NRW-Innenminister Reul: „Die Bürger haben so ein Gespür, dass da was nicht stimmt“
Für eine Überraschung hatte in der vergangenen Woche der Vorstoß von NRW-Innenminister Herbert Reul gesorgt. Obwohl deren Präsentation eigentlich erst für April vorgesehen war, stellte der Minister seine „Statistik zu nichtdeutschen Tatverdächtigen“ bei angezeigten Straftaten für das Jahr 2023 vor. Einen Tag davor hatte auch schon sein bayerischer Amtskollege Joachim Herrmann die Zahlen für den Freistaat präsentiert.
Statistik über nichtdeutsche Tatverdächtige umfasst auch reisende Banden
Wie RTL berichtete, habe sich der Anteil ausländischer Tatverdächtiger am angezeigten Tatgeschehen von 32,8 auf 34,9 Prozent gesteigert. Zudem, so führte Minister Reul am Dienstagabend, 19. März, in Düsseldorf aus, sei die absolute Zahl ausländischer Tatverdächtiger insgesamt um 10,4 Prozent auf 169.215 angestiegen.
Kritik an Reuls Vorstoß gab es unter anderem, weil es für 2023 noch nicht einmal eine fertige Einwohnerstatistik gibt. Dies räumte der Minister auch selbst ein. Er betonte auch, dass als Kriminalitätsfaktoren auch andere als die Staatszugehörigkeit eine Rolle spielten. Ausländerrechtliche Straftaten seien in der Statistik nicht erfasst, auch Tatverdächtige mit mehrfacher Staatszugehörigkeit würden nicht mitgezählt.
Gleichzeitig erfasse die Statistik auch als Touristen eingereiste und durchreisende Tatverdächtige. Dies sei keine unerhebliche Position. Immerhin seien bei Delikten wie Taschendiebstahl, Ladendiebstahl und Wohnungseinbruch reisende Banden besonders aktiv. Die Anteile nichtdeutscher Tatverdächtiger lägen dort bei 80,1 sowie 47,6 und 47,3 Prozent.
Reul beruft sich auf das „Gespür der Leute“
In Bayern sei die absolute Zahl nichtdeutscher Staatsangehöriger im Jahr 2023 auf 12,1 Prozent angewachsen, hatte zuvor Minister Herrmann erläutert. Steigende Zahlen hatten zuvor auch Hamburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gemeldet. Für Herrmann lag ein erkennbarer Zusammenhang zum Zuwanderungsgeschehen auf der Hand:
„Die Kriminalstatistik macht deutlich, dass sich die unkontrollierte Zuwanderung auch negativ auf die Sicherheitslage auswirkt.“
Auch Reul sah in der zügigen Veröffentlichung so etwas wie eine vertrauensbildende Maßnahme. Gegenüber dem WDR äußerte er, die Menschen im Land „haben so ein Gespür, dass da was nicht stimmt, und ich glaube, wir müssen es benennen“. Man begebe sich damit allerdings „an eine Art Abrisskante“, um fremdenfeindlichen Kräften nicht in die Hände zu spielen.
Tatsächlich dauerte es jedoch nicht lange, bis die AfD das Thema der Korrelation zwischen steigenden Zuwanderungszahlen und mehr ausländischen Tatverdächtigen aufgriff. Einige Kommentatoren wollten sogar die Religion als wesentlichen Faktor für Kriminalitätsneigung ins Spiel bringen – was nicht zuletzt angesichts der Tatsache als fragwürdig erscheint, dass viele der Länder mit den weltweit höchsten Kriminalitätsraten und dabei auch Gewaltdelikten im christlichen Lateinamerika liegen.
Ähnliche Entwicklungen bei nichtdeutschen Tatverdächtigen auch in den 1990ern und 2000ern
Experten bemühten sich unterdessen, die Zahlen in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen. Gegenüber der „Zeit“ äußerte der Kriminologe Christian Walburg von der Universität Münster, in Bayern seien die Gesamtzahlen in vielen Deliktsbereichen auf dem Stand von 2019 – der nach einigen Jahren des Rückgangs als auch historisch betrachtet gering gegolten habe.
Es gebe zweifellos Herausforderungen, so Walburg, wenn es sehr hohe Zuzugszahlen gebe. Dies sei zwangsläufig auch mit mehr nichtdeutschen Tatverdächtigen verbunden. In den Jahren 2022 und 2023 habe sich der nichtdeutsche Bevölkerungsanteil um nicht weniger als zwei Millionen erhöht.
Allerdings habe es einen ähnlichen Trend auch schon in den 1990er-Jahren und Anfang der 2000er gegeben. Nach einer größeren Fluchtwelle aufgrund des Jugoslawienkrieges habe es vorübergehend ebenfalls bereits Jahre mit einem Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger von mehr als 30 Prozent gegeben.
Auch eine Einwanderungswelle von Russlanddeutschen habe später dafür gesorgt, dass gerade Jugendliche aus diesem Bereich vermehrt in Gefängnissen gelandet seien. Mit Fortdauer der Zeit sei es jedoch in all diesen Fällen gelungen, mehr Jugendliche mit Integrationsmaßnahmen zu erreichen und Erwachsene in Lohn und Brot zu bekommen. Dies habe sich entsprechend auch in sinkenden Kriminalitätszahlen niedergeschlagen. Derzeit sei es ein großes Problem, dass es diesbezüglich bei hohem Bedarf geringe Kapazitäten gebe, führte Walburg weiter aus.
Junge Männer in jeder Gesellschaft in der Kriminalstatistik überrepräsentiert
Gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) wies Walburgs Kollege Tobias Singelnstein aus Frankfurt am Main darauf hin, dass polizeiliche Kriminalstatistiken isoliert betrachtet nur Korrelationen zeigten. Über Kausalitäten sagten sie für sich allein wenig aus. Die Kriminalstatistiken seien Tätigkeitsstatistiken der Polizei, die sich auf Verdachtssituationen erstreckten – „und auch das nur aus einer polizeilichen Perspektive“. Es könnte auch ein bereits zuvor bestehendes Dunkelfeld erhellt werden.
Eine Überrepräsentation nichtdeutscher Tatverdächtiger in den polizeilichen Statistiken könne unterschiedliche Gründe haben, so Singelnstein. Untersuchungen zeigten etwa, dass Menschen, die als fremd wahrgenommen würden, schneller bei der Polizei angezeigt würden.
Generell hinge die Neigung zu Straftaten kaum von Staatsangehörigkeit und Migrationsstatus ab. Entscheidender seien die jeweiligen Lebensumstände und der sozioökonomische Status. Eine besonders starke Marginalisierung begünstige demnach die Kriminalitätsneigung. Zudem spiele eine Rolle, dass unter den in jüngster Zeit Zugewanderten junge Männer überrepräsentiert seien. Diese Gruppe begehe jedoch in jeder Gesellschaft mehr Straftaten als andere Teile der Bevölkerung. Außerdem spielten unbewältigte Kriegs- und Traumatisierungserfahrungen vielfach eine Rolle.
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