Ostdeutsche Länderchefs kritisieren Pläne für einen vorgezogenen Kohleausstieg 2030
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht den von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für das Jahr 2030 anvisierten früheren Kohleausstieg im Osten kritisch. Das vom Bundestag beschlossene Kohleausstiegsgesetz sehe klare Abschaltzeiten für die einzelnen Kraftwerke vor. „Ich glaube, dass es gut ist, die mit dem Gesetz gegebene Sicherheit für die Beschäftigten und die gesamte Region nicht zu gefährden durch […] relativ unbedarfte Debatten“, sagte Woidke der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Donnerstag, 5. Januar 2023, beim Neujahrsempfang der Handwerkskammer Cottbus.
Realitätssinn angemahnt
Erst vor wenigen Wochen gingen zwei Kraftwerksblöcke in Jänschwalde wieder in Betrieb, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, führte Woidke an. Damit sei ein großer Beitrag dafür geleistet worden, dass insgesamt in Deutschland „das Licht nicht ausgegangen sei“.
Die Anweisung für das Wiederanfahren der Kraftwerksblöcke zeige, dass es „einen gewissen Realitätssinn im Bundeswirtschaftsministerium nach wie vor geben muss“. Darum werde er auch im Jahr 2023 gebraucht.
Region Lausitz vom Braunkohleausstieg betroffen
In Brandenburg und Sachsen ist die Lausitz vom Braunkohleausstieg betroffen. Die Region steckt mitten im Strukturwandel. Nach bisheriger Gesetzeslage sind die letzten Stilllegungen von Kraftwerksblöcken in Deutschland 2038 geplant – und zwar bei der Betreiberin Leag in der Lausitz.
Bundestag und Bundesrat hatten beschlossen, den Kohleausstieg im Rheinischen Revier um acht Jahre vorzuziehen. Bundeswirtschaftsminister Habeck ist für einen früheren Kohleausstieg auch im Osten. Es müsse einen Konsens für einen auf das Jahr 2030 vorgezogenen Ausstieg geben, hatte der Grünen-Politiker der „dpa“ gesagt. „Das sage ich den Ministerpräsidenten und allen Belegschaften hiermit zu: Das wird nicht par Ordre du Mufti entschieden.“ Vielmehr müsse es eine „breite Allianz“ als guten Plan empfinden.
Klare Worte für Versorgungssicherheit nötig
Nach Aussage von Woidke braucht es klare Antworten, wie die Versorgungssicherheit und günstige Preise für Industrie, Wirtschaft und die Haushalte gewährleistet werden können. Gute und preisgünstige Energieversorgung sei die Basis des Wohlstandes und einer florierenden Wirtschaft. „Deswegen brauchen wir mehr als Parolen für diese gute Energieversorgung“, hielt er fest.
Mit einem Mix aus den Erneuerbaren und derzeit auch noch Kohle könne man ihm zufolge preisgünstig Energie erzeugen. Das prognostizierte er auch für die kommenden Jahre. „Deshalb ist die Nennung einer Jahreszahl viel zu wenig“, betonte Woidke.
Er begrüßte die Einladung der Landräte und des Cottbuser Oberbürgermeisters Tobias Schick (SPD) an Habeck, in die Lausitz zu kommen, um seine Pläne zur sicheren Energieversorgung zu diskutieren. „Ich würde mich freuen, wenn ich an einer solchen Diskussion teilnehmen kann.“
Kritik auch von Kretschmer und Haseloff
Vor Woidke hatten sich schon Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und sein sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer (beide CDU) kritisch geäußert. Dabei warnte Haseloff vor einem schnelleren Ausstieg: „Wir haben die Sicherheit vieler Bundesländer bei der Stromversorgung in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem dadurch gewährleistet, dass die grundlastfähigen Kohlekraftwerke in Brandenburg, Sachsen und in Sachsen-Anhalt liefen“, sagte er der „Welt“. Daher hält er es für verheerend, in dieser Lage das Ausstiegsdatum 2038 infrage zu stellen. Jede grundlastfähige Stromerzeugung sollte derzeit im Netz bleiben, bis man sehe, wie sich die Krise entwickle.
Auch Kretschmer reagierte verständnislos. „Ich verstehe nicht, warum der Bundeswirtschaftsminister am ersten Tag des Jahres diese Diskussion aufmacht. Deutschland hat ein Energieproblem“, sagte der CDU-Politiker der „Bild“. „Die Braunkohle wird automatisch aus dem Netz gehen, wenn die Produktion preiswerter Energie zunimmt.“ Die Bundesregierung müsse erklären, wie es mehr kostengünstige Energie geben könne und nicht weitere Verunsicherung und Kostensteigerungen verursachen. Er warb für eine längere Laufzeit von Atomkraftwerken – was wiederum bei Habeck auf taube Ohren stoßen dürfte.
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