Nach Chemnitz-Film von Stern-TV: Vize-MP Dulig widerspricht Kretschmer zu Hetzjagden und propagiert „richtige Seite“
„Wie bewerten Sie das, was wir hier gesehen haben?“ Dies fragte der Moderator im TV-Talk mit Verweis auf den zuvor gesehenen Filmbeitrag von „Stern TV“ aus Chemnitz den Landesvorsitzenden der SPD Sachsen und stellvertretenden Ministerpräsidenten des Freistaates, Martin Dulig. Dieser antwortete:
Als ich jetzt den Film gesehen habe, da hat man auch so einen Kloß im Hals. Man spürt ja richtig die Gewalt, die dort ausgegangen ist, von den Leuten. Und das ist real.“
(Martin Dulig, Stellvertreter des Ministerpräsidenten von Sachsen, SPD)
Der Chemnitz-Film von Stern-TV
Der Film beginnt mit Aufnahmen vom Samstag, 1. September, gegen 16 Uhr, der monoton musikalische Unterton und die Stimme der Sprecherin erzeugen ein unangenehmes, bedrohliches Gefühl. „Die rechtsextreme Bewegung ‚Pro Chemnitz‘ versammelt sich vor dem Karl-Marx-Denkmal“, heißt es. Die Reporterin des „Stern“ mischt sich unter die Demonstranten, versucht mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, trifft auf Menschen, die den Medien nicht mehr trauen. Einige sprechen doch, verkünden ihren Unmut gegenüber der Migrationspolitik der Kanzlerin, gegenüber kriminellen Ausländern und für die Sicherheit und Zukunft ihrer Kinder.
Die Versammlung samt Aufzug von ‚PRO Chemnitz‘ wurde um 16.40 Uhr ohne nennenswerte Vorkommnisse durch die Versammlungsleitung selbst beendet.“
Doch der Abend war noch nicht zu Ende: „Die Anhänger strömen zum nahe gelegenen Trauermarsch von AfD und Pegida, wo sich bereits Tausende versammelt haben“, heißt es im Filmbeitrag weiter.
Gezielte Provokation?
„Unsere Reporterin will mit den Demonstranten ins Gespräch kommen“, so die erklärende Stimme des Videos. Sie wendet sich einer Gruppe bei einem Mann mit Sonnenbrille und der Aufschrift „HKN KRZ“ auf dem T-Shirt. Zufällig? Doch niemand will mit ihr sprechen. Mehrfach wendet sie sich innerhalb der Menschenmasse bestimmten Leuten zu. Suchte die Reporterin absichtlich nach augenscheinlich rechten Personen, suchte sie die Provokation? Doch das waren nicht die hauptsächlich anwesenden Demonstranten. Da waren Frauen und Männer, Alte und Junge, normale Menschen zu sehen, was selbst an den ausgewählten Szenen zu erkennen war, im Hintergrund allerdings nur.
Für 17 Uhr war die Demonstration der AfD als Schweigemarsch angemeldet und eine Kundgebung von Pegida. Diese vereinigten sich später.
Als sich dann der Trauermarsch gegen 18.15 Uhr in Bewegung setzt, kommt es zu ersten Tumulten: „Ein Gegendemonstrant stört die Veranstaltung der Rechten“, so Stern-TV, die Polizei muss eingreifen und den aggressiv schreienden und sich wild gebärdenden Mann überwältigen.
Wenig später gibt es eine Attacke durch den Schwarzen Block der Antifa und andere linke Extremisten. Die Polizei muss massiv eingreifen.
Störungen gab es im Bereich des Roten Turmes. Dort wurden durch die Polizei rund 300 Personen festgehalten. Diese hatten offenbar versucht, in Gruppen zur Versammlung des AfD-Landesverbandes vorzudringen.“
(Polizei Sachsen)
Die Polizei habe ihrem Bericht zufolge das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Gruppen dabei verhindert.
Antifa-Blockade: Polizei beendet Trauermarsch
Im Video heißt es anschließend: „Nach nur 500 Meter Marsch wird die Veranstaltung offiziell beendet. Doch eine Gruppe Rechtsextremer bleibt vor Ort…“. Was war geschehen? Kein Hinweis dazu im Film. Absicht?
Allerdings weiß man, dass eine mehrere Hundert Personen umfassende Antifa-Gruppe die Wegstrecke des Schweigemarsches blockierte. Die Polizei sieht keine Veranlassung, dass Demonstrationsrecht durchzusetzen und zu räumen. Nun sollen alle nach Hause gehen …
Die Versammlungszeit der Demonstration AfD ist bereits überschritten, eine Umgehung der Bahnhofstraße/Zschopauer Straße ist aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen nicht möglich. Der Versammlungsleiter wurde angesprochen, seine Demo zu beenden.“
(Polizei Sachsen)
Der MDR berichtet von 4.500 Teilnehmern, ein Sprecher der Stadt Chemnitz spricht von rund 3.500 Menschen. Ordner des „Schweigemarsches“ nennen Teilnehmerzahlen von 10.000 bis 13.000 Personen. Die Polizei selbst schätzt auf rund 6.000 Teilnehmern bei der AfD (17 Uhr) und 2.500 bei „Herz statt Hetze“.
Antifa als politisch zuverlässiges Instrument?
Nach der Ausklammerung all dessen setzt der Film von Stern-TV wieder an und zeigt wütende und auch aggressive Menschen, die sich augenscheinlich betrogen fühlen: Der demokratische Weg der Demonstration endete an einer Blockade von linken Extremisten, während die Polizei der autonomen Gewalt klein beigibt. Ob es politische Anweisungen gab, ist derzeit nicht bekannt.
