Özdemir kritisiert „Stammbaum“-Idee der Stuttgarter Polizei – diese weist Vorwurf zurück
Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir hat den Vorschlag der Stuttgarter Polizei, die Abstammung von Tatverdächtigen der gewalttätigen Ausschreitungen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zu untersuchen, als grotesk zurückgewiesen. „Mir fehlen immer noch die Worte. Der Polizeipräsident sollte schnell eingestehen, dass er keinen guten Tag hatte, als der den skurrilen Vorschlag gemacht hat und ihn sofort aus der Welt schaffen“, sagte Özdemir den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben).
„Jeder darf gerne Stammbaum-Forschung über die eigenen Vorfahren in der Freizeit betreiben, aber zu den Aufgaben der Polizei gehört es in Deutschland aus guten Gründen nicht mehr.“ Er frage sich, was die Polizei mit einer Stammbuch-Untersuchung bezwecken wolle: „Wie weit soll denn die Stammbaum-Analyse zurückgehen? Wären die Ruhrgebiets-Polen dann noch immer Ausländer? In Baden-Württemberg haben wir auch Nachfahren der Hugenotten und Waldenser.“
Der Stammbaum-Vorschlag gehöre zu den Dingen, „die den türkischen oder kroatischen Nationalisten oder Islamisten die Jugendlichen in Scharen in die Arme treiben“. Özdemir sagte, es sei zum Verzweifeln, wenn Identitätspolitiker immer nur auf Herkunft, Blut und Religion schauten statt auf gemeinsame Werte und die Verfassung. „Ich dachte eigentlich, wir sind weiter.“
Polizei Stuttgart weist Vorwurf der „Stammbaumforschung“ zurück
Die Polizei Stuttgart hat sich gegen den Vorwurf verteidigt, sogenannte „Stammbaumforschung“ zu betreiben. In der fraglichen Gemeinderatssitzung am letzten Donnerstag sei der Begriff kein einziges Mal gefallen, das beweise ein Tonmitschnitt, hieß es in einer Mitteilung am Sonntagabend. Polizeipräsidenten Franz Lutz hatte dort gut eine Viertelstunde lang gesprochen.
„Er spricht von bundesweiten Recherchen bei Standesämtern, da bei elf deutschen Tatverdächtigen ein Migrationshintergrund noch nicht gesichert ist“. Nach den Ausschreitungen in der Stuttgarter Innenstadt am Wochenende vom 20. und 21. Juni hatte die Kriminalpolizei 39 Tatverdächtige identifiziert. Gegen 20 Verdächtige wurde ein Haftbefehl erwirkt. Zu den Ermittlungen gehöre „auch die umfassende Feststellung der Lebens- und Familienverhältnisse der bereits bekannten Tatverdächtigen“. Deshalb werde in einzelnen Fällen die Nationalität der Eltern durch Anfragen beim Standesamt erhoben, um zu klären, ob ein Migrationshintergrund gegeben sei. (dts)
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