Migrantenvereinigung DAVA will in den Bundestag – „Türkische Gemeinde“ skeptisch

Die angekündigte Kandidatur der Einwanderervereinigung DAVA bei der EU-Wahl hat für Aufsehen in Medien und Politik gesorgt. Jetzt spricht Parteichef Teyfik Özcan bereits von seinem nächsten Vorhaben: Im Jahr 2025 will man auch den Einzug in den Bundestag schaffen.
Eine Muslimin unterwegs in Hamburg: Die Mitglieder wollen auch Empfehlungen für den Kampf gegen Muslimfeindlichkeit geben.
Vor allem unter Wählern aus ethnischen oder religiösen Minderheiten will die neu gegründete Vereinigung DAVA punkten.Foto: Georg Wendt/dpa
Von 3. Februar 2024

Mit ihrer Ankündigung, zu den bevorstehenden EU-Wahlen anzutreten, hat die von türkischen Einwanderern gegründete „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ (DAVA) für Aufsehen gesorgt. Die Chancen auf einen Einzug ins Europäische Parlament sind aufgrund des Wegfalls der Fünf-Prozent-Hürde durchaus intakt: Für ein Mandat könnten 0,6 bis 0,7 Prozent der Stimmen ausreichen. Gelingt der Einzug, soll der Bürgerrechtsanwalt Fatih Zingal aus Solingen dieses wahrnehmen.

DAVA will sich noch vor der Bundestagswahl in Partei umwandeln

Wie Parteichef Teyfik Özcan gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) ankündigt, hat die derzeitige politische Vereinigung allerdings noch weitere Ziele. Bis 2025 strebt man die Umwandlung in eine Partei an – und den Einzug in den Bundestag.

Längerfristig, so Özcan, sei geplant, DAVA in eine politische Partei umzuwandeln. Viele positive Zuschriften sieht der Politiker als starken Indikator dafür, „dass wir ins Europaparlament einziehen werden“.

Als primäres Zielpublikum sieht Özcan Wählerinnen und Wähler mit Migrationshintergrund – oder Angehörige religiöser Minderheiten. Man habe analysiert, wie groß das Potenzial sei:

„Da liegen wir bei fünf Millionen potenziellen Wählern, ohne autochthone Deutsche dazuzuzählen.“

Spahn und Özdemir einig gegen „Erdoğan-Ableger, der zu Wahlen antritt“

In den etablierten Parteien und führenden Medien reagiert man auf die Gründung empfindlich. Diese waren umgehend bemüht, das neue politische Projekt zum „verlängerten Arm der Regierung Erdoğan“ in Ankara zu erklären.

CDU-Fraktionsvize Jens Spahn und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir werfen sich auf X gegenseitig vor, nicht genügend Härte gegenüber regierungsnahen türkischen Organisationen gezeigt zu haben. Spahn nennt DAVA eine „weitere extreme Partei in Deutschland“, Özdemir attestiert unionsgeführten Regierungen eine zu große Nähe zum Islamverband DITIB.

Teyfik Özcan betont demgegenüber gegenüber RND: „Wir haben keine Kontakte zur Erdoğan-Regierung oder zu anderen ausländischen Regierungen. Wir brauchen sie auch nicht.“

Kandidat leitete später verbotene IHH – zurückhaltende Position zum Nahostkonflikt

Was feststeht, ist, dass führende Exponenten und Kandidaten von DAVA auf eine langjährige Verbindung zu regierungsnahen türkischen Institutionen zurückblicken. Diese reichen von der Lobbyorganisation UETD, später UID, bis zur DITIB. Als besonders heikel gilt der Umstand, dass ein EU-Kandidat, der Arzt Mustafa Yoldaş, die 2010 verbotene Hilfsorganisation IHH leitete.

Das Bundesinnenministerium begründete den Schritt damals mit einer Nähe der IHH zur terroristischen Hamas. Die gleichnamige Vereinigung in der Türkei hatte damals die „Mavi Marmara“-Flottille auf den Weg geschickt. Deren Versuch, die Seeblockade von Gaza zu durchbrechen, hatte einen blutigen Zusammenstoß mit israelischen Streitkräften zur Folge. Yoldaş betonte damals, es handele sich um unterschiedliche Organisationen und seine IHH habe in Gaza lediglich humanitäre Hilfe geleistet. Um diese an Waisenkinder und andere Empfänger zu bringen, komme man allerdings an der Hamas nicht vorbei.

DAVA-Chef Özcan äußert sich zum derzeitigen Krieg vorsichtig. Gegenüber „nex24“ bekennt er sich zum Selbstverteidigungsrecht Israels gegen Terrorismus. Diese müsse allerdings „verhältnismäßig und vom Völkerrecht gedeckt“ sein. Zudem möchte er nicht ausschließen, dass der Internationale Gerichtshof (IGH) dem Land im Kontext seiner derzeitigen Militäroperation „Kriegsverbrechen“ attestieren könnte. Südafrika hat dort ein Verfahren gegen Israel wegen angeblichen „Völkermordes“ angestrengt. In einem älteren Beitrag auf seinem privaten Facebook-Profil hat Özcan allerdings auch selbst diesen Begriff verwendet.

