„Omikron“ sorgt für Diskussionen

Die Weltgesundheitsorganisation hat das von der neuen südafrikanischen Corona-Variante Omikron ausgehende Risiko als „sehr hoch“ eingestuft. Die Entdeckerin des Virus sieht das anders. Auch deutsche Virologen warnen davor, in Panik zu verfallen.
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Omikron.Foto: iStock
Epoch Times1. Dezember 2021

Müdigkeit, Muskelschmerzen, Halskratzen und trockener Husten. Mit diesen Symptomen grassiert die neue Corona-Variante Omikron in Südafrika. Die in Pretoria praktizierende Ärztin Angelique Coetzee, zugleich Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbandes, hatte insgesamt 30 Patienten mit diesen ungewöhnlichen Symptomen untersucht. Am 18. November meldete sie als erste Ärztin den Gesundheitsbehörden ihres Landes diese sehr milden Symptome, die nicht bis zur dahin vorherrschenden Delta-Variante passten.

Am 25. November stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die neue Variante mit der wissenschaftlichen Bezeichnung B.1.1.529 zunächst als „besorgniserregend“ ein, am 29. November wurde das Risiko sodann als „sehr hoch“ eingestuft. Gleichzeitig hieß es seitens der WHO, dass es noch „erhebliche Unsicherheiten“ bei der Einschätzung der neuen Variante gebe.

Coetzee bedauerte es, dass Omikron sehr zügig als „extrem gefährliche Virusvariante“ mit zahlreichen Mutationen aufgebauscht worden sei, obwohl ihre Gefährlichkeit noch unklar sei. Ob sie die Wirksamkeit der Vakzine beeinträchtigt, wird noch untersucht.

„Wir sagen nicht, dass es keine schweren Erkrankungen geben wird“, betonte Coetzee. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hätten aber auch die nicht geimpften Patienten milde Symptome. „Ich bin ziemlich sicher, dass viele Menschen in Europa dieses Virus schon haben“, zeigte sie sich überzeugt.

Reisende aus Südafrika frustriert

Während Südafrika weitestgehend Entwarnung gibt, sorgte in Europa der Umgang mit der Omikron-Variante für verstörende Szenen. Am Amsterdamer Flughafen Schiphol wurden in der Nacht zum 27. November Passagiere stundenlang in einem unbelüfteten Raum eingepfercht, viele davon ohne Mund-Nasen-Schutz. Grund dafür waren zwei aus Südafrika gelandete Maschinen. Die Passagiere sollten vor ihrer Weiterreise auf Corona getestet werden.

Betroffenen zufolge dauerte es Stunden, bis überhaupt mit dem Testen angefangen wurde. Die Menschen im Flugzeug wurden „von der Rollbahn in einen isolierten Raum gebracht, wo wir vier Stunden lang warteten, bevor wir getestet wurden“, sagte die Passagierin Paula Zimmerman der Nachrichtenagentur AFP. Auf Abstandsregeln sei kaum geachtet worden.

„Wir verstehen, dass die Leute darüber frustriert sind“, erklärte die niederländische Gesundheitsbehörde GGD zu den langen Wartezeiten auf die Testergebnisse. „Sie haben gerade eine lange Reise hinter sich und gehen davon aus, dass sie nun bald zu Hause sein werden.“ Stattdessen seien sie „mit der in den Niederlanden noch nie dagewesenen Situation konfrontiert worden, dass sie in Schiphol getestet werden und dann auf das Ergebnis warten müssen“. Die 61 positiv getesteten Passagiere – von insgesamt 600 getesteten – wurden in einem Quarantänehotel nahe des Flughafens untergebracht. 13 von ihnen wurden als Omikron-Fälle eingestuft.

Reaktionen aus der deutschen Politik

Laut „Spiegel“ wurde am vergangenen Wochenende diskutiert, ob Passagiere aus Südafrika eine kontrollierte Quarantäne in Hotels verbringen sollten, wie es in China und Großbritannien üblich ist. Da dies rechtlich nicht vorgesehen ist, wurde es verworfen.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte, alle Flüge aus Südafrika zu stoppen. „Im Übrigen braucht es mehr Impfstoff für die Länder, umfangreiche Entschädigungen für die Wirtschaft wie im vergangenen Jahr und eine Impfpflicht für alle ab Januar. Das ist ein Notpaket für Deutschland.“

