Merz für europäischen Atom-Schutzschild – SPD gegen deutsche Beteiligung

Der voraussichtliche künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat angekündigt, Verhandlungen über eine nukleare Abschreckung mit Frankreich und Großbritannien führen zu wollen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte einen „strategischen Dialog“ mit den europäischen Partnern vorgeschlagen, die nicht über Atomwaffen verfügen. „Wir haben einen Schutzschild, sie nicht“, sagte Macron der Zeitung „Le Parisien“.
„Wir brauchen einen strategischen Dialog mit denen“, die keine Atomwaffen haben, sagte Macron. Dies würde auch Frankreich „stärker machen“. „Sie können nicht länger von der nuklearen Abschreckung der USA abhängen.“ Der Zeitung „Journal du Dimanche“ sagte der französische Präsident, es würde zwischen fünf und zehn Jahren dauern, eine von der NATO unabhängige europäische Verteidigung aufzubauen.
Merz sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, er wolle mit Frankreich, Großbritannien und anderen Verbündeten über ein europäisches System nuklearer Abschreckung verhandeln. In der Vergangenheit sei bereits häufig über eine solche Kooperation gesprochen worden, etwa, dass „ein Angriff auf Deutschland auch den atomaren Schutz durch Frankreich aktivieren würde“. Die Lage habe sich „jetzt noch einmal verändert, und deshalb sollten wir neu über dieses Thema gemeinsam nachdenken“, betonte der CDU-Chef.
Keine Zustimmung von SPD
Die SPD als möglicher Koalitionspartner sieht das Vorhaben als einen Schritt in die falsche Richtung.
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, er glaube nicht, dass sich die SPD auf den Plan von Merz einlassen könnte. Selbstverständlich sei eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich und Großbritannien notwendig, ebenso die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und die Präsenz an der NATO-Ostgrenze. „Aber wir brauchen bestimmt keine weitere nukleare Aufrüstung, schon gar nicht über eine atomare Bewaffnung Deutschlands, das ist ein Irrweg“, sagte Stegner.
Es müsse vielmehr darum gehen, die atomare Aufrüstung weltweit zu stoppen und dafür zu sorgen, dass die Zahl der Atomwaffen wieder sinke. Damit werde mehr Spielraum für die Lösung der eigentlichen Probleme weltweit geschaffen – von Hunger über Bürgerkriege und Umweltzerstörung bis zu Fluchtbewegungen.
Linke: Gefährlich und überflüssig
Der Vorsitzende der Linken, Jan van Aken, bezeichnete den Vorstoß von Merz derweil als „gefährlichen und zugleich überflüssigen Weg“. Eine europäische Atombewaffnung gebe es bereits mit den jeweils über 200 Atomwaffen von Großbritannien und Frankreich, sagte van Aken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Es gibt keinen Grund, warum Deutschland jetzt aktiver Teil dieses Systems nuklearer Abschreckung werden soll.“
Das lässt sich nur damit erklären, dass Friedrich Merz Ambitionen auf deutsche Atomwaffen hat, und das ist angesichts der deutschen Geschichte ein völliger Irrweg.“
AfD: „Deutschland muss stark werden“
Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD Rüdiger Lucassen hingegen zeigte sich einem europäischen Atom-Schutzschild mit deutscher Beteiligung gegenüber aufgeschlossen. „Ein strategisch autonomes Deutschland kann auf den Schutz durch Nuklearwaffen nicht verzichten“, so Lucassen gegenüber der Epoch Times.
Ein Verbund europäischer Staaten sei sinnvoll, um Kosten und Technologieentwicklung gemeinsam zu schultern. Es brauche „eine Koalition der Fähigen“ in Europa, um den Einstieg in eigene Atomwaffen zu beginnen.
„Deutschland muss stark werden und führen, oder es wird im globalen Kräftemessen zerrieben“, so Lucassen.
Vom Bündnis 90/Die Grünen erhielt die Epoch Times bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keine Antwort auf eine Anfrage.
Der Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus vom Freitag hatte bei den europäischen Staaten Bestürzung ausgelöst. Bei einem Gipfeltreffen am Sonntag in London wollten die europäischen Staats- und Regierungschefs die Initiative bei der Verhandlung über eine Waffenruhe in der Ukraine zurückgewinnen und über Strategien zu einer künftigen europäischen Verteidigung ohne die Unterstützung der USA beraten.
Fragliche Wirkung
Die Umsetzung eines europäischen Atom-Schutzschilds, wie Macron ihn vorgeschlagen hat, halten einige Experten für schwierig. Der Atomphysiker der britischen Universität Sussex, Norman Dombey, gab zu bedenken, dass insbesondere die britischen Atomwaffen in die US-Streitkräfte eingebunden seien. „Sowohl die Raketen als auch die Sprengköpfe hängen von den USA und US-Designs ab“, erklärte Dombey.
Andere Experten hoben zudem die deutlich geringere Größe der britischen und französischen Atomarsenale im Vergleich zu dem der USA hervor. Es sei fraglich, wie ernst Russland eine europäische Abschreckung ohne die Unterstützung der USA nehmen würde. (afp/dts/red)
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