht die Realität. Die Personal-Untergrenzen werden nicht eingehalten, werden unterschritten. Woran auch immer das liegen mag – ich weiß nicht, ob das genauer kontrolliert werden muss. Das ist nicht die Realität. Wir haben nicht genug Personal. Es fehlen trotz dieser Personal-Untergrenze Leute.“

Auf die Frage von Moderatorin Linda Zervakis, ob manche Kliniken mauschelten und Stellen aufspalteten, sagte Ista: „Ich bin sicher, dass es diese Grauzonen irgendwo gibt und irgendwo dafür gesorgt wird, dass es so ein bisschen umgangen werden kann.“ Der CDU-Politiker Spahn sprach bei der Begegnung immer wieder von einem „Henne-Ei-Problem“. Die positiven Errungenschaften müssten stärker kommuniziert werden, um den nötigen Nachwuchs zu gewinnen. „Der Weg ist noch nicht zu Ende gegangen, aber ist schon begonnen.“ Es brauche Vertrauen, so Spahn. „Dieses Vertrauen kann ich nicht allein aufbauen. Dies geht nur gemeinsam mit den Pflegekräften.“ Bisher könnten die Stellen nicht so schnell besetzt wie geschaffen werden.

Pflegekräfte massiv belastet

ProSieben hatte Ende März auf Betreiben der Entertainer Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sieben Stunden Sendezeit zur Verfügung gestellt, um mit einer Doku ohne Werbeunterbrechung auf Deutschlands Pflegenotstand aufmerksam zu machen. Unter dem Motto #Nichtselbstverständlich war mit Hilfe einer Bodycam in Echtzeit eine Schicht von Ista im Knochenmark- und Transplantationszentrum der Uniklinik Münster gezeigt worden. Obwohl viele Zuschauer damals erschrocken über die immense Arbeitsbelastung waren, sprach Ista am Montag von einer guten Schicht. „Es ist tatsächlich so, dass ich an diesem Tag vital stabile Patienten übernommen habe und sie so an den Folgedienst übergeben konnte – und das ist halt nicht immer so.“

Bessere Arbeitsbedingungen für dringend benötigte Pflegekräfte sind erklärtes Ziel der Bundesregierung – schon vor der Corona-Krise. Dazu gab es auch eine „Konzertierte Aktion“ mit zahlreichen Beteiligten. Unter anderem steht mehr Geld für zusätzliche Altenpflege-Stellen bereit. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen auch in Kliniken jede aufgestockte Pflegestelle. Oft ist es aber weiter schwer, Stellen zu besetzen. Für eine attraktivere Ausbildung müssen Azubis inzwischen bundesweit kein Schulgeld mehr zahlen, sondern bekommen Vergütungen.

Um bessere Löhne durchzusetzen, sieht eine Reform von Spahn zudem vor, dass es ab September 2022 nur noch mit Pflegeeinrichtungen Versorgungsverträge geben darf, die nach Tarif oder in ähnlicher Höhe zahlen. In der Altenpflege mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten erhält laut Arbeitsministerium nur knapp die Hälfte Tariflohn. Ein Anlauf für einen Tarifvertrag, den die Regierung für die ganze Branche verbindlich machen wollte, war gescheitert. (dpa/oz)



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