Orbán: „Europa darf sich Soros-Netzwerk nicht unterwerfen“

Die Regierungschefs von Polen und Ungarn sind am Donnerstag in Budapest zusammengetroffen, um ihr Vorgehen im Streit um den EU-Haushalt zu koordinieren. Auf seiner offiziellen Website tritt Premier Orbán auch Vorwürfen des US-Milliardärs George Soros entgegen.
Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn
Viktor Orbán.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 27. November 2020

Am Donnerstag (26.11.) sind die Regierungschefs von Ungarn und Polen, Viktor Orbán und Mateusz Morawiecki, in Budapest zusammengekommen, um ihre Positionen im Streit um den mehrjährigen EU-Haushalt abzustimmen. Beide Länder blockieren den Haushalt, weil Brüssel die Vergabe von Mitteln aus dem Budget und dem Corona-Wiederaufbaufonds an eine „Rechtsstaatlichkeits“-Klausel knüpfen will.

Da die EU beiden Ländern angebliche Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit vorwirft, gehen Warschau und Budapest davon aus, dass Brüssel die Klausel nutzen würde, um sich in innenpolitische Belange einzumischen. Orbán sieht dabei insbesondere den ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros als Einflussfaktor, der weltweit linksgerichtete NGOs fördere, die auch in Ungarn versuchten, abseits des parlamentarischen Prozesses ihre Agenda durchzusetzen.

Orbán: „Brüssel hat ohne Not politische Komponente eingeführt“

Wie „Hungary Today“ berichtet, erklärte Orbán nach dem Gespräch mit Morawiecki in einer Pressekonferenz, Ungarn werde keine Vorschläge zu den mehrjährigen Budgets und Corona-Fonds akzeptieren, die Ungarn oder Polen unangemessen finden. Die Verknüpfung von Mittelvergabe und der politischen Debatte über angebliche Rechtsstaatsdefizite sei immer noch auf der Agenda, so Orbán. Dies sei inakzeptabel.

Es sei „unverantwortlich“, die politische Debatte um angebliche Rechtsstaatsdefizite mit Fragen der Bewältigung der Corona-Krise zu verknüpfen, kritisierte Orbán. Die Krise brauche schnelle ökonomische Entscheidungen.

Im Juli seien die Verhandlungen über einen Konsens bezüglich Budget, Krisenmanagement und den Schutz der finanziellen Interessen der Staatengemeinschaft nur gescheitert, weil Brüssel die politische Komponente in die Debatte eingebracht habe.

Verbrieftes Recht und patriotische Pflicht

„Wir werden die nächsten Monate gemeinsam kämpfen“, kündigte Orbán an. Ungarn werde auch jeden Vorschlag zurückweisen, den Polen als inakzeptabel betrachte. Entgegen den Darstellungen mächtiger EU-Länder und ihrer Medien sei es das gute Recht Ungarns, die eigenen Interessen notfalls mit einem Veto zu schützen. Dies sei auch ausdrücklich in den EU-Verträgen so vorgesehen.

Es sei aber nicht nur das verbriefte Recht Ungarns, seine Interessen im Notfall zu schützen, sondern auch dessen „patriotische Pflicht“. Was einige Staaten anstrebten, wäre „nicht die Herrschaft des Rechts, sondern die der Mehrheit“.

Angesichts der Meinungsverschiedenheiten Ungarns mit anderen Mitgliedstaaten in einer Vielzahl fundamentaler Fragen – von Immigration über nationale Souveränität bis hin zu Gender – könne er „nicht riskieren, dass Ungarn Positionen aufgezwungen werden, denen das ungarische Volk nicht zustimmt“. Diese Debatte könne auch „nicht mit Geld entschieden“ werden.

Wiederaufbaufonds muss Ungarn und Polen nicht nützen

Orbán machte deutlich, dass ein Zustandekommen des Haushalts und des Wiederaufbau-Fonds Ungarn nicht einmal zwingend von Nutzen sei. Immerhin baue dieser auf dem Prinzip auf, dass alle Länder gemeinsam über die Kommission Schulden aufnehmen, aber im Fall von Rückzahlungsschwierigkeiten die Länder selbst dafür haften.

Diese Strategie sei gewählt worden, um Ländern helfen zu können, deren Haushaltsdefizite ihr Bruttoinlandsprodukt überstiegen. Ungarn gehöre definitiv nicht zu dieser Gruppe. Angesichts dieses Umstandes sei man nicht bereit, hinzunehmen, dass irgendwelche Rechtsstaats-Bestimmungen in Vereinbarungen eingeflochten würden, nur weil „bestimmte Mitgliedstaaten“ und das Europäische Parlament dies verlangten.

