Militärexperte befürchtet langen Krieg in der Ukraine
Trotz aller Verhandlungsrunden fürchtet der Militärexperte Carlo Masala, dass der Krieg in der Ukraine noch lange dauern wird. Er sehe die Verhandlungen nicht mit dem gleichen Optimismus, den die Unterhändler beider Seiten verbreiteten, sagte er am Freitag dem „Stern“. Zunächst sei sogar eine Eskalation der Kämpfe denkbar.
„Darauf müssen wir uns durchaus einstellen“, sagte der Politikprofessor der Bundeswehruniversität München. „Denn je mehr Territorialgewinne man macht, desto besser ist die Ausgangsposition für Verhandlungen.“
Als „Lüge“ bezeichnete Masala die Ankündigung Russlands, Truppen aus der Gegend von Kiew abzuziehen. Es gehe nicht um Rückzug, sondern um eine Neuaufstellung angesichts massiver Probleme. Zugleich würden die Ukrainer gestärkt, da ihnen schwerere Waffen aus dem Westen geliefert würden. „Je schwerer die Waffen sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir ukrainische Territorialgewinne sehen“, sagte der Politologe.
Masala erwartet jedoch nicht, dass eine Seite in absehbarer Zeit die andere vollständig besiegt. Auch bei den Verhandlungen sei kein rascher Erfolg absehbar. So sollten die von der Ukraine geforderten Sicherheitsgarantien eine Beistandsverpflichtung der Garantiestaaten enthalten – die sich aber ausgesprochen zurückhaltend verhielten, da dies ja das Risiko eines Krieges mit Russland bedeute.
Äußerungen von Bundesaußenminister Annalena Baerbock, dass Deutschland in dieser Frage an der Seite der Ukraine stehe, wertete er als Versuch, angesichts der ukrainischen Kritik an Deutschland eine „positive Message“ zu senden. Von einer konkreten Ausgestaltung der Garantien sei man aber weit entfernt.
Der Militärexperte erwartet, dass die Haltung in der westlichen Gesellschaft zum Krieg sich mit zunehmender Dauer des Konflikts verändert. „Es besteht eine doppelte Gefahr“, sagte er. „Je größer der Preis ist, den die Menschen in Westeuropa für diesen Krieg zahlen müssen, desto größer wird der Druck, die Ukraine irgendwann zu einem Friedensschluss zu zwingen, selbst wenn er zu ihrem Nachteil ist.“
Hinzu komme, dass im Laufe der Zeit die Beachtung in der Öffentlichkeit nachlasse, wie man es etwa auch in Syrien gesehen habe. Auch das abnehmende Interesse könne dazu führen, dass die Unterstützung schwinde. (dts/red)
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