Sofuoğlu: „DAVA wird keinen Erfolg haben – Neubürger brauchen jedoch politische Angebote“

Keine Erfolgschancen räumt der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Gökay Sofuoğlu, der DAVA ein. Gegenüber RND äußerte er, es gebe „keinen Grund zur Panik“. Die Partei sei „nur nach ethnischen Kriterien gegründet“ und konzentriere sich nur auf solche Fragen. Als solche habe sie „nur eine marginale Funktion“.

Die TGD ist ebenfalls ein Interessenverband türkischer Einwanderer. Allerdings bildet sich unter diesen die innenpolitische Polarisierung in der Türkei selbst ab. Die „Union Internationaler Demokraten“ (UID), als deren Pressesprecher DAVA-Spitzenkandidat Fatih Zingal fungiert, steht der regierenden AKP und ihren Partnern nahe. Die TGD hingegen steht der oppositionellen „Republikanischen Volkspartei“ (CHP) nahe.

Doch auch Sofuoğlu warnt davor, die eher konservativ ausgerichtete Mehrheit türkischer Einwanderer politisch auszugrenzen oder zu stigmatisieren. Die etablierten Parteien hinterließen diesbezüglich eine Lücke:

„Nach der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die viele Menschen nutzen werden, gilt es, Angebote zu machen, um diese Menschen zu gewinnen.“

Türkische Einwanderer in deutschen Parteien marginalisiert und bevormundet?

Özcan, der 30 Jahre lang in der SPD politisch tätig war, konstatiert hier ein Versagen. Menschen mit ausländischen Wurzeln hätten jahrzehntelang in demokratischen Parteien der Mehrheitsgesellschaft ihren Platz gesucht. In den meisten Fällen habe man sie jedoch ignoriert oder bevormundet. Gegenüber „nex24“ äußerte der DAVA-Chef:

„Sie versuchten in Parteien Fuß zu fassen, zu partizipieren. Stattdessen wurde ihnen diktiert, was sie zu denken und zu leisten haben. Diese verkrustete Sichtweise hat die Vielfalt verhindert, die Integration unmöglich gemacht. Aber Integration ist keine Einbahnstraße. Nicht nur wir müssen uns bewegen, sondern die Politik muss sich ändern, damit auch die Gesellschaft lernt und sich ändert.“

Die nur zufällige Entdeckung der Morde der NSU-Terrorzelle stellt aus Sicht Özcans bloß die Spitze eines Eisbergs an rassistischen Anfeindungen dar, denen vorwiegend türkische und muslimische Einwanderer in Deutschland ausgesetzt seien.

In der Politik seien hetzerische und stigmatisierende Kampagnen gegen Einwanderer schon seit den 1980er-Jahren verbreitet. Nicht nur die AfD, sondern auch CDU/CSU und sogar die Grünen machten sich diese Praxis zu eigen. Özcan sieht auch darin einen Grund, warum viele Einwanderer und Angehörige religiöser Minderheiten sich in den politischen Verhältnissen in Deutschland nicht wiederfänden. Seine Partei wolle diesen ein Angebot machen.

„Bei uns geht es nicht um Erdoğan, sondern um deutsche Politik“

Bis dato hatten Parteien, die aus der türkischen Einwanderercommunity heraus gegründet wurden, in Deutschland keine nennenswerten Erfolge. In den 1990er-Jahren entstand die Demokratische Partei Deutschland (DPD) als „Interessenvertretung der in Deutschland lebenden Ausländer“. Sie trat 1996 zur Landtagswahl in Baden-Württemberg und 1998 zur Bundestagswahl an. Beide Male kam sie auf 0,0 Prozent, 2002 löste sie sich auf.

Im Jahr 2010 entstand das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG), das vor allem muslimische Einwanderer ansprechen wollte. Im Jahr 2016 gründete der Unternehmer Remzi Aru die Allianz Deutscher Demokraten (AD-D). Beide Formationen blieben erfolglos.

Gegenüber der Epoch Times betonte Özcan, dass DAVA sich von den genannten Projekten deutlich unterscheide:

„Die AD-D hatte sich von vornherein nur auf Erdoğan-Sympathisanten konzentriert und damit eine potenzielle Wählerschaft ausgeschlossen. Die BIG war im Wesentlichen eine Ein-Mann-Partei und hat in 13, 14 Jahren nur eine ernüchternde Bilanz. Wir sind viel breiter aufgestellt, bei uns geht nicht um Erdoğan oder andere ausländische Staatsoberhäupter. Wir wollen ein Angebot machen für Menschen, die mit der Richtung der Politik nicht zufrieden sind, aber auch nicht AfD oder Wagenknecht wählen möchten.“

 



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