Montgomery fordert Maskenpflicht ab Klasse drei
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, erwartet für den Fall eines weiteren Anstiegs der Corona-Zahlen eine kritische Schwelle bei 20.000.
„Bei 20.000 Neuinfektionen am Tag gerät die Lage außer Kontrolle“, sagte Montgomery der „Rheinischen Post“. „Dann wäre es für Gesundheitsämter nicht mehr möglich, die Infektionsketten nachzuverfolgen und zu unterbrechen. Dann droht uns ein zweiter Lockdown, weil sich das Virus anders nicht mehr bremsen lässt.“
Montgomery forderte außerdem eine Ausweitung der Vorschriften für das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen. „Eine bundesweite Maskenpflicht für alle Schulen, etwa ab Klasse drei, kann helfen, Schulschließungen zu verhindern.“ Derzeit gilt eine Maskenpflicht in der Regel erst für die weiterführenden Schulen.
Zu einer möglichen Impfung gegen das neuartige Coronavirus sagte Montgomery der Zeitung, diese sei „kein Allheilmittel“. Bis die gesamte Bevölkerung geimpft sei, wird „es zwei, drei Jahre dauern“. Denn für eine Impfung aller auf einen Schlag gebe es „weder genug Dosen noch genug Personal“.
„Wir müssen noch über Jahre mit dem Virus leben und damit umgehen: Abstand halten, Hände waschen, Masken tragen“, resümierte Montgomery. Daher werde es auch 2021 keinen normalen Sommerurlaub geben.
Die Zahl der gemeldeten positiv aus SARS-CoV-2 gemeldeten Personen innerhalb eines Tages war zuletzt erneut stark gestiegen und überschritt erstmals den Wert von 10.000. Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen 11.287 Fälle binnen 24 Stunden.
Montgomery begrüßte die verhängten Einschränkungen im besonders betroffenen Landkreis Berchtesgadener Land, wo seit Dienstag strikte Ausgangsbeschränkungen gelten. „Bei lokalen Ausbrüchen müssen wir konsequent reagieren“, sagte der frühere Präsident der Bundesärztekammer. „Darum ist es genau richtig, dass der Landkreis Berchtesgaden einen lokalen Lockdown verhängt hat. So sollten bundesweit alle Orte mit solchen Inzidenzwerten reagieren.
Inzwischen rollt in Berchtesgadener Land eine Welle von Klagen und Eilanträgen gegen die verhängten Restriktionen.
Kein Kontrollverlust, aber fehlendes Personal
Angesichts der steigenden Zahlen sieht die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, noch keinen Kontrollverlust. Aber „wir haben eine Problematik, dass wir nicht mehr hinterherkommen mit der Personalsituation“, sagte sie den ARD-Tagesthemen. Es zeige sich nun, „dass es ein Fehler war, dass die Gesundheitsämter über Jahre hinweg schlecht ausgestattet waren“.
Wenn von einem auf den anderen Tag Hunderte neue Fälle mit Kontaktpersonen in einem Gesundheitsamt aufträten, „können sie nicht so viele Menschen beschäftigen, wie sie eigentlich brauchen würden“. Auf die Frage, ob man nicht mehr auf jeden einzelnen Fall schauen sollte, sondern nur auf Cluster, also lokale Hotspots, antwortete Teichert, das wäre tatsächlich gut. „Das würde aber bedeuten, dass man insgesamt einen Strategiewechsel in der Gesellschaft bräuchte.“ Und es würde gleichzeitig bedeuten, „man müsste sich in Quarantäne begeben, auch wenn Sie nicht positiv getestet sind, aber bei einem Cluster dabei waren“.
Rechtswissenschaftler: Es geht nicht um die Gesundheit des Einzelnen
Bezugspunkt bei der Einschätzung der Lage sind nicht die Gefahren, die dem Einzelnen durch eine Krankheit drohen. „Öffentliche Gesundheit ist also ein kollektives Rechtsgut, das von der individuellen Gesundheit zu unterscheiden ist“, erklärte der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Thorsten Kingreen, der im September im Rahmen einer Anhörung als geladener Einzelsachverständiger gegenüber dem Bundestag Stellung zu der Frage, ob die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ beendet werden könne. Es gehe um die Infrastrukturen des Gesundheitswesens und nicht um den Einzelnen.
Die Feststellung einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durch den Deutschen Bundestag nach Paragraph 5 Absatz 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz setze eine systemische Gefahr für die „öffentliche Gesundheit“, das heißt für die Gesundheitsinfrastrukturen und damit für die Versorgung der Bevölkerung voraus.
Intensivbettenregister meldet über 1.000 COVID-19-Fälle
Laut Eintragung im DIVI-Intensivbettenregister sind aktuell 1.054 als COVID-19 eingestufte Patienten in ganz Deutschland in intensivmedizinischer Betreuung; 474 werden invasiv beatmet. Über 8.000 Intensivbetten sind aktuell frei. Bei Bedarf kann in Deutschland innerhalb von sieben Tage eine Notreserve von 12.718 Intensivbetten bereitgestellt werden.
Aus den RKI-Situationsbericht vom 21. Oktober geht hervor, dass die Anzahl der Corona-Tests weiterhin gestiegen ist. Von den 1.195.661 getesteten Personen in der 42. Kalenderwoche waren 3,62 Prozent positiv. Insgesamt wurden bislang über 20 Millionen Corona-Tests in Deutschland durchgeführt.
Wie viele Menschen der beim RKI und den Gesundheitsämtern registrieren „Neu-Infektionen“ aktuell Symptome haben oder erkrankt sind, ist unklar. (dpa/dts/sua)
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