Die Situation erinnert unweigerlich an den Frauenmarsch zum Kanzleramt im Februar in Berlin, der auch nach kurzer Wegstrecke aufgrund einer Straßen-Blockade der Antifa durch die Polizei abgebrochen wurde. Auch in Berlin wich die Polizei der linken Gewalt und opferte das demokratische Demonstrationsrecht. Doch zurück nach Chemnitz …
Die große Masse war friedlich, die Polizei bedankt sich
Nicht alle Teilnehmer des Marsches konnten mit diesem Schlag ins Gesicht der Demokratie umgehen. Mutmaßlich rechte Randgruppen fühlen sich vielleicht bestätigt, dass der friedliche Weg ins Nichts führte. Wut, Ohnmacht und Enttäuschung machen sich Luft, auch in aggressiven Taten, vor allem aber verbal und hauptsächlich gerichtet an vermeintlich Schuldige: die Presse und die Polizei, die einzigen Personen in greifbarer Nähe. „Bilanz des Tages in Chemnitz: 11.000 Demonstranten, 18 Verletzte und 37 Strafanzeigen“, so der TV-Bericht, wobei es sich laut Polizei „mehrheitlich um Körperverletzungsdelikte, Sachbeschädigungen und Straftaten nach dem Versammlungsgesetz handelte“. Unter den 18 Verletzten „während des Einsatzgeschehens“ waren demnach auch drei Polizeibeamte, die „Blessuren u.a. beim Zurückdrängen von Versammlungsteilnehmern erlitten“.
Insbesondere während der sogenannten Abreisephase aller Versammlungsteilnehmer sei es im Stadtgebiet immer wieder zu Auseinandersetzungen verschiedenster Gruppen gekommen, die seitens der Einsatzkräfte konsequent unterbunden werden mussten, so die Polizei, die sich abschließend bedankte:
Zunächst gilt mein ausdrücklicher Dank allen Kolleginnen und Kollegen, die uns am gestrigen Tag bei diesem Großeinsatz unterstützt haben. Es hat sich schon recht zeitnah gezeigt, dass das massive Polizeiaufgebot notwendig war, um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Trotz der erwarteten und mittlerweile uns bekannten Straftaten ist es doch weitgehend friedlich geblieben. Dafür gilt mein Dank auch der großen Anzahl an besonnenen Versammlungsteilnehmern.“
Eine kostenlose Party gegen Gewalt mit Gewaltsongs
Doch der Film wäre nicht perfekt, wenn es nicht den Gegensatz zum wütenden Mob gäbe. Ein Konzert mit bekannten Bands der linken Szene, kostenloser Eintritt und natürlich gegen rechte Gewalt. Dort wurden dann Titel gesungen, die von „Die Bullenhelme, die sollen fliegen, eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein“ und „Die nächste Bullenwache ist nur einen Steinwurf entfernt“ dem fröhlichen Publikum präsentiert wurden. Und wenn das Ganze auch noch durch Bundespräsident Steinmeier mit einem Facebook-Post beworben wird, dann sind 65.000 Menschen doch noch recht wenig, die den Weg dorthin gefunden hatten.
Schade, dass der Bundespräsident es versäumt hat, den Veranstaltern klarzumachen, dass diese Band mit ihrer Verachtung für unser Land die völlig falsche Besetzung ist.“
(Wolfgang Bosbach, CDU-Innenexperte)
Doch von all dem war im Filmbericht von Stern-TV natürlich nichts zu finden … Dafür aber der SPD-Landeschef und Stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig.
Martin Dulig widerspricht Regierungserklärung des Ministerpräsidenten
Live im Studio bei Stern-TV sagte Martin Dulig laut einer Pressemeldung von Stern-TV noch:
Wir hatten Vorkommnisse, wo Geflüchtete durch die Stadt getrieben wurden. Das ist passiert, das ist real.“
(Martin Dulig, Stellvertreter des Ministerpräsidenten von Sachsen, SPD)
Ob Wunschdenken, politisches Kalkül oder von den Medien forcierte Unwissenheit die Ursache der Aussagen des SPD-Landeschefs Dulig waren, bleibt wahrscheinlich sein Geheimnis. Jedenfalls widerspricht er mit seinen Ausführungen seinem Chef, dem Ministerpräsidenten, der in seiner Regierungserklärung sagte:
Es gab keine Hetzjagd, es gab keinen Mob, es gab keine Pogrome.“
(Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen, CDU)
SPD-Landeschef Dulig und die „richtige Seite“
Dulig verwies noch darauf, dass von dem Mord in Chemnitz „viele Menschen ehrlich betroffen und getroffen waren“.
Aber wenn man sich dann entscheidet zu einer Demonstration zu gehen – aus ehrlicher Betroffenheit – und dann steht man neben gewaltbereiten Hooligans, neben Neo-Nazis, neben Leuten, die den Hitler-Gruß zeigen, neben Plakaten, wo Dinge draufstehen, die man nicht akzeptieren kann, dann muss man sich entscheiden, ob man auf der richtigen Seite steht.“
(Martin Dulig, SPD Sachsen)
Dann mache man sich eben auch gemein mit Rechtsextremisten und Rassisten. Was in Chemnitz passiert sei, da hätten sich viele Leute für die falsche Seite entschieden.
Ob Dulig mit der „richtigen Seite“ das Konzert mit linksextremen Bands meinte, kann nur vermutet werden.
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