Auch Morawiecki warnte davor, dass der „Rechtsstaatsmechanismus, der durch völlig neue, willkürliche politische Entscheidungen motiviert“ sei, am Ende zum Auseinanderfallen des Staatenblocks führen könne. Gesetzgebungsakte dürften nicht gegen die EU-Verträge verstoßen, und diese sehen das Veto ausdrücklich als Option vor, um die Interessen der Mitgliedstaaten schützen zu können.

In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich die Regierungschefs beider Staaten dazu, dass keiner der Staaten einem Budget zustimmen werde, das die Interessen des jeweils anderen verletze. Man werde das Ziel verfolgen, einen Mechanismus zu verhindern, der „die Rechtsstaatlichkeit in der EU nicht stärken, sondern schwächen“ werde.

Das Vorhaben Brüssels umgehe die EU-Verträge, führe vage Definitionen und unscharfe Bedingungen ohne klare Kriterien ein, die aber zur Grundlage von Sanktionen werden könnten – ohne dass es dagegen wirksame Rechtsmittel gäbe.

Soros: „Keine Mittel mehr an Ungarn auf nationaler Ebene“

Premierminister Orbán hat seinen Text mittlerweile in mehreren Sprachen, darunter auch auf Deutsch, auf seiner offiziellen Amtsseite veröffentlicht. In diesem übt er scharfe Kritik am US-Milliardär George Soros. Dieser habe auf der Seite des „Project Syndicate“ gefordert, die EU solle Ungarn keine Mittel mehr auf nationaler Ebene zukommen lassen. Stattdessen solle man die Mittel „an lokale Verantwortliche dort, wo es noch eine funktionierende Demokratie gibt in Ungarn“, dirigieren.

Orbán bezeichnete Soros seinerseits als „Wirtschaftskriminellen“ und kritisierte, dass dieser einen „offenen Befehl an die führenden Persönlichkeiten der Europäischen Union erteilt“ habe. In diesem weise er sie an, „jene Mitgliedsstaaten hart zu bestrafen, die sich nicht unter der Flagge der globalen und offenen Gesellschaft in ein sich vereinheitlichendes europäisches Imperium eingliedern wollen“.

„Der korrupteste Mensch der Welt“

Europa werde jedoch nur wieder groß werden, wenn es imperialen Bestrebungen widerstehe und seinen Nationen Eigenständigkeit zubillige. Das „Soros-Netzwerk“ sei jedoch „durch und durch mit der europäischen Bürokratie und politischen Elite verwoben“. Es arbeite seit Jahren daran, Europa zu einem „Einwanderungskontinent“ zu machen und es „unter der Ägide eines globalen Reiches“ zu vereinen, das von einer postnationalen Elite regiert werde statt von den Bürgern in den einzelnen Nationalstaaten.

Soros hetze die europäischen Völker gegeneinander auf, habe die Institutionen infiltriert und bringe die Medien gegen jedermann in Stellung, der seine Agenda zurückweise:

„Eine lange Reihe von Politikern, Journalisten, Richtern, Bürokraten, als zivil getarnten politischen Agitatoren steht auf der Gehaltsliste von George Soros. Und obwohl der Milliardär selbst jeden seiner Feinde der Korruption bezichtigt, ist er selbst der korrupteste Mensch der Welt. Wen er nur kann, den besticht und kauft er.“

Herrschaft des Rechts oder Willkür der Mehrheit?

Das Gemeinschaftsmodell, das ihm und seinen Anhängern vorschwebe, würde die Herrschaft des Rechts tatsächlich durch das Recht des Stärkeren ersetzen. Anders als Soros wolle er, Orbán, eine geschützte statt einer offenen Gesellschaft und entgegen der Ansicht des Milliardärs könne eine Demokratie nicht nur liberal, sondern auch christlich sein.

Die Menschen in den früheren Ostblockstaaten hätten stets einen „Freiheitskampf gegen große Imperien“ führen müssen, um sich einen Kernbestand der christlichen Botschaft, nämlich die eigene Entscheidungsfreiheit, sichern zu können. Westliche Politiker, die dies nicht miterlebt hätten, müssten akzeptieren, dass es zwischen Herrschaft des Rechts und Willkür einen Unterschied gäbe und dass „wir auch im 21. Jahrhundert nicht unsere am Ende des 20. Jahrhunderts errungene Freiheit aufgeben können“.



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