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Umfrage offenbart parteiinterne Kritik

Mittelstandsunion der CSU kritisiert Koalitionsvertrag: „Viel SPD, wenig Wirtschaftswende“

Die Mittelstandsunion der CSU zeigt sich enttäuscht vom Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. In einer Mitgliederbefragung sprechen sich viele für einen klaren Kurswechsel aus – bei Steuern, Energie, Migration und Sozialausgaben. Auch die Forderung nach mehr Basisbeteiligung wird laut.

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Markus Söder, Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union (CSU), Friedrich Merz, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Union (CDU) und Lars Klingbeil und Saskia Esken, Co-Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten (SPD), bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags am 9. April in Berlin.

Foto: Maja Hitij/Getty Images

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Lesedauer: 6 Min.

Die Kritik an den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen im Bund innerhalb der Union hält an. Wie die Mittelstandsunion (MU) Mittelfranken am Samstag, 12. April, mitteilte, zeigen sich Mitglieder des Verbandes in Bayern enttäuscht von der Vereinbarung.
Wie der Bezirksvorsitzende Robert Pfeffer in einer Erklärung äußert, hat die MU in mehreren bayerischen Regierungsbezirken ihre Mitglieder befragt. In Niederbayern, Augsburg, Oberfranken, Unterfranken und Mittelfranken entspreche dies einer Tradition. Warum sich Oberbayern und Schwaben nicht an der Erhebung beteiligt hatten, ist nicht bekannt.

Mittelstandsunion fordert Mitgliederabstimmung über Koalitionsvertrag

Die Mittelstandsvereinigung der CSU verlangt eine Einbindung der Basis hinsichtlich der Absegnung des Koalitionsvertrages. 71 % der Befragten sprachen sich demnach für einen Mitgliederentscheid aus. Die CSU hat der Vereinbarung jedoch bereits in satzungskonformer Weise zugestimmt.
Am Donnerstag sprachen sich Parteivorstand, Landtagsfraktion und Landesgruppe im Bundestag einstimmig für das Papier aus. Die CDU soll am 28. April auf einem kleinen Parteitag der Vereinbarung zustimmen. In der SPD entscheiden die Mitglieder über die Annahme des Koalitionsvertrages.
Die Mitglieder der Mittelstandsunion in der CSU haben sich jedoch auch zu inhaltlichen Fragen geäußert. So stimmen 94 % der Aussage zu, dass der Staat in Deutschland kein Problem auf der Einnahmen-Seite habe. Tatsächlich hatte, wie das Statistische Bundesamt ausweist, die Summe aller Einnahmen im öffentlichen Gesamthaushalt 2024 erstmals die Marke von 2 Billionen Euro überschritten.

Ausgaben für Bürgergeld als Investitionsbremse?

Gleichzeitig erklären 96 % der Mittelständler in der CSU, der Staat gebe zu viel aus. Dies betreffe insbesondere die konsumtiven Ausgaben wie das Bürgergeld. Die Union hatte dieses Thema stark in den Fokus des Bundestagswahlkampfs gerückt. Die Koalition hat sich auf deutliche Einschränkungen im Bereich des Bürgergelds geeinigt. So wird es künftig noch weitreichendere Sanktionen geben und nach dem 1. April aus der Ukraine Geflüchtete erhalten dieses nicht mehr von Beginn an.
Eine Bestandsaufnahme der Landesbank Baden-Württemberg teilt die Einschätzung, das Bürgergeld trage in überdimensionaler Weise zum Aufwuchs der staatlichen Ausgaben bei, hingegen nicht. Dort heißt es, dass sich der Anteil der Bürgergeld-Ausgaben an den sozialstaatlichen Ausgaben von 2010 (damals als Hartz IV) bis 2023 von 5,8 auf 4,1 % verringert habe.
Gemessen am gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukt wurden 2010 noch 1,8 % davon für die „Grundsicherung für Arbeitslose“ ausgegeben. Im Jahr 2023 waren es mit knapp 54 Milliarden Euro nur noch 1,3 %. Dennoch sehen 90 % der befragten Mitglieder der Mittelstandsunion in Bayern diesen Faktor als relevant für das Ausbleiben von Investitionen in die Infrastruktur an.

Wenig Vertrauen auch in Bereichen wie Migration, Bürokratie oder Energie

Weitere 93 % der Umfrageteilnehmer vermissen konkrete Schritte zum Bürokratieabbau. Dies mache sich auch in ihrem täglichen betrieblichen Alltag bemerkbar. Im Koalitionsvertrag bekennen sich Union und SPD knapp 30-mal zur Verringerung von Bürokratie. Bis Ende des Jahres soll es auch ein „Sofortprogramm für den Bürokratierückbau“ geben.
In der CSU-Mittelstandsvereinigung ist das Vertrauen in die Lösungskompetenz der künftigen Koalition jedoch begrenzt. So geben nur 14 % von ihnen an, an eine „Wirtschaftswende“ durch das neue Kabinett zu glauben. Mit 21 % traut auch nur eine Minderheit Schwarz-Rot eine „Migrationswende“ zu.
Weitere 75 % treten für einen Wiedereinstieg in die Kernkraft ein. Grund dafür ist, dass die Mittelständler lediglich in einem ausreichenden Angebot an grundlastfähigen Energieträgern eine Chance zur Senkung der Strompreise sehen. Im Koalitionsvertrag wird das Thema nicht erwähnt.

Mittelstandunion sieht jedoch auch Chancen

Der Solidaritätszuschlag, der für Besserverdienende, Anleger und Kapitalgesellschaften weiterhin fällig wird, gilt 90 % der Befragungsteilnehmer als „verkappte Reichensteuer“. Die ab 2028 vorgesehene Körperschaftssteuersenkung für Unternehmen im Umfang von einem Prozentpunkt empfinden 80 % als unzureichend.
Insgesamt meinen nur 19 % der Mitglieder der CSU-Mittelstandsvereinigung, der Koalitionsvertrag lasse einen tatsächlichen Politikwechsel erwarten. Fast drei Viertel erklären, man „weiß gar nicht mehr, was man glauben soll“.
Auch MU-Bezirkschef Pfeffer äußert, die Politik habe in den vergangenen Wochen „viel Vertrauen verspielt“. Dies führt er darauf zurück, dass „im schwarz-roten Koalitionsvertrag leider sehr viel SPD“ stecke. Neben viel Schatten gebe es aber auch Licht. Es komme nun für die Politik darauf an, „verlässlich ins Handeln“ zu kommen. Es seien weiterhin ein „massiver Politikwechsel“, eine „Reformagenda“ und „mutige Strukturreformen“ erforderlich, heißt es in der Erklärung.

Missfallen über Koalitionsvertrag in Teilen der Basis

Die Koalitionsverhandlungen haben in Teilen der Union Unmut ausgelöst. In einigen Landesverbänden kam es zu verstärkten Austritten. In Kühlungsborn verließ ein großer Teil des Ortsvorstandes die CDU. Im Harz forderte der dortige Kreisverband ein Ende der Abgrenzung zur AfD.
Am stärksten war die innerparteiliche Kritik in den ostdeutschen Bundesländern. Allerdings gab es vereinzelt auch in westdeutschen Verbänden Missfallensbekundungen mit Blick auf die politische Ausrichtung der Union. So hatte auch der mitgliederstarke Kreisverband Köln im Vorfeld der Vorstellung des Koalitionsvertrages einen Kurswechsel verlangt.

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