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sprach von „Spekulation“, wenn vermutet werde, dass der Omikron-Verlauf weniger gefährlich sei. Dabei nahm er Bezug auf Meldungen aus Pretoria, nach denen innerhalb weniger Tage die „Virusmenge im Abwasser dort explodiert“ sei. Dass neue Viren immer in Richtung „zwar ansteckender aber weniger gefährlich“ mutieren bezeichnete er als „Wunschdenken“. Es gebe auch die Möglichkeit, dass das Virus ansteckender und gleichzeitig gefährlicher sei. Eine komplett impfresistente Variante hingegen sei unwahrscheinlich. „Daher ist [eine] Impfpflicht so wichtig.“

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts besitzt Omikron im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2 aus Wuhan eine ungewöhnlich hohe Zahl von etwa 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein, darunter solche mit bekanntem phänotypischem Einfluss (Erhöhung der Transmission, Immunevasion, Übertragbarkeit), aber auch viele Mutationen, deren Bedeutung unklar ist. Die Variante wurde bereits in mehr als zehn Ländern weltweit nachgewiesen, darunter auch in Deutschland.

Virologen sehen keinen Grund zur Panik

Der Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV), Helmut Fickenscher, sieht derzeit keinen Grund für weitere Beschränkungen des Alltags von vollständig Geimpften. Das sagte er der „Welt“. Zwar sei es grundsätzlich möglich, dass neue Virusvarianten die Wirksamkeit von Impfstoffen beeinträchtigten, dies sei aber nach ersten Experteneinschätzungen im Fall Omikron nicht besonders wahrscheinlich.

„Die Coronavirus-Impfstoffe sind ungewöhnlich effizient, da sie nicht nur die Bildung von Antikörpern induzieren, sondern auch die zytotoxischen Killerzellen induzieren. Also: Kein Grund zur Panik, aber genau beobachten, wie sich diese neue Variante entwickelt“, so Fickenscher.

Der Virologe, Leiter des Instituts für Infektionsmedizin an der Universität Kiel und Pandemieberater der schleswig-holsteinischen Landesregierung, sagte, dass neben Kontaktbeschränkungen in Regionen mit besonders hohen Infektionszahlen das Schließen der Impflücken aktuell die zentrale Aufgabe der Pandemiebekämpfung sei. „Wir müssen es schaffen, noch mehr Menschen davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen.“

Am 27. November zeigte sich der Hallenser Virologe Alexander Kekulé nicht überzeugt davon, dass Omikron tatsächlich so viel infektiöser ist wie teilweise angedeutet. Bisher liege nur die genetische Information von B.1.1.529 vor, sagte er dem Fernsehsender ntv. „Die sieht so aus, als wäre es eventuell möglich, dass Impfdurchbrüche oder Zweitinfektionen möglich sind.“ Nur anhand der Gene könne man dies aber nicht feststellen. Kekulé zufolge müssen als nächstes Zellkulturen der Mutation angelegt werden, um ihre Eigenschaften überprüfen zu können. In diese Kulturen wird seinen Angaben zufolge das Blut von Menschen hineingegeben, die bereits infiziert waren. Dann könne man testen, ob die Antikörper das Virus blockieren, sagte er. „Erst danach kann man sehen, ob eine Gefahr von Durchbrüchen besteht.“

Der Virologe kann sich demnach vorstellen, dass „wir in drei Wochen wieder Entwarnung geben“. Seinen Angaben zufolge besteht die Möglichkeit, dass sich Omikron im südlichen Afrika vor allem in Nestern ausgebreitet hat, die noch unberührt von der Delta-Variante des Coronavirus waren. In Südafrika habe lange die Beta-Variante vorgeherrscht, so Kekulé. Die sei im Vergleich zu Delta „aber eine Regionalligamannschaft, wenn Sie so wollen“. Ursache für die schnelle Verbreitung könne der sogenannte „Founder“-Effekt sein, sagte der Virologe weiter, der Gründereffekt. Möglicherweise habe sich Omikron nur durchgesetzt, weil sie „ungemachtes Terrain“ gefunden habe, wo es noch keine andere Variante wie Delta gab.

Ähnlich vorsichtig hatte sich der Charité-Virologe Christian Drosten bereits am 26. November geäußert. „Veränderungen im Genom sind allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen“, so Drosten. Noch sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender oder ob ein anderer Faktor Grund für die momentan beobachtete Ausbreitung sei. Die Bewertung der Variante sei noch nicht abgeschlossen.

Der Epidemiologe Klaus Stöhr wies in einem ntv-Interview darauf hin, dass die Wissenschaftler in Südafrika gespalten seien. „Es gibt sowohl epidemiologisch als auch klinisch keine Hinweise darauf, dass die Variante stärker besorgniserregend sein könnte.“ Auf jeden Fall werde man selbst mit den stärksten Maßnahme die Ausbreitung dieses Virus nicht verhindern, sondern bestenfalls verlangsamen können.  (dts/afp/oz/sua)



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