Nach Gerichtsbeschluss: Flächendeckende Bezahlkarte für Flüchtlinge in Deutschland in den Startlöchern

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe können deutsche Bundesländer ab sofort die Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge vorantreiben. Bund und Länder haben sich auf diese verständigt. Kritiker bemängeln die fehlende Flexibilität der Karte und verweisen auf Probleme bei der Umsetzung.
14 Bundesländer sind bei der geplanten Bezahlkarte für Flüchtlinge dabei, nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen eigene Wege. (Archivbild)
14 Bundesländer sind bei der geplanten Bezahlkarte für Flüchtlinge dabei, nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen eigene Wege.Foto: Philipp von Ditfurth/dpa
Von 25. September 2024

Deutsche Bundesländer dürfen ab sofort die Bezahlkarte für Flüchtlinge einführen. Dies ist die Konsequenz einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom Freitag, 20. September, im Eilverfahren. Mittels des Beschlusses hob das Gericht das Zuschlagsverbot für die Länder auf, das vom Unternehmen PayCenter aus Freising angestrebt worden war.

Das Unternehmen hatte am 20. Februar den Zuschlag des Freistaates Bayern zur dortigen Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge erhalten. Allerdings ging es in der europaweiten Ausschreibung der Vergabekammer Baden-Württemberg für 14 andere Bundesländer leer aus. Dort erhielt am 13. August ein Mitbewerber den Zuschlag. PayCenter wollte dagegen vorgehen.

Worum es im zugrundeliegenden Verfahren ging

In der Hauptsache selbst steht die Entscheidung noch aus. Der erste Verhandlungstermin ist für den 18. Oktober angesetzt. Das Verfahren könnte im ungünstigsten Fall mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Mit der Einführung der Bezahlkarte müssen die Länder jedoch nicht bis dahin warten, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe. Sie dürfen den Auftrag an das Unternehmen vergeben, das den Zuschlag erhalten hatte, und den entsprechenden Rahmenvertrag unterzeichnen.

Unsicher bleibt, inwieweit die Kommunen in der Ausschreibung angemessen berücksichtigt worden seien. Im ungünstigsten Fall, so PayCenter-Geschäftsführer Peter Schönweitz, hätten sie keine Berechtigung, Bezahlkarten aus dem Rahmenvertrag der Länder abzurufen. In diesem Fall müsse „muss jede kreisfreie Stadt und jeder Landkreis seine Bezahlkarten jetzt selbst ausschreiben“.

Bezahlkarte soll Fluchtanreize mindern und Verwaltung vereinfachen

Im Rahmen des sogenannten Asylgipfels hatten sich Bund und Länder im November des Vorjahres darauf geeinigt, die Bezahlkarte möglichst flächendeckend in Deutschland einzuführen. Ziel der Maßnahme soll sein, finanzielle Fluchtanreize zu mindern, die in Bargeldleistungen gesehen werden könnten.

Außerdem solle verhindert werden, dass Schleuser aus Asylbewerberleistungsmitteln bezahlt würden. Kritiker sehen jedoch die Annahme als lebensfremd an, dass diese ihren „Kunden“ Kredite geben. Allerdings könnten Familienmitglieder, an die Asylsuchende Geld überweisen, die Mittel für die Vorkasse vorgestreckt haben. Häufig versprachen sich Kommunen von der Bezahlkarte auch eine Vereinfachung der Verwaltung von Leistungen an Flüchtlinge.

Neben Bayern haben unter anderem auch in Sachsen und Thüringen einige Landkreise Pilotprojekte in Sachen unbarer Zahlungsabwicklung unternommen. Die sächsischen Landkreise, in denen seit knapp einem halben Jahr mit der Bezahlkarte operiert wird – wie Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Bautzen, Zwickau und Meißen – haben bislang von einem „weitestgehend problemlosen“ Prozess gesprochen.

Insgesamt seien etwa 6.700 Karten ausgegeben worden. Verwaltungsaufwand falle weg, weil es keine monatliche Bargeldauszahlung gebe. Dies spare Kosten ein und sorge für „Effizienzgewinne“, heißt es aus den Kreisverwaltungen.

Sozialgerichte haben pauschale Bargeldobergrenzen für unzulässig erklärt

Kritischer sieht das hingegen die Linkspartei in Bautzen. Sie fordert ein Ende der Ausgabe von Karten und eine Rückkehr zu Bargeldleistungen. Dies begründet die Partei unter anderem mit Entscheidungen von Sozialgerichten in Hamburg und Nürnberg.

Diese hatten im Juli pauschale Bargeldobergrenzen – in den meisten Fällen sind diesbezüglich 50 Euro vorgesehen – für unzulässig erklärt. Diese seien beispielsweise nicht geeignet, den Mehrbedarf von Schwangeren oder Familien mit Kleinkindern zu decken. Die Sozialbehörde müsse die persönlichen Lebensumstände der Antragstellenden berücksichtigen, was mit der Pauschale nicht möglich sei.

Außerdem hatten sich Betroffene und Flüchtlingshelfer gemeinnütziger Organisationen gegenüber der „Sächsischen Zeitung“ über fehlende Einsatzmöglichkeiten und Beschränkungen bei Überweisungen beschwert. Letztgenannte müssten eigenständig beantragt und genehmigt werden.

Die Flüchtlinge würden nicht erfahren, ob das der Fall sei. Lastschriftverfahren funktionierten gar nicht. Außerdem seien Besuche auf Wochenmärkten, Anmeldungen bei Sportvereinen, Einkäufe in manchen Geschäften und Online-Einkäufe nicht möglich. Landkreise betonten hingegen, die Karte sei überall einsetzbar, wo auch mit gängigen Kreditkarten bezahlt werden könne.

Flüchtlingsrat beklagt „Mobbing“ und „systematische Diskriminierung“ durch Bezahlkarte

Viele Hilfsorganisationen für Flüchtlinge lehnen das Konzept der Bezahlkarte generell ab. So spricht der Flüchtlingsrat Niedersachsen von „populistischer Symbolpolitik“ und „flächendeckendes Mobbing von Schutzsuchenden“.

Die Aussage, Geflüchtete würden wegen der besseren Sozialleistungen hierzulande fliehen, widerspreche jeder wissenschaftlichen Erkenntnis, heißt es vonseiten der Organisation. Die Bezahlkarte sei mit einem weiteren Unterschreiten des grundgesetzlich garantierten Existenzminimums verbunden, so der Flüchtlingsrat weiter. In den ersten drei Jahren des Aufenthalts lägen die Leistungen für Geflüchtete ohnehin schon um fast 20 Prozent unter diesem.

Die Bezahlkarte, so der Flüchtlingsrat, kultiviere „systematische Diskriminierung und Ausgrenzung von Geflüchteten anstatt Chancengleichheit und gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe“.



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